Näkemiin, Suomi!
Fußmarsch zum Bahnhof. Es riecht nach kaltem Staub und Linoleum. Die Schaufenster der Bestattungs-Unternehmen sind noch dunkel. Stoisch qualmt es aus den Schornsteinen der backsteinernen Fabrikgebäude in der Innenstadt. Die Industrie schläft nicht. Nur wenige kaltgefrorene Reifen rattern über das Kopfsteinpflaster in der Einkaufsstraße. Es ist noch zu früh und doch rechtzeitig. Wenige Minuten noch warten vor den düsteren Klinkern vom „Rautatieasema“, dem Bahnhof. Dann rumpelt der silbergraue Diesel des Busses vor, der mich mitten in die Birkenhaine vor der Stadt zum Flughafen bringen wird. Abschied nehmen, Adieu sagen, traute Umarmungen, schwere Seufzer, hoffnungsteure Blicke. Die Busfahrerpranken pfeffern Koffer in den Busbauch.
Abfahrt. Zurück durch das Industriegebiet, an leuchtreklamierten Wellblechkästen vorbei, über die breiten, von scharfkantigen Felsen flankierten Ausfallstraßen. Am Flughafen rauchen blasse Russinnen zwei Zigaretten gleichzeitig. Womögliches Auftanken für die rauchfreie Wartezeit im flachen, kleinen Terminal.
Schäfrige Gestalten schlurfen zum Einchecken. Gewicht wird gewogen, Handgepäck röntgenbestrahlt. Plastikstühle und wacklige Tische im Café, erster Stock. Kaffee: drei Euro. Mir gegenüber hockt sich ein schweigsamer Finne. Acht Uhr morgens. Zeit für die ersten zwei Bier. Matter Miene nippt er daran. Sagt kein Wort. Starrt durch alles hindurch. Ein schnauzbärtiger Engländer in speckiger Lederjacke schreibt seiner Geliebten auf seinem Laptop schweinische Kurznachrichten. Darling, ich will Dich lecken und nach allen Regelbrüchen der Kunst durchpimpern. Blickt sich stolz um, dass auch ja wer zusieht. Schließt sein Handy an. Aurora kriecht müde über die endlos scheinenden Birkenwipfel. Verschickt die Botschaften.
Es dröhnt metertief, der Boden bibbert, beginnt zu beben, Gläser klirren, Tassen klappern auf Untertassen. Eine alte Propellermaschine der Aeroflot senkt sich auf die Landebahn, rollt zum Nachbar-Terminal. Das Dröhnen ebbt ab. Sicher gelandet. Träge zerrinnen die letzten Minuten auf finnischem Boden. Meine Backenzähne zermalmen Lakritz-Schulkreide. Kleine Kinder gähnen. Noch zu müde, um herumzutoben. Ein Fratz verschüttet seinen Kakao. Die Schwester hat Schokoladenflecken im Gesicht. Mutter spuckt ins Taschentuch und wischt energisch um die Mundwinkel. Kind verzieht seine Mienen angewidert. Geschafft. Schokolade abgeschrubbt. Mutter zufrieden, Kind genervt.
Dann landet unsere Boeing. Betriebsame Eile. Forsche Vertreter lupfen ihre Online-Check-In-Bescheide. Hallo, ich werde bevorzugt. Lassen Sie mich durch, ich bin...
4 Wortmeldung(en):
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Gruß
Dirk
5/12/07 22:41
Ist es zu fassen? Überall auf der Welt spucken Mütter in ihr Taschentuch und schrubben damit ihre sich sträubenden Kinderchen rein!
Das muss irgendwie genetisch verankert sein, so eine Art Universalspucktuchgesichtrubbelgen.
:-)
5/12/07 22:57
Na, Jeder wisst das es gibt keine Reinigungsmittel der wirksamer ist als Mutterspucke.
Toller text Ole!.
6/12/07 01:24
Wieder einmal hier. Wieder einmal gefesselt. Wieder einmal Deine Worte wirken lassen. Wieder einmal vergewissert, warum ich immer wieder hier lande.
9/12/07 16:16
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