Samstag, Dezember 16, 2006

Sahnestücke 2006 (Teil 1)

Das Jahr zerfällt in seine Einzelteile, nur noch wenige Wochen, dann wird es auslaufen. Zeit, einmal mehr zurück zu blicken, was die vergangenen zwölf Monate an neuer großartiger Musik an die Strände neugieriger Ohren gespült haben. Es gab eine Menge toller Scheiben und mitreißender Songs. Und so präsentiere ich hier die ersten zehn meiner insgesamt etwa zwanzig ausgewählten "besten Platten 2006". Komplett flippersfrei und radikal subjektiv.

1) Shearwater – Palo santo
Fast keiner hat es gemerkt. Kaum jemand hat darüber berichtet. Und so ist die Welt noch jetzt weitgehend ahnungslos, was für ein fantastisches Album ihrer Aufmerksamkeit durch die Lappen gegangen ist. Ein paar Kostproben gibt es hier, ausführlicher über dies großartige Album lesen könnt Ihr wiederum hier.


2) Portugal. The Man – Waiter: You Vultures!
Herrliche Melodien, seltsamer Falsett-Gesang, äußerst einfallsreiche Arrangements, hochkreatives Augenzwinkern von den vier Spinnern aus Alaska. Bereits mehrfach hier bejubelt. Spannend, mitreißend, toll.



3) Tarantula A.D. – Book of sands
Das Unerhörte ist beinahe unbeschreiblich. Irgendwo zwischen Sandalenfilm-Epos, spätromantischer Sinfonik, zarten Gebirgsblumen und malmendem Wüstenrock. Irrsinnig intensiv, zugleich packend, irritierend und traumschön. Hier habe ich versucht, präzisere Worte dafür zu finden. Ein gnadenloses, wahnsinniges und fantastisches Werk.


4) Arctic Monkeys – Whatever people say I am, that’s what I’m not
Der New Wave of New Wave haben sie grob gemahlenen Pfeffer in den Hintern geblasen, den Postpunk abgestaubt, als Frosch erkannt und gegen die Wand geditscht. Alles Mörder, keine Füller. Einer der wenigen berechtigten Hypes des Jahres.



5) Joanna Newsom - Ys
Alles nur geträumt? Die Feuilletons schlagen Purzelbäume vor Begeisterung, und auch meine Ohren sind verzaubert. Harfenklänge, säuselnde Streicher, zarte Bläser und eine Stimme, als sei Björk in einen Jungbrunnen gefallen. Fünf Songs, die sich eine knappe Stunde Zeit nehmen, um über verwunschene Waldlichtungen zu schleichen, aus bergkristallklaren Melodiebächen zu trinken und mit Berggnomen, Feen und anderen Fabelwesen zu plauschen. Famose Musik, jenseits aller Klischees - ein nostalgischer Fingerzeig in die Zukunft. Märchenhaft.

6) Seachange – On fire, with love

Erst sperrte sie sich ein wenig, dann wurde sie zu einer meiner liebsten Scheiben. Diese Platte zündet, wenn man ihr Zeit für den zweiten Funken gibt. Äußerst vielseitig, zart, wüst, klar, verdreht. Tolle Songs, pfiffige Instrumentierungen, charmante Stolperfallen. Hier vielleicht ein Ohr riskieren.


7) And You Will Know Us By The Trail Of Dead – So divided
Sie sind vielleicht die Größenwahnsinnigsten im Rockzirkus. Auch auf ihrer neuesten Scheibe zelebrieren sie die Symbiose von Pomp und Punk, krallen sich mit zwingenden Melodien in den Ohren fest, reißen Dich mit ihrer Wucht vom Hocker, zünden den Pathosvulkan, schleudern Dich heraus, um Dich direkt danach sanft auf frisch gepflückten Streicherblumensträußen zu betten. Etwas geradliniger und kompakter sausen sie diesmal auf die Zielgerade, bleiben aber immer noch erstaunlich.

8) Tool – 10.000 Days
Die Zeiten, da man zu Tool noch zu den Krachern ihres Geniestreiches "Aenema" ekstatisch wie ein Derwisch über die Tanzfläche der Heimatdisco rockte, die Schweißperlen im Takt kullerten und man Breaks mitwirbelte, sie sind vorbei. Was sich schon bei der letzten Scheibe andeutete, wird gewisser: Ruhiger sind sie geworden, beinahe noch rätselhafter, gerade Takte kann man an zwei Händen abzählen. Sie verschieben munter, klettern durch ihre mystischen Sphären, explodieren, betören und begeistern immer noch. Hochkomplex und doch nicht überfordernd, mitreißend und doch immer wieder schmeichelnd. Sie werden neue Rätsel um sich spinnen und die Legenden um sich weiterstricken, ihrer eigenen Legende haben sie ein weiteres Meisterstück hinzugefügt.

8) Thom Yorke – The eraser
Klangflächen sirren, in der Ferne stolpern unglücklich verliebte Roboterminiaturen über herumliegende Rhythmusfetzen. Klavierakkorde flattern mit ihren Flügeln und heben langsam ab. Der Bass zupft hypnotische Linien. Das Meisterhirn von Radiohead geht auf seinem ersten Solowerk den Doppelweg seiner Stammband weiter - zwischen melancholischer Melodieseligkeit über schillernden Akkorden einerseits und fraktalen Klangcollagen, Lust an experimentellen Instrumentierungen und dezent pluckernder Elektronik andererseits. Ein faszinierendes, dunkles Album, das seine Zeit braucht, die es aber wirklich lohnt.

9 ) Two Gallants - What the toll tells
Großartige Songs zwischen Blues, Country und ruhigem Punkrock mit whiskeyzerschmirgelter Stimme und schepperndem Schlagzeug. Hier wird nichts "on the rocks" getrunken, hier wird nicht verwässert, das hier ist pur. Ungekünstelt. Trifft direkt. So zartbesaitet wie Raubeine sein können. Strubbelwangenpoesie vom Feinsten.

10) We Are Scientists – With love and squalor
Nur eine gute halbe Stunde dauert das Feuerwerk. Aber in dieser knappen Spanne fetzt ein Tanzflächenbrecher nach dem nächsten aus den Boxen. Die Kniescheibe zuckt, die Füße wippen, die Mundwinkel schnellen nach oben. Vergnügt tanzende Rhythmen, gelenkige Basslinien, schmissige Gitarrenriffs und Melodien mit geschickt platzierten Widerhaken. Hierzu was Ausführlicheres lesen? Bittersehr.

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12 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

meine platte des jahres ist dabei! nicht schwer zu erraten, aber geschwiegen wird trotzdem. bis auf weiteres :) und eine meiner unplatten des jahres ist ebenfalls dabei. und da wird auch geschwiegen. bis auf weiteres ;) und ich freue mich auf die fortsetzung.

17/12/06 00:27

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

denken kann ich mir beides. :)

17/12/06 07:35

 
Blogger amadea's world meint...

Inberessant! Da werd ich mich mal durchwühlen.

18/12/06 00:03

 
Anonymous Anonym meint...

Ich find dein Headerbild toll. Wie hast du das da oben hingekriegt?

19/12/06 04:33

 
Blogger Galen meint...

Ich würde ja zumindest eine Platte gerne auswechseln. Wobei ich sagen muss, dass ich betreffende Platte nur im Kurzdurchlauf im Laden gehört hab. Hat mich aber nicht so wirklich vom Hocker gerissen, die neue Trail Of Dead. Würd dafür Boysetsfire einsetzen wollen. Ansonsten: Arctic Monkeys, We Are Scientists, Tool, Portugal. The Man... - alles okay so weit. *g*

19/12/06 11:59

 
Anonymous Anonym meint...

Du hast Geschmack, das muss ich ja nicht immer wieder beleuchten, aber im Falle Tool bekommst du den Burnsterschen Segen nicht. Das ist kranke Kopfmusik für mich. Und die Scientists gehen mir mittlerweile auch schwer auf den Zeiger. Diese dauernde Lustigkeit ist anstrengend.

Ansonsten Daumen und Kopf hoch:)

20/12/06 16:07

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@burns: Teil 2 kommt noch, da dürfte auch noch einiges nach Deinem Gusto dabei sein. Die Wissenschaftler kommen bei mir nur zu gemäßigtem Einsatz, immer wieder mal in Phasen. So ist der Abnutzungseffekt nicht allzu groß, und bis jetzt hält die Freude an der Musi an. :)

20/12/06 19:28

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Was den Tool-Segen betrifft, komme ich zur Not auch (ungern) ohne burnsterschen Segen aus. Ich finde die Typen grässlich schnöselig und arrogant, aber ihre Musik mag ich durchaus sehr.

20/12/06 19:29

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@galen: Die neue Boysetsfire kenn ich leider immer noch nicht näher, insofern konnte sie gar nicht erst die Chance bekommen, hier zu landen.

20/12/06 19:30

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@ich bin erkältet: Nennen wir es fremde Hilfe. Aber ich kann versuchen, vielleicht wiederum Dir zu helfen. Auch wenn ich nicht weiß, wie wahrscheinlich ist, dass es gelingt.

20/12/06 19:31

 
Blogger Galen meint...

Von diesen 10 sind auch immerhin schon mal sieben in den Top 50 der Visions. Sogar sechs unter den ersten Dreizehn. Somit bist du mit deiner Meinung hier doch ein wenig massenkompatibel... ;)

21/12/06 14:46

 
Blogger pulsiv meint...

sehr schön... trail of dead und tool wären bei mir auch dabei... die scientistst gerade so nicht...
aber guten geschmack alle male!

23/12/06 00:10

 

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