Fokko und Meta (I)

Die anderen Kühe blicken nicht mehr auf, sie rupfen und mampfen gemütlich ihr Gras. Fokko kommt schließlich täglich, meist mit seinen lehmverklebten Gummistiefeln (auch im Sommer), einer schmuddeligen Jeans, bei der er allzu oft den Hosenstall weit offen stehen lässt (er schiebt es auf den defekten Reißverschluss) und mit seinem neuen Schnurrbart (er ist inzwischen schließlich ein Mann, und das soll die Welt ruhig sehen). Seit die Kühe auf dem Hof sind und so lange sie zurückdenken können, kommt Fokko, um Meta Gassi zu führen - insoweit sie überhaupt nachdenken, zumal darüber. Meta ist eine wulstige Schwarzbunte und von Kälberbeinen an seine große Liebe.
Irgendwann nach dem Mittagessen klappt die kleine dunkelgrüne Tür in der Scheunenrückwand auf, die Scharniere knirschen und Fokko schlurft heraus. Seit er vor vier Wochen ein Päckchen „Schwarzer Krauser“ am Wegrand fand, hat er mit dem Rauchen begonnen. Es schmeckt ihm nicht. Aber es macht ihn mehr zu einem Mann. Hat er sich gesagt. Und ein Mann muss tun, was ihn zu einem Mann macht. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und so friemelt er krautige Tabakbröckchen in einen Papierschnipsel, um daraus eine windschiefe Zigarette zu drehen, bevor er am dampfenden Misthaufen vorbei und an der Flanke vom Schweinekoben entlang zur Weide schlurft. Selbstumwölkt. Manchmal grunzt er noch ein paar Mal und grüßt die Schweine. Die wühlen derweil weiter im Matsch nach Äpfeln, suhlen sich in Pfützen oder schubbern ihre Leiber an Holzpfählen. Fokko ist ihnen reichlich egal, ob er nun raucht oder nicht.
Fast immer pfeift Fokko ein Lied, während er das rostige Tor zur Weide entsichert, sich hindurch windet und zur verstreut grasenden Herde hinüber schlendert, meistens flötet er „Movie star“ von Harpo. Das ist sein Lieblingslied. Über die Schulter baumelt dann der große Gurt, den er Meta anlegt. Er hat ihn selbst gebastelt. Aus zusammengedrehter Silofolie, Teppichklebeband und einer alten Hundeleine. Mit Edding hat er in fetten Lettern „META“ darauf gekritzelt – damit die Leute, die ihm entgegen kommen nicht immer fragen, wie die Kuh wohl heißt. Sie stellen sowieso zu viele Fragen. Als Besonderheit hat Fokko noch eine Hundemarke an das Kuh-Halfter geklebt. Auch die hat er vor Monaten einmal am Wegrand gefunden. Nur wenige Meter entfernt von der Stelle, wo unlängst der Tabakbeutel lag. Meta kommt ihm nie entgegen, wenn er nach ihr ruft. Sie bleibt, wo sie grast. Manchmal verscheucht sie mit ihrem Schwanz ein paar Fliegenschwärme, die um ihr Hinterteil schwirren. Fokko schlägt das Herz dann höher. Denn wenn Hunde sich freuen, wedeln sie mit dem Schwanz. Warum sollten Kühe das nicht tun?
to be continued…
Labels: Landgeschichten