Samstag, Juli 17, 2004

Flut

Hier eine spontan aus einer ICQ-Konversation entstandene Kurzgeschichte (ohne Omas Brotmesser)... Aufgabe war - Du kriegst 5 Stichwörter, bastel daraus eine Geschichte, fix!

1) autopilot
2) wasserflasche
3) haarbüschel
4) ölheizung
5) lendenschurz

Und hier ist mein Ergebnis:

Er fuhr die B 70 in seinem Kombi in Richtung Süden, rechts von ihm erhob sich düster und gewaltig der schemenhafte Schatten der riesigen Müllhalde von Breinermoor, bedrohlich, darüber wogte der traurig-ruhige langsam dunkler werdende Schein des sterbenden Tages. Die linke Glühbirne seiner Armaturenbrettbeleuchtung hatte einen Wackelkontakt.

Die sanfte Schönheit ihres Gesichtes kam ihm vor Augen, während er zugleich traurig und entrückt in das Abenddunkel starrte. Es fiel ihm schwer, die Straße zu fixieren, er schaltete kurz die Innenbeleuchtung an, griff nach der Wasserflasche, nahm einen Schluck. Das Wasser schmeckte staubig, abgestanden, fad, und seine emporkletternden Erinnerungen, an das was geschehen war, verliehen einen bitteren Nachgeschmack, der ihm beinahe feurig in der Kehle brannte und sie gleichzeitig zuschnürte. Er warf einen kurzen Blick auf die Karte, um die weitere Fahrtroute zu überprüfen. Es war noch weit. Gern hätte er einen Autopiloten gehabt.

Er dachte an sie, sie, deren Körper er jetzt roch, ein wilder, schmachtender Geruch. Ihr wohlig warmer Körper an seinem, mit dem vereinigt er sanft pulsierend sich ganz gefühlt hatte, das heimliche sanfte Seidenbettuch, auf das ihr Körper seinen Duft genetzt hatte. Und doch war das Bild jetzt verzerrt, wie von fauligem Wasser. Sie hatten sich gestritten, weil er vergessen hatte, die Ölheizung auszuschalten, als sie in Urlaub gefahren waren. "ich kann auch kein Geld scheißen!" hatte sie gebrüllt. "Kann man sich EIN Mal auf Dich verlassen?" Es war, als seien eiskalte Wände aus dem Nichts zwischen sie geschossen. Sie hatte höchst teilnahmslos "tschüs" gesagt, unbewegt, unnahbar, beiläufig.

Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, hielt am Straßenrand, stieg aus. Den Kopf klarbekommen. Zu seiner rechten nahm er durch das Dunkel eine Pforte war, die Eingang zu einem Park zu sein schien. Ein wenig Spazieren gehen könnte nicht schaden. Riskiert zumindest weniger Menschenleben, als vor emotionaler Zerwühlung berstend sich beinahe blind für alles Äußerliche durch den Straßenverkehr zu bewegen. Ihm fiel ihr Haarbüschel ein, das er noch in seinem Portemonnaie stecken hatte. Wehmütig zog er seine Geldbörse heraus, nahm das Büschel Haare, begann zu weinen, stampfte wütend mit dem Fuß auf, schlug seinen Kopf gegen die knorrige Rinde einer Eiche, trat gegen eine undeutlich im Dunkeln wahrnehmbare Bierdose zu seinen Füßen, erschrak über die Lautstärke, das blechernde Scheppern der Dose, wie sie über den Kiesweg rollte.

Die Parkbäume waren regenschwer und scheinbar für ewig fiel der Regen, hart und kalt klatschte er auf seinen Pullover. Es fröstelte ihn. Er kam an einen Weiher, der grau dalag wie ein Schild, auf der Mitte zwei Schwäne, das Ufer hell, schleimig von Algen. Die beiden Schwäne umarmten sich sanft, getrieben von dem grauen regnichten Licht, den nassen, schweren Bäumen, nicht leidenschaftlich aber voller Zartheit.

Leda? Hatte er hinter sich gelassen. Doch ob Zeus ihr ähnlich erschienen war?

Eine Träne rann stumm seine Wangen hinunter. "Kann man sich EIN Mal auf Dich verlassen?" Natürlich konnte man. Warum sah sie das nicht, warum verstand sie nicht, was er Ihr zeigen wollte, wieso vertraute sie ihm nicht mehr, sah hinter jeder simplen Aussage einen Dämon, der ihr scheinbare Weisheiten einflüsterte darüber, was er eigentlich gemeint hätte. Auf dem Boden im Dunkel lag eine zertretene Banane.

Wie es das Klischee wollte, hatte er auf ihrem letzten gemeinsamen Urlaub, sie waren nach Hawaii geflogen, ehe die Ölheizung zu einem nicht ernstzunehmenden aber ernsthaften Problem wurde, einen Bananenrock getragen, als Lendenschurz. Sie hatte ihn angestrahlt und gelacht. Er hatte sich über den Erfolg seiner Albernheit gefreut. Das sanfte Licht der Sonne, das weiche blau des Meeres, sie, er war glücklich gewesen.

Seine Schuhe knirschten im Kies, er hob die Augen, blieb stehen, es war dunkel, seine Nase begann von den Tränen zu laufen, er brauchte ein Taschentuch, fand keins, nahm seinen Ärmel. Gedrungen kauerte er sich auf einen feuchten Steinbrocken, starrte auf den See, die Flut seiner taubtrüben Gedanken stieg, er verharrte, während der Regen immer noch unaufhörlich herabprasselte. Es erschien ihm unglaublich laut. Finster wurde sein Blick. Er fror, sein ganzer Körper war feucht von kaltem Regen. Er hätte gern schlafen wollen. Müde war er.

Der Weg zurück zum Auto erschien ihm unvorstellbar. Zu schwer hingen die Kleider an ihm, zu hoch schlugen die Wellen seiner schweren Gedanken und lähmten ihn, als wären seine Füße einbetoniert. Er blickte zu Boden, still.

1 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

vielen dank für die indirekte erwähnung*g*
freue mich schon auf ne wiederholung, hab ja jetzt viel zeit, mir nette wörter zu überlegen....

18/7/04 23:31

 

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