Sonntag, August 31, 2008

Mitfühlen ist gruselig


Ich glaube, ich werde nach Hause gehen und das Ganze nochmal durchgrübeln, bevor ich es meinen Hals hinab pfropfe. Endlich ist es abgestürzt, und seine kolossale Masse ist in meinem Burggraben in Stücke zerbrochen.

Hebe die Matratze vom Boden, löse die Krämpfe bei einem Spaziergang, streune durch die Kälte. Ein Hoch auf Deine dunkle Haut, die verdeckt, dass Du wieder gestorben bist, Schatten suchend unter den Hochspannungsleitungen. Weit über unseren Köpfen sind die eisigen Höhen, die alle Vernunft umfassen.

Es ist eine köstliche Mischung aus Worten und Tricks, die uns wetten lässt, wann Du erkennst, dass wir uns auf den Felsen ausfalten sollten, von denen ich geträumt habe, dass wir dorthin gestolpert sind, und das gesamte Gewimmel von Straßen, auf denen wir jetzt unterwegs sind.

Erhebe Dein Glas und halte es, betrüge nie den Weg, von dem Du immer gewusst hast, dass er es ist. Eines Tages werde ich mich wundern, wie ich so alt werden konnte, verwundert darüber, dass ich nicht friere - nackt im Schnee. Das ist fernab meiner leisen Sorge, herablassend zu sein. All diese zwitschernden Vögel werden keine Ruhe geben, nichts bauen, nur Steine legen.

Dienstag, August 26, 2008

Yip yip!

Montag, August 18, 2008

Der neue Nachbar



Unlängst dachte Wulnikowski, das alte Fernseh-Walross "Antje" sei über ihm eingezogen. Wenige Tage vorher hatten Dutzende Kisten im Flur gestanden. Es rumpelte ein Stockwerk höher. Irgendwer bohrte und schraubte. Wenige Tage später goss es. Draußen hätte man kleine Bahnen durch die Pfützen neben dem Bordstein schwimmen können, stundenlang hatte es wild geschüttet, doch "Antje" floh in den Hausflur und troff dort, anstatt sich im kühlen Nass zu tummeln. Hetzte an ihm vorbei, schüttelte Tropfen aus dem Bart, der schlaff die Wangen herab hing.

Kurz darauf schlich Wulnikowski sich treppaufwärts. Keine "Antje" auf dem Klingelschild. Gar kein Name stand dort. Auch tropfte nichts durch die Zimmerdecke. Eine Woche später dann, schien es, als habe sich das Walross in den alten Habsburger Kaiser Franz-Josef I verwandelt. Mit Manneszier, die sich beide Backen hinaufschwang, mit echtem Waffenrock und Monokel in der Augenhöhle. War der Flur zur Zeitmaschine geworden? Zumindest stand auch "Franz-Josef"n nicht am Klingelschild. Gar kein Name stand dort. Der neue Nachbar blieb geheim - bis Wulnikowski eines Tages die Zeitung aufschlug und las, dass ein "Hans-Peter" den ersten Preis im kaiserlichen Backenbart beim Barbier Buchholz-Cup in Buchen (Baden-Württemberg) gewpnnen hatte. Allem Anschein nach, war er doch kein Fernseh-Walross. Doch wie er war, wollte Wulnikowski bald herausfinden.

Labels:

Donnerstag, August 14, 2008

Sometimes there's a quicker fish

Eine Dame, die mir sehr am Herzen liegt, wurde im vergangenen Jahr zugleich verblüfft und auch ein bisschen traurig. Seit Jahren wuselte die Idee durchs Kleinhirn, einen Tischdönergrill zu erfinden. Plötzlich sah sie einen ebensolchen in einem Schaufenster in einer kleinen Stadt. Jemand anders war schneller - zumindest in der Umsetzung. Niemand wird je wissen, wer die Idee früher hatte. Joseph Matthias Hauer wird inzwischen auch zugebilligt, die Zwölftonmusik erfunden zu haben. Womöglich zu Recht. Den Erfinder-Ruhm dafür hat dennoch Arnold Schönberg geerntet. Vielleicht gab es auch weit oder kurz vor ihm noch jemand anders, der zumindest die Idee früher hatte. Wer mag es sagen? Und auch mir sind wohl hunderte Ideen in den Kopf gesprungen, die sich erstaunlich, brandneu und taufrisch angefühlt haben. Manche von ihnen geistern schon mehrere hundert Jahre über diese Welt, wie ich irgendwann herausgefunden habe. Passiert. Schön, dass ich die Ideen trotzdem hatte.

Im Netzzirkuszelt wird die Suche nach Huhn und Ei vermeintlich origineller Einfälle zuweilen verbissener geführt. Hier und da erstaunt mich, wie gereizt mancher reagiert, und wie kränkbar manch andere Seite sich gibt, wie viel oft vor irgendwelchen Türen gekehrt wird - wessen auch immer es sein mögen. Wie viele Leute moralische Zeigefinger erheben und mit welchem Herzblut Stellungs- und Grabenkämpfe gefochten werden, die nicht abreißen. Glashäuser, Steine, Leute die sich im Dunkeln ausziehen oder es sollen. Nun.

Ich mag kein Blogger sein, weil mir der Klang des Wortes missfällt. Zugleich tue ich seit geraumer Zeit das, was Blogger gemeinhin mehr oder weniger regelmäßig tun. Und ich tue es gern. Dasselbe gilt für mich, wenn ich Dinge tue, die Menschen zugeschrieben werden, die man Journalisten (den Wortklang mag ich immerhin ein bisschen mehr) nennt. Wie genau man mich nennt, ist mir egal, so lange mir Spaß macht, was ich treibe. Wenn man meint, differenzieren oder in Lager spalten zu müssen, bin ich ein Zwitter. Irgendwie. Wobei die Schattierungen beider Phänomene so ausdifferenziert sind, dass die Schublade schnell klemmt. Und auf beiden Seiten gibt es hervorragende Vertreter und miese; welche, denen ich gern höchsten Respekt zolle und andere, bei denen dies anders ist. Mich ermüdet solch Gezänk manchmal. In letzter Zeit ist die Freizeit knapper geworden. Letztens dachte ich, ich hätte einen guten Weg gefunden, meine Freizeit effektiver und angenehmer zu nutzen. Ich glaube irgendwer ist denselben Weg schon vor mir gegangen. Ich weiß nicht, wer es vielleicht war. Wüsste ich es: Ich würde demjenigen wahrscheinlich keine Mail schicken.

Montag, August 11, 2008

Moltkestraße 1, Zweiter Stock rechts

"Ich mag es nicht, wenn meine Haare verknoten", sagt Iri, sucht einen Kamm, findet aber nur ein Buch über Tintenfische. Sie vergisst die Haarknoten, blättert und quiekt: "Wem gehört das Tintenfischbuch hier? Ich will ein Tintenfisch sein." Zarah schlurft herein, Kippe im Mundwinkel, eine Lupe in der Hand. "Wieso willst Du ein Tintenfisch sein?" "Tintenfische können die Farbe ihrer Umgebung annehmen, obwohl sie farbenblind sind." "Und Du möchtest gern farbenblind sein?" "Äh... nee. Stimmt. Aber ich wär' gern ein Farbenwandler." "Wer sich wandelt, ist ein Opportunist." "Oder flexibel." "Papperlapapp. Sag mal, bist Du diese Woche nicht dran mit Badputzen?" "Ich? Oh. Ich dachte, wir wär'n da flexibel." "Geht so. Ich meine nur, weil da inzwischen Staubflocken liegen, die sogar als Tintenfische auffallen würden, wenn sie die Farbe ihrer Umgebung annähmen." Iri stockt. "Mach ich gleich. Aber hast Du meinen Kamm gesehen? Ich mag es nicht, wenn meine Haare verknoten." "Ach ja. Den hab' ich gestern kaputt gemacht. Ich bin mit Ronni Gassi gegangen, der hat sich in einer Pfütze gerollt, in der zwei Kaugummis lagen, und die klebten hinterher im Fell fest. Da wollt ich die mit Deinem Kamm rausfriemeln, aber die waren hart und Dein Plastikkamm brüchig, und nun ist Dein Kamm im Müllsack, unten auf der Straße." "Ey, das war'n Geschenk. Nimm doch Deinen eigenen." "Hab ich nicht gefunden." Zarah zieht an ihrer Zigarette, Iri verzieht das Gesicht. "Doof. und was machst Du mit der Lupe?" "Ich suche meinen eigenen Kamm." "Erfolglos?" "Ja." Doof." "Stimmt. Auch das mit dem Bad." "Das auch, ja. Und doof, dass ich kein Tintenfisch sein kann."

Labels:

Freitag, August 08, 2008

Omas Teich / Fest van Cleef

Drei Tage lang bebte das winzige Kaff Ulbargen, rechts der Bundesstraße zwischen Leer und Aurich. Die Windräder ließen sich nicht beirren von Ostfrieslands größtem Rockfestival. Hier ein paar Schnappschüsse (wegen hartem Runterrechnen leider ein wenigpixelig geworden).



Kettcar



Reimer Bustorff (Kettcar) zupft sich um Kopf und Kragen.



Tu immer, was Dein Herz Dir sagt, und begrab es in der Biegung des Flusses" - Marcus Wiebusch (Kettcar)



Reimer rockt.



Aydo Abay (Blackmail) als Gegenlichtgestalt.



Aydo's got the blues (oder so).



Helge Omen Kaizer - das Tastenungeheuer der norwegischen Polkatrolle.



Janove Ottesen (Kaizers Orchestra) steht über vielemn.



Die Orgel riecht muffig. Vorsichtshalber die Maske aufsetzen.



Keith Caputo ist kaputt.



Luftblasen.



Rotze Santos (Turbostaat) rockt.



Jan Windmeier (Turbostaat) schreit, aber nicht den Namen seiner Mutter.

Labels:

Mittwoch, August 06, 2008

Und sogar im selben Zug

Wie unzählbar viele Häuser und Wohnungen in tausenden von Städten wir doch Zeit unseres Lebens nie betreten. Und auch die Menschen, die darin leben oder sporadisch oder häufiger ein und aus gehen in den Wohnungen, werden wir nie treffen und nicht hören, welche Geschichten sie erlebt haben und sie bewegen. Weil wir sie nie gekannt haben, vermissen wir sie nicht, wie wir uns nicht nach Dingen sehnen, von denen wir nichts wissen und von denen wir insofern keine Vorstellung haben.

Tausende Menschen huschen in den Städten an uns vorbei – auf dem Bürgersteig, in U-Bahn-Schächten, auf verschlungenen Parkwegen, zwischen Kleiderständern in Einkaufsmeilen oder Behördenfluren. Und über unseren Köpfen sitzen manche von ihnen hinter Fenstern in Räumen, von denen wir den Großteil nicht einmal vom Hörensagen kennen, und höchstens Schilder – aus Blech neben Hauseingänge geschraubt – berichten knapp davon, was dort vielleicht zu finden sein wird. Eine Frauenarztpraxis oder eine Anwaltskanzlei für Schuldrecht oder ein Nagelstudio. Und vielleicht sind Bruchstücke der Räume zwischen den Fenstersprossen sichtbar, und vielleicht blickt jemand herab und drückt sein Gesicht kurz an die Scheibe und betrachtet die dahinfließenden Menschen unterhalb.

Und die wenigsten nehmen wir wahr, und vielleicht nehmen noch viel weniger der vorbeihuschenden Menschen uns wahr. Für Sekunden durchstreifen wir ihre aktuellen Geschichten, die ineinander verwoben sind, für Augenblicke überschneiden sich unsere und deren Gegenwart, und doch merken wir es gar nicht, oder stellen erst viel später fest, wie seltsam verwoben doch alles ist, wenn wir einen oder zwei der Menschen auf völlig anderem oder ähnlichem Wege kennen lernen und bemerken, dass wir seit Jahren aneinander vorbei gelebt haben, obwohl schon weit eher die Chance bestanden hätte, sich kennen zu lernen.

Vielleicht fahren wir mit dem Zug an einem der Häuser vorbei und erhaschen einen flüchtigen Blick in die Küche, wo vielleicht gerade ein Wellensittich allein durch seinen Käfig hüpft, weil die Frau des Hauses noch schnell zum Markt geeilt ist, um Suppengrün zu kaufen. Denn wenn ihr Mann von der Arbeit heimkommt – vielleicht ist er Maschinenschlosser und trägt einen blonden Schnurrbart über wulstigen Lippen – wünscht er sich etwas Warmes auf dem Tisch, und er mag gern Erbsensuppe mit dicker Wursteinlage.

Vielleicht sitzt aber auch eine alte Dame hinter gerüschten Gardinen hinter dem Fenster, streicht mit dem Zeigefinger eine gefärbte Haarsträhne aus ihrer faltigen Stirn, nippt an einem Cognac, obwohl es noch Vormittag ist, und denkt an die Jahrzehnte zurück, als sie noch jung und knackig war und ihr die Herzen der Männer zuflogen, als sie mit wehendem Rockschoß über den Prachtboulevard der Stadt flanierte und ihren Rücken ein wenig ins Hohlkreuz drückte, damit ihre Brüste noch üppiger erschienen. Heute sammelt sie vielleicht Porzellanputten oder stickt Ansichten des spätgotischen Rathauses, und es hängen selbstgehäkelte Topflappen an Metallhäkchen über der Spüle.

Womöglich bekommt sie nur noch selten Besuch. Und womöglich weiß niemand, dass sie kaum hörbar Schlaftabletten schluckt, weil sie häufig nachts wach liegt, und Erinnerungen an die Vergangenheit sie quälen, oder die traurige Gegenwart sie nicht schlafen lässt. Im Flur riecht es vielleicht nach Patschuli, und jeden Sonntag zur gleichen Zeit zieht sie die Standuhr aus Eichenholz auf, wischt zärtlich über das Ziffernblatt und küsst danach das vergilbende Hochzeitsfoto ihres längst an einer Lungenentzündung verstorbenen Gatten, der seine Parade-Uniform der Wehrmacht zur Feier des Tages angezogen hatte.

Vielleicht aber wohnt die alte Dame schon längst nicht mehr in der Wohnung, wenn wir vorbeisausen mit dem Zug, und längst sind neue Mieter eingezogen, die ihren Kaffee in einem zischenden und gurgelnden Chromklotz kochen. Die kinderlos bleiben wollen, einen großen Sportwagen fahren und die Küchenwände in mintgrün und orange gestrichen haben. Vielleicht ist alles aber auch ganz anders. Wir bekommen es nicht mit, denn wir bekommen keinen Einblick. Wissen nicht, ob eine Schrankwand aus furnierter Fichte an der Stirnwand des Wohnzimmers steht und ob die Sesselgarnituren aus mattbraunem Leder oder rotem Rattan sind. Ob Ölgemälde von Schwarzwaldhütten und gestellte Familienfotos an den Wänden hängen, oder vielleicht ein Kunstdruck der „Entschwebenden Klänge“ von Max Ackermann oder ein Poster von Jim Morrison. Und wir wissen nicht, wie die Kinder aus dem Stock darüber heißen, die womöglich im Treppenhaus toben und sich in der Pubertät zanken und monatelang nicht mehr miteinander reden – falls es sie an der Stelle denn gibt.

Und sogar im selben Zug, in dem wir vielleicht fahren, sitzen hunderte anderer Menschen, von denen wir nicht wissen, die ohne Vorwarnung einsteigen, kurz verbleiben und wieder entschwinden, ohne dass wir mit ihnen gesprochen und von ihnen erfahren haben, was sie bewegt. Jeden von ihnen könnten wir ansprechen, wenn wir uns ihnen näherten, und dann könnten wir einen Bruchteil ihrer Geschichte erfahren, falls sie denn erzählen, und immer würden sie viele Details aussparen und wir würden nie die gesamten Zusammenhänge erfahren. Und vielleicht würden wir uns auch langweilen, weil sie gar nichts zu erzählen haben, was uns interessiert, oder sie würden uns anekeln, weil sie anscheinend seit Wochen darauf verzichtet haben, sich die Zähne zu putzen und sauer aus dem Mund riechen.

Vielleicht würden sie auch davon erzählen, dass sie einen Kleinwagen mit Wimpern über den Scheinwerfern fahren oder dass der Bruder in seiner Jugend in der linken Gesichtshälfte mehr Pickel hatte als rechts, und wir würden uns langweilen und heimlich verfluchen, solch eine öde Nase ohne Not in ein Gespräch verwickelt und uns darin gefangen zu haben. Vielleicht würde das Gegenüber aber auch davon erzählen, dass die Eltern einen Versandhandel für Fliegengitter betreiben und kommende Woche der Flug auf die Philippinen geht, wo ein Filmprojekt über Wunderheiler, die mit der bloßen Hand operieren, ansteht. Und wir würden gebannt lauschen und uns wundern und vielleicht darüber nachdenken, wie viel mehr man im Leben erreichen kann, wenn man sich nur traut und welch spannende Dinge sich erleben lassen, wenn man sie nur wagt. Vielleicht.

Labels:

Sonntag, August 03, 2008


Vermutungen verdichten sich: Blackmail-Saitenungeheuer Kurt Ebelhäuser ist ein Klingone.