Sonntag, Oktober 28, 2007

Turku im Fokus, Teil 1


Dass Turku die schönste Stadt Finnlands sei, heißt weniger als erhofft. Ein zärtliches, bewahrendes Verhältnis zu historischer Bausubstanz scheint der Finnen Tasse Tee nur bedingt zu sein. Ein geschlossenes Stadtbild sucht man vergeblich. Bunt gewürfelt stehen Generationen nebeneinander. Die älteren sind dabei klar in der Minderzahl. Einige wenige bildschöne Bürgerpaläste aus der Gründerzeit finden sich inmitten schmuckloser Betonklötze. Ihre einstigen Nachbarn haben sie wohl schon vor Jahrzehnten verabschieden müssen.
Das Zentrum der Stadt drängt sich um den Marktplatz – ein weites Quadrat, von kaltem Wind überpfiffen. Ein paar verwitterte Kioske dösen an den Rändern. Aufgeweichte und angefledderte Plakatfetzen der letzten Jahre kleben noch an den Außenwänden. Rund um den Platz stehen Menschen an den zahllosen Bushaltestellen, rauchen oder wühlen in einer „megapussi“ (Einkaufstasche), um die neuesten Errungenschaften noch einmal zu bestaunen, ehe sie einsteigen. Am nördlichen Ende wird der Platz begrenzt von der kleinen orthodoxen Kirche, die neben dem schwedischen Theater (Bild oben) an der südwestlichen Ecke das einzig sehenswerte Gebäude ist.

Tagsüber kauern sich hutzelige Marktfrauen an wenigen verstreuten Ständen auf das riesige Karree, hauchen in ihre rotgefrorenen Hände und bieten fangfrischen Fisch, Gemüse, Brot, Fleisch oder Schnittblumen feil. Wie breite Einflugschneisen rahmen Ausfallstraßen den Platz ein. Fast die gesamte Innenstadt nördlich des Aurajoki, des gemütlichen Stroms, der in Turku in die Ostsee mündet, ist wie ein Schachbrett aufgebaut. Die meisten Straßen sind überraschend breit und schneiden sich rechtwinklig. Verwinkelte, kleine Gassen finden sich nahezu nirgends. Eine wohl notwendig gewordene Maßnahme, nachdem Turku früher zigfach Opfer von verheerenden Feuersbrünsten geworden ist.

Auch finden sich gleich mehrere „Hesburger“-Filialen hier, wie auch sonst überall in der Stadt. Denn Finnland ist eins der wenigen Länder, in denen „Ich liebe es“ wohl nicht die passende Bezeichnung hinsichtlich des großen, gelben M’s zu sein scheint. Die Finnen haben und lieben in „Hesburger“ stattdessen ihre eigene inländische Fast-Food-Kette, die McD landesweit klar in den Schatten stellt und in Turku besonders stark vertreten ist, wurde sie doch vor gut vierzig Jahren vor den Toren Turkus in Naantali gegründet. Auch wenn die Geschmacksunterschiede marginal sind. Selbst getestet am „juustohampurilainen“ – dem Cheeseburger. Einige wenige Filialen gibt es inzwischen sogar in Deutschland – in Hamburg und Lübeck. Zudem bietet die Fastfood-Kette inzwischen auch Autowaschanlagen und Internetcafés an. Liegt nahe.

An einer der westlichen Seitenstraßen des Marktplatzes lädt auch noch eine niedliche Markt-Halle zum Bummeln durch die engen Gassen ein. Kleine Bistrots mit frischen Gerichten sowie Fleisch, Obst, Gewürze und Gebäck gibt es in rauen Mengen und mannigfaltigen Varianten. Gerade die „karjalan pirakka“, aus Karelien stammende Pasteten, die meist mit Milchreis gefüllt sind und mit heißer Eierbutter gegessen werden – eines der finnischen Nationalgerichte. Auf der anderen Straßenseite duckt sich um das schwedische Theater herum die große „Hansa“-Einkaufspassage in beinahe einen kompletten Gebäudeblock. Innerhalb der entkernten alten Gebäude verwirrt ein Labyrinth aus verschlungenen Gängen, Treppen, sich überlappenden, verschachtelten Ebenen den unerfahrenen Kunden. Kurzzeitig erwacht der Wunsch nach einem Kompass, Lageplan oder einem GPS-System.

Ausführliche Bebilderung im Fotoalbum

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12 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

*Moin moin. :-)
Ich hätte dann mal gerne einen Tee und 'nen Hesburger, aber bitte ohne Gürkchen, dafür mit nem Extrastreifen Rentierfleisch, wenn's geht?
Davon abgesehen, dass sich gefüllte Milchreispasteten auch unerhört gaumenstreichelnd anhören, bzw. -lesen, sind die Finnen in der Architektur ein wenig durch alle Stilrichtungen durchgaloppiert. Zumindest sieht es so aus!
Bild drei ähnelt einer "Parthenon- Mousse an Petersdom-Flambée im Dialog mit Kreml-Taschen."
Aber selbst das würde ich hier bei Ihnen verspeisen! Und zwar mit Hochgenuss. :-)

28/10/07 19:36

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Man darf bei der arichtekturlukullischen Kreation gerade bei Bild drei die Betonblock-Cracker mit Blechbalkon-Risotto nicht außer Acht lassen, die tendenziell ein nicht zu unterschätzendes Gros des optischen Speiseplans bilden. :)

28/10/07 21:54

 
Anonymous Anonym meint...

Betonblock-Cracker sind mehr als eine reine Sättigungsbeilage! Sie stellen mit ihrer Wuchtigkeit auch einen schönen Kontrast zur luftig-leicht-filigranen Metall-Lampen-Deko dar.
Eine gelungene Gesamtkomposition, die durch die verschwenderisch aufgetragene Mangosauce dem Leser förmlich im Munde zergeht!
:-)

28/10/07 23:34

 
Anonymous Anonym meint...

Bild drei, die Kirche, erinnert mich an die Feldherrnhalle und weckt unangenehme Erinnerungen.

Aber viel mehr verstört mich, dass Frau Anna neuerdings (und schon wieder) Rentiers, also Pensionäre, verspeist. Wenn auch nur als Beilage.

29/10/07 09:45

 
Blogger Scheibster meint...

Da bekomme ich trotz der architektonischen Geschmacksfragen Reiselust. Und Appetit auf Milchreispasteten, die nun wirklich keine Geschmacksfrage sein können.

29/10/07 11:45

 
Anonymous Anonym meint...

Dass man zum Shoppen, werter Herr Ole, stets mit Megapussi unterwegs ist ... Finnland muss ein tolles Land sein. Auch wegen der Architektur.

Herzlich
Ihr Erdge Schoss

30/10/07 12:13

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Für wahr, bestester Schoss. Es juckt mich immer noch, mal bei Plus an der Kasse nach einer Megapussi zu verlangen und die Reaktion der Kassiererin zu beobachten. Wahrscheinlich wird sie mich an ein Bordell verweisen, entsetzt und pikiert die Augen aufreißen und mich für einen Lustmolch halten. Auf einen Versuch käme es dennoch beinahe an. :)

30/10/07 12:31

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@anna: ein gedicht, die vorstellung.

30/10/07 12:32

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@scheibster: komplett zu recht!

30/10/07 12:32

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@opa: achherrje. die assoziation ist mir gottseidank erspart geblieben. und merkwürdige ernährungsvorlieben finden sich ja doch öfter als man erstmal so wahrhaben mag. :)

30/10/07 12:33

 
Anonymous Anonym meint...

tach ole, wieder gut angekommen hoffe ich. übrigens, wenn du in österreich an der kasse stehst, kriegst du zwar keine megapussi, aber immer die frage: "wollns a sackerl?" ;-)

31/10/07 10:47

 
Blogger mq meint...

Die spinnen, die Finnen.

9/11/07 23:39

 

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