Cata's trophy
Es begann damit, dass ich nach dem Abschiedsfrühstück mit meinen Eltern noch eine frische Kanne Kaffee kochte. Bei der Platzierung der Glaskanne unter den Tröpfelnupsi der Maschine ließ ich verblüffende Präzision walten, so dass der komplette Kaffe vorbeischwabberte, während ich mich im Bad frisch machte. Merke: Die Kanne immer vollständig hineinstellen und nicht nur halb.
Dann purzelte beim Durchwühlen meines Rucksacks die Erkenntnis heraus, dass a) mein teures Parfum verschwunden ist, das ich am Wochenende zuvor noch darin verbuddelt hatte und ich b) auch ein wichtiges Buch zum Schrieben meiner Hausarbeit beim Einpacktrubel in Münster vergessen habe.
Nun gut. Such is life. Gegen Abend war dann geplant, bei Miele, einem alten Zivikumpel, ein wenig vorzutrinken, um im Anschluss in Richtung Limit aufzubrechen, meine altgedienten Stammdisco aus Teeniezeiten, und da rockend das Wochenende einzuläuten. Das Rennrad frisch aufgepumpt, losgesaust, nach ca. 1,5 km zischt es, schlabbert, ich steige ab. Zack. Platten. Nun gut. Fußmarsch zurück gen Heimat, um ein anderes Rad zu holen.
Die zweite Tour kam nichtmal auf diese Strecke. Ich habe Ikarus nie für ein Vorbild gehalten, der Traum meiner Menschheit war es nie, zu fliegen, aber mit einer beklatschenswerten Bewegungskombination brachte ich es fertig, während ich dabei war, fahrenderweise meine Jacke zuzuknöpfen, mit beiden Füßen gleichzeitig dank glitschiger Schuhsohlen von den Pedalen abzurutschen, den Lenker nicht mehr richtig zu packen zu bekommen, mit dem linken Bein die Pedale zu blockieren und dann in hohem Bogen über den Lenker zu fliegen, ehe ich mit der linken Stirn, über den schrubbeligen Asphalt schubbernd, meinen Flug bremste. Die Klingel: abgebrochen. Die Brille: abgeflogen, verbogen und verschrammt. Ellenbogen: aufgeschlagen. Oberschenkel: geprellt. Stirn: Ein reißender, dunkelroter Sturzbach. Während ich mich selbst und meine Siebensachen noch sammelte, liefen zwei Jogger an mir vorbei, zischelten aber nur abschätzig statt zu fragen, ob sie helfen könnten. Danach begenete mir eine Spazieren gehende Frau, der ich mit meinen erschreckend verunstaltenden Blutmäandern in der Visage begegnete. Tropfend, fluchend, verschmiert. Sie aber fragte auch nicht, ob sie helfen könne, sondern fauchte nur: "Geschieht Euch recht, dauerbesoffenes Asylantenpack, Ihr!" Meine Faust zuckte, mein mundwerk platze fast vor Empörung und doch besann ich mich, dass es in dieser Situation Wichtigeres gab, als sich mit einer stumpfbirnigen Dauerwellenkugel auf dem "Ostfriesland Wanderweg" über ihre verblüffenden Einschätzungen zu zanken.
Den halben Abend verbrachte ich nun im Kreiskrankenhaus in Leer, wo die Wunden geklebt wurden, desinifiziert, Tetanus aufgefrischt und ich ansonsten dreizehn Kreuzworträtsel gelöst habe, während ich auf den Brief für den Hausarzt wartete. Die bisherigen Geschehnisse ließen den Kampfgeist in mir aufbegehren - trotz allem war ich noch in Mieles Hütte und dem Limit. Ein wenig rocken, wenngleich der Herr vorsichtig sein musste mit seinem Kopf, um sich die blutigen Klebstoffkrusten nicht anstoßen zu lassen und neue Blutrinnsale zu riskieren. Lustig war's trotzdem. Dass der Heimweg vom Leeranerbahnhof nach Hause zu Fuß in sintflutartigen Regengüssen endete, war am Ende dann schon beinahe erwartbar. Wie angenehm ruhig sich der heutige Tag demgegenüber doch ausnimmt. Scheinbar müssen sich auch Murphys Gesetzeshüter nach dem anstrengenden gestrigen Tag erstmal erholen.
16 Wortmeldung(en):
Freilich mag der Anlass ein teils unerfreulicher sein, aber hätten die Murphyisten dich nicht drangekriegt, wäre wohl nicht dieser begnadete Beitrag dabei heraus gesprungen. Ein Lehrstück an absurder Alltagsaufarbeitung. Komm lass dich Herzen für soviel Missgeschick!
27/8/05 17:34
..und auch wenn das Limit eine Diskothek ist, die Phrasierung "in Richtung Limit aufbrechen" ist von heute an semantische Leitkultur.
27/8/05 17:36
Ich bin ja ein Freund von Überraschungen. Das Horoskop, was mir eine Bekannte eigentlich für den Tag davor zugemeilat hatte (sie werden einen sehr überraschenden Tag erleben), bestätigte sich erst einen Tag später, war also aufs falsche Datum aufgestellt. Der ziemlich unüberraschende heutige Tag ist da Balsam und Erholung. :)
und: danke!
Vive la Leitkultur, brechen wir auf zum Limit. Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter... :)
27/8/05 17:38
ich hasse stillstand. da flieg ich lieber auf die fresse, bevor ich auf der stelle trete. siehst du denn da genauso?
27/8/05 17:57
daS
27/8/05 17:57
aye, da könnte man sich natürlich reichlich in ernstgemeintem Mitleid ergehen. Könnte... wenn die Schilderung nicht so witzig verfasst wäre.
Die Dauerwellenkugel kenne ich übrigens als Pusteblume. Gerne mit Blaustich. Lustig, wenn man auf ganze Pusteblumenfelder stößt...
27/8/05 18:14
oha. da haben wohl die cohen-brüder regie bei dieser freitagabendmiserie geführt, was?
aber drehbuch eins a!
ps: gab´s nach dem malör wenigstens noch eine happy hour im limit?
27/8/05 19:01
1) Meader's Gesetz
Was immer dir geschieht: Erst vor kurzem ist es jemandem, den du kennst, passiert, nur alles viel schlimmer.
2) Bell's Theorem
Sobald ein Körper gänzlich in Wasser getaucht ist, klingelt das Telefon oder in der Küche läuft was über.
3)Gesetz des angewandten Terrors
Sollst du über ein Buch deiner Wahl geprüft werden, vergißt du das Buch.
Ableitung: Gibt man dir eine Prüfung für zu Hause mit, vergißt du, wo du wohnst.
4) Bazi's vorgeschlagene Entgegnung
"Hau bloß ab, du alte Rumpelfotze."
5)Telesco's Gesetz der Krankenpfleger
b. Es gibt 2 Sorten Heftpflaster: das eine hält nicht, das andere geht nicht ab
6. Opa Edi's Plagiat über irgendeine Philosophie:
Jeder sollte an etwas glauben, ich glaube, ich bekomme noch ein Glas
27/8/05 19:29
Neben Besserungswünschen möchte ich vor allem meinen Dank für diesen hinreissend geschriebenen Text loswerden. Grosses Kino.
27/8/05 19:36
Solche Flugversuche, Herr Ole, habe ich mehrfach, wenn auch vollkommen vergeblich unternommen, mindestens einmal auch begabt mit einem durchaus leistungsfähigen Motor, allerdings bewege ich mich selten (oder eigentlich nie) in Ostfriesland. Immerhin, schlechte Tage ergeben gute Blogeinträge - unterhalten habe ich mich über Ihr Missgeschick aufs beste, und wünsche Ihnen von Herzen gute Besserung.
28/8/05 10:38
*autsch* und *lach*
28/8/05 10:43
ein harter kopf entsteht dadurch, dass man beulen sammelt.
28/8/05 14:51
Einen harten Schädel hab ich schon, glaube ich. Immerhin wollte mir D.H. in der 10. Klasse mal volle Kanne eins in die Fresse hauen, schlug auch zu, aber am Ende hatte er sich eine Mittelhandfraktur zugezogen, während ich nichtmal ne Beule hatte. Mitleid ist auch nicht dringend nötig. Ich finde den Tag, gerade in der Rückschau eher skurril und witzig als schmerzensschwer und schrecklich. :)
28/8/05 19:07
@undundund: Ich hatte lustige Stunden im Limit, auch ohne Happy Hour. Aber die ist dort auch fast nicht nötig bei Getränkepreisen die 2€ nur seltenst überschreiten. :)
28/8/05 19:09
Sehr positiv finde ich übrigens, dass die Herren Spamkommentatoren scheinbar gerade Urlaub machen. Wenig amerikanische Beitragsbezuglosigkeit hier, aktuell. :)
Burns, wenn ich zwischen Aufdiefressefliegen und Aufderstelletreten wählen müsste, würd ich's machen wie Du. Vorher würde ich aber noch wühlen und buddeln, ob es nicht doch noch angenehmere Wege geben könnte. :)
Murphys Kumpel: Danke für die weiteren Gesetze. Sehr gelacht! :)
28/8/05 19:12
Ach Du Scheiße. *lach*
29/8/05 21:46
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