Seltsame Freunde (II)
Gebückt auf dem kalten Stein kriecht der Maskierte die Stufen entlang und wischt die verzahnten Deckelhügel abwärts, wie ein Sträflingshelfer auf einer archäologischen Ausgrabung, der einen Fund freilegen möchte. Doch seinen Freunden geht das Fegen zu schnell. Sie schnappen sich Plastikkehrbleche, tauchen sie in die hinabpurzelnden Kronkorkenberge und schmeißen sie auf die just freigebürsteten Stufen zurück. Wulnikowski buddelt mit in der linken Manteltasche nach einem Hustenbonbon, der einen Tag zuvor noch darin gelegen hatte. Doch die Finger ertasten nur ein Taschentuch und den Haustürschlüssel. Währenddessen fragt Wulnikowski sich, was der bedauernswerte junge Mann mit der Gummimaske wohl verbrochen haben mag, dass ihn diese grinsende Gruppe fesselt, vor dem Rathaus aussetzt und ihn mit einer Nagelbürste inmitten von Kronkorkenbergen niederknien lässt. Vorerst will er abwarten, vielleicht erschließt sich die Lösung der Frage von selbst.
Wohl weitere zehn Minuten lang hockt der Maskenmann auf den Stufen, die Arme mit Handschellen vor dem Bauch gefesselt, und schrubbt mit der Bürste über den Stein. Dann scheint ein wenig Gnade in den zuvor hämisch grinsenden Gesichtern seines Gefolges aufzublitzen, vielleicht ist es aber auch nur Erwartungsfreude. Wulnikowski ist unsicher. Zumindest richtet der Maskierte sich auf und raunt dumpf durch die Maske, dass das Gefolge sich gern auf seine Kosten betrinken möge. Die Meute johlt, schart sich um eine Bierkiste und zwei Glühweinthermoskannen, die zuvor herbeigebracht wurden, und beginnt sich die Zäpfchen zu feuchten. Als vermeintlicher Lohn werden dem Gefesselten seine Handschellen abgenommen und ein Bier gereicht, für das er kurzzeitig die goldene Gummimaske hochklappen darf, um den Flaschenhals am zotteligen Bartgestrüpp vorbei an die Lippen zu führen.
Einer aus dem Gefolge, ein dürrer Schlacks mit hellem Schnurrbart, ruft aus, der Maskierte habe die erste Stufe auf dem Weg zum „Fegi-Ritter“ erreicht. „Vielleicht ist das eine Art Abschlussprüfung“, denkt Wulnikowski Das Gefolge johlt und drängt die biertrinkende Goldgummimaske, nicht inne zu halten, es bleibe noch viel zu fegen.
Und so kniet er wieder nieder, kann sich nun mit einer freien Hand abstützen und schrubbt weiter mit den winzigen Borsten der Nagelbürste über kalten Stein, wischt die Stufen frei von Kronkorken und sein hämisches Gefolge macht sich einen großen Spaß daraus, frisch freigelegte Stufen erneut mit Hilfe der Plastikschäufelchen wieder vollzuschütten. Bei einem Schaufelwurf tritt der Maskierte der Schaufel abwehrend mit dem Fuß entgegen. Sie zerbricht.
Labels: Wulnikowski
4 Wortmeldung(en):
Muss er auch noch Jungfrauen küssen, der Arme?
Ja, man sollte gut aufpassen, wen man sich so als Freunde sucht.... (Und schön, 'mal wieder was von Wulnikowski zu lesen :)...)
28/2/09 00:46
cool, dass die Schaufel
wenigstens zerbricht, die man
auf ihn wirft.
Das gibt mir heut positive Kraft,
durchzuhalten, alle scheisse zu überstehn.
danke für die geschichte!
3/3/09 12:45
Wenn ich mit einem Tritt eine Schaufel zerbrechen könnte, da würde mir aber keiner was von Nagelbürsten und Kronkorken erzählen!
19/3/09 21:47
das waren doch bloss plastikschaufeln. leider.
2/4/09 19:07
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