Die Nachteile der Vorteile
Im Räderwerk meines Lebens knirscht zurzeit gehörig Sand: Das Modem streikt daheim, kein Netz. Missmutig grummelnd gifte ich den schwarzen Kasten an, fluche vor mich hin und ärgere mich, wie umständlich inzwischen allzuviel geworden ist, ohne Netz in den eigenen vier Wänden. Journalistische Artikel und Fotos verschicken sich leider schlecht per Post. Doch schlimmer noch: Die Kommunikation strumpelt. Kontakt zu heißgeliebten Personen außer Landes wird urplötzlich schwierig. Technik, die entgeistert.
Und selbst wenn alle Geräte schnurren, ist es doch merkwürdig: Die Herzensdame hockt in Finnland und doch meint man ihren Atemhauch am eigenen Ohr zu spüren, wenn man via Skype miteinander telefoniert. Da scheint so viel Nähe in der Distanz. Und plötzlich schmachtest Du ein grün leuchtendes Oval an, den digitalen Statthalter. Mitten im Gespräch vergisst Du alle Entfernungen und wirst urplötzlich wieder machtvoll von der Wirklichkeit eingeholt. Irgendwann sind alle Abenteuer und kleinen Geschichten des Alltags erzählt, die witzigen und skurrilen Momente berichtet, Sehnsüchte ausgetauscht, Sorgen und Hoffnungen ausgebreitet. Und dann tritt plötzlich das Schweigen ein. Der Moment, in dem man sich in direkter Nähe einfach umarmt, aneinander kuschelt, in die Rippen piekt oder küsst und übereinander herfällt. Doch stattdessen flackert nur ein Monitor, der Plüsch-Elch auf dem Bett zuckt mit den Schultern und in den eigenen vier Wänden ist niemand außer Dir selbst und dem Laptop. Die unbändige Freude über gefühlte Nähe, den geliebten Stimmklang, witziges Frotzeln und lebhaft durcheinander purzelnde Wortwechsel knallt auf das erwachende Bewusstsein, dass alles zumindest teilweise Illusion ist und wird kalt abgeduscht. Die Erkenntnis steht pitschnass und frierend da und sieht die vorigen Illusionen zerbröseln.
Und die Frage schleicht ins Hirn, wie all dies früher überwunden worden ist. Wenn gar nicht erst die Chance bestand, die Stimme des Partners zu hören dank moderner Technik, wenn vielleicht ein Telefonat in zwei Wochen schon ein absolutes Highlight wurden. Ohne Technik hätte man sich nie soweit voneinander entfernen können - ohne Züge, Flugzeuge, Autos, Kutschen. Und auch Telefon und Briefe sind ja technisch versandt. Heute kaum mehr vorstellbar, wie es war, als Bücher in Universitäten per Zettelkasten gesucht werden mussten, anstatt sie von irgendwo auf der Welt im Online-Katalog nachzuschlagen und Fernleihen träge Wege in Briefumschlägen auf sich genommen haben. Man gewöhnt sich viel zu schnell an den Fortschritt, gibt sich selbst aus der Hand, macht sich abhängig und steht wie der begossene Pudel da, wenn es plötzlich nicht funktioniert. Und dessen faustischer Kern lacht sich ins Fäustchen.