Großartige Musik für Neugierige Ohren (IX)
Der Herbst rückt näher. Die ersten Blätter schrubben sich das Grün vom Leib, frösteln im erkaltenden Wind und segeln regentropfenumtanzt gen Boden. Mancher hat das Sommerbett zurück in den Schrank gestopft und kuschelt sich wieder unter dickere Decken. Die ersten Heizungen werden eingeschaltet. Klamme Finger klammern sich an warme, dampfende Becher mit Heißgetränken. Zeit, den Herbst mit einem tiefen Griff in die musikalische Schatztruhe zu begrüßen und neugierigen Ohren neues Futter und die Möglichkeit zum Entdecken von vielleicht Unbekanntem zu ermöglichen. Und vielleicht im Anschluss auch ein paar lohnende Neuanschaffungen ins CD-Regal zu stellen.
Mit „The stage names“ haben die famosen Okkervil River für mich eins der großartigsten Alben des an Höhepunkten wahrlich reichen Musikjahres geschaffen. Schwungvoller, knackiger als vorher und doch schimmert noch immer die sanfte Sehnsucht durch’s Unterholz. Neugierig? Our life is not a movie or maybe gibt einen ersten Eindruck.
Binnen kürzester Zeit hat sich auch Patrick Watson mit seinen unglaublich traumversponnenen, einfallsreichen Kleinoden einen Spitzenplatz in meiner Gunst ersungen. Die Songs brauchen mehrere Anläufe, geben ihre Strahlkraft und ihren Zauber erst allmählich frei, zünden dann aber ein poetisches Feuerwerk im Hirn. Luscious life und Giver gibt es hier zu entdecken.
Herrlich ist auch Make a plan, einer der neuen Songs von Saturday Looks Good To Me. Auch Beirut haben ihrem famosen Balkan-Folk-Erstling einen Nachfolger zur Seite gestellt, von dem es hier A Sunday smile zu hören gibt. Wunderschönen, zarten Indierock gibt es im Anschluss von The Good Life mit >You don’t feel like home to me. Famos entwickelt sich auch das neue Album von Maritime. For science fiction bricht nicht in den Orbit auf, bohrt aber tolle Powerpop-Melodien in die Hirnrinde und lässt die Knie vergnügt wippen. Große Gesten, treibende Rockriffs, bombastische Momente und verschlungene Pfade verzwirnen Circa Survive auf „On letting go“, ihrem neuen Album. Großes Kino, das hier mit The difference between medicine and poison is in the dose über die trommelfellene Leinwand flimmert.
Quirligen, vorwärts wuselnden Rock zwischen Ohrwurm und angeschrägten Riffs bieten Pinback mit From nothing to nowhere. Wahnsinnig und großartig zugleich entwickelt sich auch das neue Album von Sunset Rubdown. Nichts für flüchtige Ohren, wächst es mit jedem Hören mehr und erfrischt das Ohr mit brachialer Zartheit und tonnenschwerer Leichtigkeit. Winged/Wicked things lässt schon mal vorschmecken. Rogue Wave haben auch ein neues Album gebastelt und lassen mit Chicago x 12 einen feinen Popsong vom Stapel. Filigran gewobenen, leichtfüßigen und bezaubernden Pop gibt es auch von den Moonbabies mit Walking on my feet. Nicht sonderlich krank, aber ebenso schön ist auch die Countryfolkballade Just a little insane von Kristofer Aström, einem meiner Lieblings-Schweden.
Nochmals hinweisen möchte ich auch auf die fantastische, liebevoll gestaltete Internetseite Daytrotter, wo sich unzählige musikalische Geheimtipps tummeln, die extra für die Seite neue, frische Versionen ihrer Songs noch einmal einspielen, von denen es dann gleich mehrere zum kostenlosen Download gibt. Eine wahre Offenbarung. Von dort stammen auch die beiden famosen Versionen von Hail Mary und Fierce little lark der absolut fantastischen Shearwater sowie Get down und Hand in hand der großartigen Get Him Eat Him. Eine verblüffende Erkenntnis in den verspulten Jungs von Carribean ins Hirn geschlüpft: Stockhausen dient dem Imperialismus. Wer’s nicht glaubt, darf hier nachhören.
Mit seinem butterweichen, traumschönen Cover der alten The Knife-Nummer „Heartbeats“, zu der in einem Werbeclip Myriaden bunter Flummis durch San Francisco hüpften, ist José González mitten in die gleißenden Scheinwerfer des Ruhms gestolpert. Nun hat er eine neue, kargschöne Platte gemacht, auf der sich diesmal abermals eine Coverversion findet – der Massive Attack-Klassiker Teardrops, hier in einer Live-Aufnahme. Auch sehr nett: My rights versus yours der New Pornographers. Und noch immer sprengen Giardini Di Miró jedes Klischee zeitgenössischer italienischer Musik. Verträumt, kühl, rockig, fast ein wenig nordisch. Von ihrer neuen Platte „Dividing opinions“ könnt Ihr hier die Nummer Broken by einem Intensivtest unterziehen. Allseits abgefeiert als aufregendste Elektronik-Tanzplatte der Saison, haben Justice mit ihrem Album „†“ abgeräumt. Zum Abschluss darf hier also mit D.A.N.C.E. der Astral-Arsch geschwungen werden.
Labels: Oles Musiktipps
26 Wortmeldung(en):
Riesendank! Alles im Kasten bis auf D.A.N.C.E. (Firefox kann das nicht öffnen)
Und perfekt serviert, Alder!
20/9/07 17:24
Es war ein "H" zu viel in der Link-Suppe. Mein Fehler. Ist behoben, sollte jetzt gehen. :)
20/9/07 17:48
Ole, habe ein paar Songs zugelauscht, Mann gibt es eine Menge hier. Danke.
20/9/07 19:43
Ich hoff, es wird Dir gefallen. Aber auch für nen Willie-Nelson-Liebhaber sollte hier ja das ein oder andere dabei sein. :)
20/9/07 20:33
Die neue Okkervil River ist ohne Frage mein derzeitiger Favorit. Fragt sich nur wie lange noch, denn ich erwarte ein Päckchen in welchem die neue Weakerthans sein sollte und die Soloplatte von Thurston Moore. Da bin ich wirklich gespannt drauf, weil der Sonic Youth Sound mich auch nicht mehr wirklich vom Hocker reisste.
20/9/07 20:53
Die Weakerthans finde ich auch nach anfänglicher Skepsis enorm fantastisch, aber an die neue Okkervil River reicht sie für mich diesmal nicht heran. Von der neuen Thurston Moore habe ich gar nicht mitbekommen.
20/9/07 20:56
Von Thurston Moore habe ich auch zufällig was mitbekommen. Ein Test ist es mir allemal wert, soviele Stunden wie ich mit Sonic Youth verbracht habe. Die neue Maritime, heisst die nicht 'Hersey and the Hotel Choir'? Und ich glaube am Montag kommt die neue Stars Platte, ob dann nicht eh alle einpacken können?
20/9/07 21:11
Die neue Stars soll gut sein, definitiv besser als die doch etwas lahmschlaffe letzte Scheibe. Wenn auch, soweit ich gelesen und gehört habe, nicht ganz so groß wie die "Set yourself on fire". Und "Heresy and the hotel choir" heißt die neue Maritime, jepp. Kommt Anfang/Mitte Oktober. Bei Herrn Moore werde ich beizeiten mal reinlauschen.
20/9/07 21:18
Oh, bin gerade ganz hin und weg.
20/9/07 21:28
hab ich heute nachmittag auch entdeckt. ganz famos!
20/9/07 21:47
Essigbäume sind mir irgendwie immer suspekt, wohl weil sie im Garten der Nachbarsfamilie standen, die das über die Maßen war. Deine Musiktipps aber, die mag ich umso mehr und wenn ich irgendwann mal die Gelegenheit bekommen sollte, in die Verlegenheit zu geraten, mir von Dir was zu wünschen, wäre es bestimmt auch ein Mixtape! Meine Ohren juchheen ein Dankeschön gen Westen, dass selbst den Herbst überholen sollte mit seiner Wucht.
21/9/07 00:43
herzlichsten dank für die anregungen.
21/9/07 07:24
ein stück holz weniger in den ofen tut es jetzt auch zum warmwerden bei den kuscheligen musikempfehlungen hier...
21/9/07 12:52
Du liebe Güte, Ole! Jetzt weiß ich endlich, womit ich meinen Resturlaub verbringen werde! Danke! :-)
21/9/07 13:03
Kenne nicht einen! :)
Aber bestimmt gut...
21/9/07 14:35
@MC: Was man nicht kennt, kann man ja kennen lernen (wenn man möchte). Würd mich freuen, wenn's Dir gefällt. Und wenn nicht: Löschen geht ja schnell...
21/9/07 14:59
@Scheibster: Das ist doch eine gute Urlaubsvariante. ;)
21/9/07 14:59
@frech'n'nett: Klima- und ressourcenschonende Musikempfehlungen - das ist doch mal ne Strategie. ;)
21/9/07 15:00
@fusilli: Das Foto habe ich auch gar nicht sooo weit Deiner Heimat aufgenommen, in irgendeinem verschlafenen Dorf im Elsass.
21/9/07 15:01
Und: Dein Wunsch kann Dir beizeiten sicher erfüllt werden.
21/9/07 15:01
Giardini Di Miró gefallen bestens! thanx dafür. werde wohl die cd kaufen müssen ...
21/9/07 15:01
@m.c.h.: Gerne.
21/9/07 15:01
@mudshark: Ich kann sie uneingeschränkt empfehlen. :)
21/9/07 15:02
Woher weißt du all das?
Ich kenn gar nichts davon.
und wenn ich zeit hab, dann werd ich mir das mal alles ansehen.
24/9/07 19:28
Ich weiß ja jetzt nicht, ob das sowieso schon längst bekannt ist, jedenfalls kann man sich die komplette Okkervil-River-Platte auf deren Homepage anhören: http://www.okkervilriver.com/
Sehr nett, das, dennoch finde ich es nicht ganz so gut wie Black Sheep Boy...
27/9/07 15:41
Ich hab zwar noch lange nicht alles durch und gerade mal Beirut und The Good Life angeteasert, sage aber jetzt schon mal wieder tausend Dank!!
Wenns dich und diese Kategorie nicht gäbe - man müsste euch erfinden!
30/9/07 23:45
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