Zu Gast bei (leicht siffigen) Freunden
Staub- und Rußpartikel, tausendfach aufgewirbelt, haben sich an der Außenseite des Zimmerfensters im Caledonian Backpackers Hostel niedergelassen, und der Regen hat sie dort festgeklebt. Beinahe blind sind die Scheiben. Auch wenn der Nebel sich allmählich auflöst, der Blick nach draußen bleibt trübe. Das Licht der Straßenlaternen, der Front- und Heckscheinwerfer und der Kneipenschriftzüge bricht sich im Dreck, als ich hinausschaue, bevor ich mich auf die speckige Matratze werfe zum Schlafen. Das Laken verrät, dass ich nicht der Erste bin, der sich hier bettet. Ein Rudel blonder Locken kräuselt sich, aschgraue Strähnen dämmern daneben, und auch ein paar schwarze Stoppeln bevölkern das graue Tuch. Allzu häufiges Wechseln und Waschen wird überbewertet und schadet dem Stoff. Müde schlurfe ich zuvor noch in Richtung Toilette, bestaune die kunstvollen, leuchtend bunten Wandbemalungen in den Fluren des einst prachtvollen Bürgerhauses.
Ein halbnackter Greis mit zottigem Rauschebart humpelt aus dem Nachbarzimmer. Mühsam hält er zwei Handtuchzipfel hinter dem Rücken zusammen. Sein Zimmergenosse grüßt mich. Erzählt, dass der Nebel in der Stadt erst am späten Nachmittag aufgezogen sei und es vorher klar und freundlich war, blickt inmitten des Gesprächs durch seine riesige Hornbrille auf geschwungene Kringel in seinem Tagebuch. Dort hat er die Wetterentwicklung feinsäuberlich notiert. Auch die Aussichten. Morgen solle es besser werden, sagt er, lacht und bleckt freundlich seine bernsteinfarbenen Schneidezähne.
Das Klo im Trakt lässt sich nicht abschließen, belohnt indes mit einer mittig durchgebrochenen Klobrille. Das macht neugierig. Ob es auch irgendwo ein größeres Bad mit Dusche gibt? Ich nehme einen tiefen Zug des süßlichscharfen Dufts im Flur, bestaune die hellrosafarbenen Flecken im blauen Teppich und bin verblüfft, welch spannende Farbwandlungen scharfe Reinigungsmittel wohl bewirken können. Alle paar Meter hängen staubbefluste Feuerlöscher, und an jeder Flurtür hängen Schilder, die eindringlich mahnen, wohin man rennen solle, wenn es brennt im Haus.
Zwei Spanier hocken an vor flimmernden Laptopschirmen im Schneidersitz auf dem Boden. Sie weisen mir den Weg zum eigentlichen Bad. Schimmelgesprenkelte Tapeten wellen sich darin von der Decke. Motten flattern gegen staubige Glühbirnen. Die Glastüren der Nasszellen sind mit blauer Farbe blickdicht geschmiert worden. Die Wasserleitung hustet kurz Rost, ehe das kühle Nass herausspritzt. Ich putze meine Zähne, schlurfe über den Fleckenteppich zurück und kuschle mich an fremde Locken auf dem Laken, um zum ersten Mal eine Nacht in Edinburgh zu durchträumen.