Umziehen für Fortgeschrittene
Einst waren die Personalabteilung und die Bibliothek Germanistik im Erdgeschoss, im Keller war auch irgendwas, Geschichte war im ersten Stock, Alte Geschichte im zweiten. Dann kam ein Statiker vom Bauamt, verursachte Panik und befahl, das Haus von Grund auf zu renovieren, da bei der Büchermenge es nur eine Frage von Stunden sein könne, dass das Haus zusammenbräche. Auch wir Studenten sollten eigentlich am besten einen Bauhelm tragen, damit uns keine Betonbrocken auf den Kopf fallen.
Es wurde unter erheblichem Pressluftbohrergeknatter, Mischmaschinengeröhre und feinstaubigem Bauschuttnebel das Mauerwerk durchbohrt, neu gemauert, verputzt. Semester lang röhrte, schepperte, krachte und dröhnte es, dass man kaum ein Wort verstand. Gedichtrezitationen von Baudelaire oder Eichendorff bekamen einen beiläufig futuristischen Anstrich.
Derweil zogen die Bibliothek und die Seminarräume der Germanistik in den Keller, etwas später die Geschichte ins Erdgeschoss, dann die alte Geschichte in den ersten Stock, die Personalabteilung der Germanistik in den vierten Stock im Gebäude gegenüber. Doch nun zieht die Bibliothek der Germanistik in den zweiten Stock, die Personalabteilung wiederum in den ersten Stock, in den auch die Bibliothek der Geschichte kommt, während die Bibliothek der alten Geschichte ins Erdgeschoss kommt. Am schönsten ist, dass man die Bibliotheken nur durch den Keller betreten kann. Man kommt rein, geht eine Treppe runter, geht ans andere Ende des Gebäudes, geht drei Treppen hoch, holt sich ein Buch, kopiert es einen Stock tiefer, bringt es einen Stock höher zurück, geht drei Treppen runter, quer durch's Gebäude, eine Treppe wieder rauf und ist dann wieder da, wo man hergekommen ist.
Nun möchte die Germanistik aber eigentlich gern wieder alles auf einer Etage haben, was ja durchaus Sinn macht... Ich werde im Auge behalten, was passiert.
3 Wortmeldung(en):
der irrsinn ist überall zuhause. umziehen ist kacke. irgendwoanders sein, wiederum schön. die welt ist nicht perfekt.
6/4/05 14:09
Wenn man aber immer nur zehn bis zwanzig Meter aufwärts und abwärst zieht? Und woanders ist es auf jeden Fall immer anders, spannender. Schön war's bei mir woanders nicht immer. Aber meistens. Schließlich fahr ich, wenn woandershin, dann doch auch wohin, wo's schön ist.
6/4/05 15:16
Abwärst ist übrigens der Konjunktiv II von abwärts.
6/4/05 17:17
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