Freitag, Juli 21, 2006

Heiße Hinterbühnen-Einblicke

Die Hitze überbrüllt sogar den Verkehrslärm, lässt die Hirnwindungen in apathische Starre fallen. Alles ist im Fluss, nur nicht die Gedanken. Und wenn, dann nur seltsame. Und so stumpf man vor sich hindämmert, so spitzfindig geht es hier heute zu, denn: Heute startet die Reihe "Romantische Lyrik, neu übersetzt". Hier werden schonungslos subtile Andeutungen mit grellem Scheinwerferlicht ausgeleuchtet! Hier wird gezeigt, was die poetischen Schlingel des 19. Jahrhunderts, die zartbesaiteten Lustmolche, die todverbundenen Träumer wirklich gedacht haben. Oder wenigstens "auch gemeint haben könnten". Absurdistan goes Hermeneutik. Hüpfen wir nun in medias res, schauen uns ein wunderbar zünftiges Volkslied an, das Johannes Brahms gar zauberschön vertont hat und schauen hinter die Bühne der vordergründig kreuzbraven Worte:


Erlaube mir, feins Mädchen,
in den Garten zu gehn,
daß ich dort mag schauen,
wie die Rosen so schön.
Erlaube sie zu brechen,
es ist die höchste Zeit;
ihre Schönheit,
ihr Jugend hat mir mein Herz erfreut.


Soll heißen: Oh bitte, lass mich ran, eröffne mir Deine geheimsten Stellen.
Auf dass ich Einblick in Dein verborgenes Paradies erhalte.
Mein Herz pocht erregt bei dem Gedanken: Lass mich der Mann sein,
der Dir Deine zarte Unschuld nimmt,
Dich in die Liebe einführt und defloriert.

O Mädchen, o Mädchen,
du einsames Kind,
wer hat den Gedanken
ins Herz dir gezinnt,
daß ich soll den Garten,
die Rosen nicht sehn?
Du gefällst meinen Augen,
das muß ich gestehn.


Soll heißen: Mein lieber Herr Gesangsverein, Madame,
Du prüde, vereinsamte Rostfelge.
Es ist kein Wunder, dass Du Single bist,
wenn Du keinen Mann ranlässt.
Was bildest Du Dir eigentlich ein,
wenn Du glaubst, es Dir leisten zu können,
mir nicht Deine geheimsten Stellen zu zeigen
und mich dort hinein zu lassen?
Und das, wo ich Dich doch derart scharf finde....

26 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Das Wetter. Es ist das Wetter. Da kann man ja nur auf solche Gedanken kommen.

21/7/06 14:59

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Wahrscheinlich. Mindestens.

21/7/06 15:00

 
Blogger viktorhaase meint...

ah. ich verstehe. können sie den schwurbeligen hesse auch ins lesbare übersetzen? natürlich müsste man nicht nur die depperte sprache sondern auch den inhalt neu erfinden. aber das dürfte doch kein problem sein.

21/7/06 15:29

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

ich weiß womöglich, was ich nächsten sommer getan haben könnte. :)

21/7/06 15:33

 
Anonymous Anonym meint...

fantastische idee. die welt (zumindest meinereiner) wartet sehnsüchtig darauf. ich habe das nibelungenlied so: links original, rechts untertitel.

grossartig.

21/7/06 16:52

 
Anonymous Anonym meint...

Wenn Du schon dabei bist, dann deute doch gleich noch "Sah ein Knab' ein Röslein stehn"...
;-)

21/7/06 17:31

 
Anonymous Anonym meint...

Ole Ole, selbst in Deinem sonst so schönen, poetischen Tagebuch muss ich temperaturbedingt "horndog" Content finden.

Dank meines miesen Erinnerungsvermögens kann ich mich an keine Details aus irgendeinem Sommer erinnnern. Besser so,

21/7/06 17:39

 
Anonymous Anonym meint...

Endlich, endlich nimmt das mal einerin die Hand.

Du stehst damit voll in der Tradition von Graßhoffs Übersetzungen der Römer und der alten Griechen.

Hervorragend. Allein dafür hast du den Magister mehr als verdient!

Bei mir drüben tummeln sich derweil die Saupreissn, die Lateinischen ;-)

21/7/06 18:24

 
Anonymous Anonym meint...

Ich schließ mich dem Kubelick an. Vielleicht hab ichs nicht gewusst, aber ich hab auch auf sowas gewartet. Bin gespannt. Und nur immer feste den Flakscheinwerfer draufhalten.

21/7/06 20:03

 
Anonymous Anonym meint...

vade, scriba, pugna, triumpha!

21/7/06 20:37

 
Blogger mq meint...

Dichter: alles Schmutzfinken, miserable!

21/7/06 21:00

 
Blogger kein einzelfall meint...

Leser, die diesen Beitrag gelesen haben, haben sich auch für dieses Werk interessiert.

21/7/06 21:35

 
Anonymous Anonym meint...

Pfui, Sie Lüstling. Hüpf... :)

22/7/06 14:27

 
Anonymous Anonym meint...

Die neue Übersetzung nimmt der Lyric die Romantik...

22/7/06 16:56

 
Anonymous Anonym meint...

Der Mensch und die Lyrik.
Es gibt drei Typen:

Die Ersten analysieren die Lyrik.
Das sind die Intelligentesten.

Die Zweiten lesen die Lyrik.
Das sind die Vernünftigsten.

Die Dritten lesen keine Lyrik.
Das sind die Meisten.

(Oder so ähnlich *g*)

22/7/06 22:00

 
Anonymous Anonym meint...

Ich schließe mich Frau kein Einzelfall an.

23/7/06 00:38

 
Anonymous Anonym meint...

Die Ersten analysieren die Lyrik.
Das sind die Verstopften.

Die Zweiten lesen die Lyrik.
Das sind die Porschefahrer.

Die Dritten lesen keine Lyrik.
Das sind die Dichter.

23/7/06 22:07

 
Anonymous Anonym meint...

Ist ja echt sehr warm heuer!

24/7/06 12:30

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@britt: Gerade hier geht es doch um Poesie. ;) Wenn auch um die Abgründe, die sich unter der sanftkuschligen Decke romantischer Dichterweisen auftun... Was einen Hornhund betrifft, muss ich wohl noch googeln, worum es sich handelt. :)

25/7/06 00:01

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@k.e.: Seit Harry's vorgestellt hat, kann ich das Schlegelgedicht auswendig. Kaufen wollt ich mir das Werk eigentlich auch schon lange...

25/7/06 00:40

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@nasobem: Gemach, gemach. :)

25/7/06 00:45

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@opa: Zuviel der Ehre. Und das mit dem Magister hierfür... ich schau mal. Passt nicht ganz genau auf's angemeldete Thema, aber... :)

25/7/06 00:45

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@deliah: ich bin irgendwie alles drei. oder sogar vier.

25/7/06 00:47

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@MC: You name it!

25/7/06 00:59

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@anonym: Sie zeigt nur das dunkle zweite Gesicht der Dichter in der Romantik. :)

25/7/06 01:00

 
Blogger dami meint...

Wie immer der gute Mann auf "gezinnt" gekommen sein mag...

11/12/06 13:06

 

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