Sonntag, September 12, 2004

Interkulturelle Erkenntnispraxis

Heut war großer Bahnhof in der Innenstadt. Zum einen konnte man auf dem Wissenschaftsmarkt den Sex-Appeal seiner Chromosomen testen, Seifenblasen platzen lassen, Reagenzgläser zum Dampfen bringen oder kostenlosen Espresso bei der Allgemeinen Zeitung Mainz schnorren. Ich habe meinen Namen beim Institut für Orientalistik auf arabisch schreiben lassen. Allerdings ist mein Name extrem kurz auf arabisch. Es gibt in der arabischen Schrift kein Zeichen für "e", also ist mein Vorname schon nach zwei Buchstaben fertig geschrieben gewesen.

Außerdem war das große interkulturelle Völkerverständigungsfest. Dabei fiel auf, dass Kultur sich beinahe ausschließlich über Essen zu definieren scheint. Die Länder und ethnischen Gruppen stellten sich zwar vor, aber fast ausschließlich durch überteuerte Speisen - Otternasen, Lerchenzungen, Wolfszitzenchips.... was man eben so kocht in Turkmenistan, dem Libanon oder im Kongo.

Natürlich durften die chilenischen, venezuelanischen oder anderswo herkommenden Indios in der Wildlederfransenkitteln, mit langen, wild umherwehenden Haaren und den obligatorischen Panflöten nicht fehlen. Inzwischen professionell verstärkt durch eine große PA, mit Halbplayback und einem Mikro mit integriertem und enorm eifrigem Hallgerät. Das legte folgenden Gedanken nahe:

Zwei schlimme Greuel hat der weiße Mann an den Indianern verbrochen. Erst brachte er ihnen das Feuerwasser, dann brachte er ihnen Synthesizer und Rhythmuscomputer.

So ertrank ein Teil des Festes akustisch in den ewig gleichen Fluten der Titanic-Soundtrack-Flöten-Streicherteppich-Musik. Vielen Leuten hat es gefallen, ich fand es etwas einseitig. Später kam auf einer anderen Bühne allerdings noch türkischer Salsa, portugiesischer Vokstanz und koreanische Shamisen-Musik. Das war dann doch schon interessanter...

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