Mittwoch, September 13, 2006

Verlockungen der Nacht - Ma vue subjective sur la Provence (VI)

Wenn die Sonne der Dunkelheit den Staffelstab reicht, wandelt die Stadt ihren Sound. Die Musette-Spieler kratzen ihr Kleingeld aus den Hüten, die Betagteren legen sich den Pullover um die Schultern, giessen den Rest Wasser in ihren Pastis und ordern die Rechnung, um gemächlich gen Bettstatt zu entschwinden. Nun zieht die Nacht ihr anderes Kleid an. Jetzt ist Balzzeit. Die Baggerschaufeln sind geschärft. Zerbeulte Kleinwagen lassen in den engen Gassen die Motoren röhren, die Fenster sind bis zum Anschlag heruntergekurbelt, mit dumpfer Wucht klatschen HipHop-Beats aus den Boxen auf der Hutablage. Goldene Ketten glitzern im Lichtkegel der Strassenlaternen. Die Trainingshosen, an der Seite aufknöpfbar, hängen lässig im Schritt, die Kippe cool im Mundwinkel. Coole Anmachsprüche flattern den powackelnden Grazien auf dem Bordstein zu. Deren üppige Brüste heben sie nun stolz noch ein Stück weiter. Sie werfen ihre wallenden Mähnen kokett in den Nacken, ziehen ebenfalls an ihrem Glimmstengel, an dessen Filter ihr Lippenstift kleben bleibt, und hauchen den Jungs heisse Wolken entgegen. Riesige Ohrringe klicken an Halsketten und entwickeln mit dem Schuhabsatzklacken ihren eigenen Groove.

Kahlrasierte Muskelprotze pfeifen. die Gertenschlanken kratzen sich im Schritt und johlen. In diversen Betten ist noch unnötig viel Platz. Und so schäkern sie, tingeln in die Kneipen, schlürfen lasziv an stylishen Drinks, umtänzeln und -schwänzeln sich, schieben sich in die wenigen angesagten Clubs. Parfümwolken bersten vor Lockhormonen und betören die Nase. Hier kreisen die Zungen, lustfeuchte Lippen umschliessen sich, erregte Becken schmiegen sich aneinander. Nach dem betulichen Tag folgt die rauschende Nacht. Wildfremde erliegen den glutheissen Reizen und folgen einander in die heissesten Stunden der Nacht, auch wenn der Wind draussen frischer wird. Und nicht wenige werden in unbekannten Zimmern erwachen, dann, wenn die Stadt wieder ihre unschuldige Maske aufgesetzt hat für die Gäste der Welt.

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4 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Herrlich! Man müßte nochmal Fünfzig sein ;-)

13/9/06 21:52

 
Anonymous Anonym meint...

ich glaube, ich muss da auch mal hin ;)

14/9/06 00:23

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Reicht nicht, sich so zu fühlen, um es zu sein, Opa? Das solltest Du doch spielend schaffen! :)

15/9/06 13:13

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

bitts, ich glaub auch. :)

15/9/06 13:13

 

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