Montag, Juli 30, 2007

Spielball der Liebe

"Ich bin auf dem Transfermarkt tätig geworden."

"Wie?"

"Ich kann einen Neuzugang vermelden."

"Wobei denn?"

"In meinem Leben. Ich hab nen neuen Freund."

"Aber Du bist hast doch schon einen?! Ich meine, Du bist mit Hanno zusammen…?!"

"Ich war mit Hanno zusammen. Ich habe uns im einseitigen Einvernehmen getrennt. Jetzt habe ich einen neuen Mann an meiner Seite."

"Ach… und wie… also… das kommt aber plötzlich."

"Es gab im Vorfeld langwierige, geheime Verhandlungen – gerade über die Höhe der Ablösesumme. Man will die Konkurrenz ja nicht aufmerksam machen. Das treibt den Preis in die Höhe."

"Ja, wie? Aber was ist… was war denn mit Hanno?"

"Er hat meine Erwartungen in der letzten Spielzeit nicht voll erfüllen können. Insgesamt ist er zu defensiv aufgetreten. Dabei hatte ich ihn als Mann für die Offensive eingeplant. Und auch die Abschluss-Schwäche hat er nicht abstellen können – heimlich habe ich ihn schon ‚Chancentod’ getauft."

"Auf mich wirkte er immer sehr souverän, durchaus auch angriffslustig, technisch beschlagen?!"

"Deshalb hatte ich ihn ja auch verpflichtet. Aber im Strafraum fehlt im leider jede Kaltschnäuzigkeit. Da versemmelt er plötzlich auch die Hundertprozentigen."

"Ach."

"Er bewegt sich zu wenig. Vor allem aber überlegt er zu lange. Anstatt, wenn der Weg frei und der Winkel günstig ist, einfach mal draufzuhalten und einzunetzen, ist er ewig damit beschäftigt, zu überlegen, wie er ihn nun am elegantesten und trickreichsten versenkt, und wenn er dann irgendwann mal zu einer Entscheidung gelangt ist, ist die Chance natürlich längst vertan."

"Aber Du und Hanno… wie lange seid… nein… wart Ihr jetzt zusammen?"

"Wir standen kurz vor der zweiten Saison. Aber für ehrgeizige Ziele braucht man das richtige Spielermaterial. Das Abschneiden in der letzten Saison ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben."

"Was hattest Du denn für Erwartungen?"

"Ich hatte klar die direkte Qualifikation für die Champions League anvisiert. Und von diesen Zielen will und werde ich auch zukünftig nicht abrücken."

"Aber?"

"Stattdessen war das Verhalten auf dem Platz allzu oft beinahe abstiegsreif. So kann man sich nicht präsentieren. Da war zu viel Kleinklein, zu viel Quergeschiebe, das Spiel war viel zu langsam, statisch und ausrechenbar. Auch die Passgenauigkeit... herrje... ich rede mich in Rage!"

"Klingt übel."

"Das schlimmste war aber seine Zweikampfschwäche. Und so kann man nicht gewinnen. Daher bin ich kurz vor Ende der Transferperiode doch noch aktiv geworden."

"Und mit dem Neuen… wie heißt er überhaupt?"

"Miro."

"Mit Miro ist alles anders?"

"Er ist ein völlig anderer Spielertyp. Er ist stark in „1 gegen 1-Situationen“, kommt auch mal über die Außen, stößt von da nach innen vor und sucht ohne Abschweife den Abschluss."

"Und wie bist Du da rangekommen?"

"Meine Scouts haben ihn schon seit Langem im Blick gehabt. Und als ich vernommen habe, dass er sich mit Wechselabsichten getragen hat, sind wir zu geheimen Verhandlungen zusammengekommen."

"Und die Ablöse?"

"Darüber haben wir Stillschweigen vereinbart."

"Und was sagt Hanno dazu?"

"Nichts."

"Wie nichts?"

"Zumindest nichts öffentlich. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass Interna nicht an die Öffentlichkeit gehören."

"Ja aber zu Dir, zu Dir wird er doch was gesagt haben."

"Na, er beklagte sich darüber, dass er doch eigentlich noch Vertrag habe und den auch erfüllen wolle. Aber ich habe ihm gesagt: Zeig mir den Vertrag, in dem das so verbrieft steht."

"Und dann?"

"Hat er sein Haupt gesenkt. Denn ich habe ihm die Ausstiegsklausel gezeigt, von der ich nun Gebrauch gemacht habe."

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Donnerstag, Juli 26, 2007

Waschmaschinen fressen nicht nur Socken

Wo die Zeit bleibt, wird seit beinahe ebenso vielen Jahrtausenden diskutiert wie die Frage, ob sie jemand erfunden hat (und wenn, wer) sowie woher sie kommt. Auf keine dieser Fragen habe ich eine überzeugende Antwort. Das liegt an vielem - nicht zuletzt an mangelnder Zeit, auch wenn unklar bleibt, wo meine Zeit zuletzt geblieben ist. Schon zuletzt wurde es hier spärlicher als mir lieb war; Gastbesuche fielen trotz hellwachem Interesse ins Wasser. Es wuselt und schwurbelt im Hintergrund. Aus gegebenem Anlass wird Absurdistan nun ein paar Tage ruhen.

In wenigen Tagen sollte der Karren hier wieder Fahrt aufnehmen. Wem brandneue Texte hier fehlen, dem sei so lange eine Pirsch durch's Archiv vorgeschlagen. Da tummeln sich sicher noch so einige Texte, die vielen Augen bislang verborgen geblieben sind.

Keine Frage, ich komme (hoffentlich mit einem Packen spannender Ideen) wieder.
Zurzeit gibt es jedoch blogjenseitige Ereignisfolgen, die wichtig genug sind, um mich hier kurzzeitig rar zu machen.

Sonntag, Juli 22, 2007

Wiederbaustelle


Ich bin verloren. Angstschweiß perlt meine Schläfen hinab. Ein zerfranstes Seil, mit dem ein leckgeschlagenes Boot auf dem Dach eines Autos festgezurrt ist, das über dunkle Straßen kurvt, und es schneit. Wenn ich mehr bin, bedeutet es weniger. Letzter Aufruf für fröhliche Gelassenheit. Ich bin Dein Kleid in der Nähe der Kniebeugen und man sieht Deinen Slip. Ich bin auf See. Ein Floß in einer Sommerparade, die Straße aufwärts in der Stadt, in der Du geboren bist. Mit einem tüllverhüllten Mädchen an der Spitze und einer Miss Irgendwo-Schärpe, winkend wie eine Königin.

Schönheit ist auch nur so ein Wort, bei dem ich nie sicher bin, wie man es buchstabiert. Geh, bitte die Krankenschwester, den Fernseher wieder anzuschalten. Und wirf mein Elend über Bord. Es hat mir nie viel bedeutet. Es hat mir nie eine "Gute Besserung"-Karte geschickt.

Ich bin zerschellt wie ein schlechter Witz, den irgendwessen Onkel bei einem Hochzeitsempfang anno 1972 erzählt hat, bei dem ein kleiner Fratz unterm Tisch mit Kuchenstücken im Haar die Füße der Erwachsenen anstarrte, die tanzten und schwankten. Und sein Vater lachte und salbaderte über die lange Heimfahrt. Und seine Mutter lachte und salbaderte über die lange Heimfahrt. Und er sinnierte darüber, wie jeder eines Tages sterben muss, und wohin sich Gestern verdrücken wird, wenn Morgen plötzlich hereingeschneit kommt. Und schlummerte in seinem nagelneuen Wintermantel ein.

Kauf mir eine glänzende neue Maschine, die mit Lügen und Benzin läuft und all den Batterien, die wir aus Rauchmeldern geklaut haben und die meine Verzweiflung in ihre Einzelteile zerlegt. Sie hat mich niemals irgendwohin gebracht. Sie hat mir kein einziges Mal auch nur einen Drink ausgegeben.

Mittwoch, Juli 18, 2007

Jenseits der Lufthoheit

Ich habe über Jahre hinweg in meinem Zimmer Fußbälle gegen die Wand über der Eingangstür geschleudert, um mit Hechtsprüngen die Abpraller aus der Luft zu pflücken. Stundenlang. Unablässig. Auf's Bett geschmissen habe ich mich. Der Lärm dröhnte durch's Haus. Das Lattenrost bog sich jedes Mal vor Schreck, Entsetzen und Empörung über solch unsanfte Behandlung. Meine Eltern haben enormen Gleichmut bewiesen. In jeder Grundschulpause drängelten wir uns vor dem kleinen Sportgeräteraum neben den miefigen Toiletten, um uns die Pille aushändigen zu lassen, und alsbald flog ich durch die ostfriesische Morgenluft, um die Angreifer der gegnerischen Mannschaft mit Flugparaden zur Verzweiflung zu bringen. Nun regnet es in Ostfriesland häufig, gerade in Herbst und Winter. Wo gehobelt wird, fallen Späne, wo Regen ist, entwickelt sich Schlamm, und wer fliegt, landet auch irgendwann. Oft mit den Knien zuerst, manchmal bäuchlings. Klatscht auf den Boden. Spätestens nach der zweiten großen Pause trottete ich nach erfolg- und manchmal auch verlustreichen Schlachten ziemlich dreckverschmiert zurück in den Unterricht. Meine Hose glich oft einem Golfplatz nach einer Flutkatastrophe – nass, matschig, voller Löcher. Meine Eltern haben großen Gleichmut bewiesen. So gut es ging. Es ging nicht immer. Verständlicherweise. Die Waschmaschine litt wortlos, erlitt irgendwann ein Schleudertrauma. Erst nach der Grundschule, als ich täglich ein paar Kilometer weiter zur Orientierungsstufe radeln musste, wo es auf dem Schulhof keinen Fußballacker gab und ich meine Leidenschaft für Tischtennis entdeckte, konnte die Waschmaschine aufatmen. Geschwächt war sie indes schon. Wenig später gab sie auf. Wir bekamen eine neue. Zu ihr war ich, inzwischen ein wenig gereift, gnädiger.

Samstag, Juli 14, 2007

Wichtige Differenzen

Einen frappierenden Unterschied zwischen Handys und Haustürschlüsseln entdeckt. Haustürschlüssel gesucht und kurz überlegt, ihn anzurufen. Dann bemerkt, dass der Schlüssel gar keine Telefonnummer hat und nichts zum Klingeln oder Surren. Das Plüschtierchen, der Flaschenöffner, die Billardkugel, der Mercedesstern... fast an jedem Schlüsselbund baumelt ein Anhänger. Doch sobald sich der Schlüssel unter T-Shirt-Bergen, in der Ritze hinterm Bett, im Gemüsefach des Kühlschranks oder einfach nur von außen in der Wohnungstür versteckt, kann man noch so viele Nummern wählen - kaum ein Schlüsselanhänger fängt von selbst an zu vibrieren, surren oder klingeln. Befunden, dass ich auch keinen surrenden Schlüsselanhänger haben will, aber beschlossen, mir wieder genauer zu merken, wohin ich ihn lege.

Freitag, Juli 13, 2007

Neulich unterm Märchenturm

"Rapunzel, Deine Monatsbinde hält sich für einen Volleyball!"

Dienstag, Juli 10, 2007

Das Sommerpopalbum des Jahres

Es gibt sie noch die perfekten Scheiben für den Sommer. Eine der vergnügtesten, beschwingstesten und vor potenziellen Ohrwürmern strotzendsten Platten des Jahres kommt von The Format, nennt sich "Dog problems" und erscheint hier offiziell Ende Juli. Mehrheitlich famos instrumentierte Songs, die - mal nur mit Schrammelgitarre und Schlagzeug, dann aber wieder mit Klarinetten, Streichern, Himmelschören, Glockenspiel und weiteren geschickt platzierten Klangarben um die Ecke turnen und munter zwischen Sgt. Pepper und Nada Surf, zwischen Maritime und den Beach Boys, zwischen Modest Mouse und Neutral Milk Hotel hin und her tanzen.

Absolute Kaufempfehlung meinerseits. Allein das Bastelcharme-Artwork und den auseinanderklappbaren Papphundegrüppchen lohnt den Kauf zudem.

Und wer sich noch nicht entscheiden kann, der mag hier das komplette Album noch bis zum 16. Juli kostenlos und legal herunterladen. (S)eine Mailadresse hinterlassen, runterladen, hören, begeistern und dann das Wort für diese famose kleine Band weiter verbreiten, die unlängst aus kaum verständlichen Gründen gleich zweimal von ihrem Label gekickt worden ist.

Edit: Zuweilen spinnt die Seite (vielleicht wegen Überfrachtung) leider. Insofern seien hier auch noch einige Songs der Scheibe auf anderem Wege angeboten (wobei eins der besten, das grandios verspulte und famos instrumentierte "Matches", außerhalb leider nicht als Links zu entdecken waren):

The Compromise
Oceans
She doesn't get it
If work permits
I'm actual

Der Titeltrack und beste Song des Albums ist zudem hier als Video zu bestaunen. Zeit nehmen bis zum Ende. Es lohnt sich und wird immer spannender.

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Skulpturenblicke: Besucherpavillon

Samstag, Juli 07, 2007

Bald

Draußen fällt das Morgenlicht schräg und scharf ein wie eine Rasierklinge und schneidet die Häuser entzwei. Auf dem Bordstein zerrt eine Taube an einer Sardinenbrotrinde herum, die von streunenden Katzen liegen gelassen worden ist. Ein Müllwagen rollt heran und bremst. Die beiden Männer, die sich an sein Heck klammern, springen von ihren Trittbrettern, krallen sich rumpelnd neue Tonnen und leeren sie in seinen Bauch. In scheinbarer Endlosschleife. Türen klappen im Hausflur. Die Nachbarn, in dicke Mäntel gehüllt, eilen zur Arbeit. Wir stehen immer noch da und drehen uns im Kreis. Mit Worten. Ohne Worte. Die Nacht hindurch, seit Stunden. Es bleibt die unsichtbare Wand, an der Fragen und Antworten zerschellen und im ewiggleichen Meer verschwimmen.

Wie schön Du bist, wie Du still am Küchentisch lehnst und Kringel mit dem Zeigefinger ins Geröllfeld verschütteter Zuckerkrümel zeichnest. Eine Träne trocknet auf Deinen rotweinblühenden Wangen. Gern würde ich etwas Kluges sagen. Doch das Hirn greift ins Leere. Unten auf der Straße pinkelt ein Dackel gegen einen Stromverteilerkasten. Der Schatten eines Blinden, dessen Stock sich zaghaft vorwärts tastet, tanzt neben ihm her. Schulkinder quasseln auf ihren Fahrrädern, feine Damen tragen ihre Einkäufe heim. Niemand bemerkt draußen, wie still es in unserer Küche geworden ist.

Hier, wo wir früher laut gelacht und uns wild geküsst haben. Hier, wo meine Finger durch Deine champagnerfarbenen Locken spielten. Hier, wo wir uns ins Ohr geflüstert haben, während unsere Hände geheime Bereiche streichelten während unsere Blicke gemeinsam aus dem Fenster schwirrten. Erinnerungen rieseln herab wie Blütenstaub in unser gegenwärtiges Schweigen. Und ich schaue immer noch aus dem Fenster, um Worte zu finden, die mir nicht gleich auf der Zunge zerfallen. Worte, die wir einander nicht im Mund herumdrehen, Worte, die den Abwärtskreisel sprengen. Vielleicht. Bald.

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Freitag, Juli 06, 2007

The times, they are a-changing

Früher ganz hoch im Kurs: Haydn.

Heute ganz hoch im Kurs: Handy.

Mittwoch, Juli 04, 2007

Gelungene Selbsteinschätzungen

Die Dauerwelle war frisch geföhnt. Als er den Arm beugte, um den Zeigefinger ans Kinn zu legen, knirschte die Lacklederjacke. Und plötzlich lächelte David Hasselhoff, öffnete den Mund und schnurrte: "There are many dying children out there whose last wish is to meet me."

Montag, Juli 02, 2007

Tee Wurst Case Scenario

Gestern morgen zum Frühstück die Teewurst gesucht. Hinter den Senfgläsern, unter dem Blauschimmelkäse, in Nachbarschaft zum Joghurt im Kühlschrank. Nirgends gefunden. Einfach verschwunden, die Gute. Auch außerhalb keine Wurstspur. Kopf gekratzt. In der hinteruntersten Ecke des Kühlschranks bei den Buddel-Aktionen stattdessen drei Wochen alten Edel-Schinken entdeckt, der anlässlich Omas Dreiundneunzigstem auf die Brotzeitplatte drapiert werden sollte, aber verschollen geblieben war. Kopf gekratzt. Daran erinnert, mir vorgestern mit der Teewurst ein Brötchen geschmiert zu haben. Doch nur bröselige Gedächtnisbrühe beim Versuch, herauszufinden, wohin ich sie danach gelegt haben könnte. Kopf gekratzt. Fahndung vertagt. Später abends dann einen Anruf erhalten. Teewurst steckte feinsäuberlich im Besteckfach der Spülmaschine. Beim Ausräumen entdeckt worden. Spülmaschine war schon durchgelaufen, Teewurst ist nun sehr sauber. Zum Zentrum aller Verdachtsmomente geworden. Kopf gekratzt.