Erinnerungen einer Fahrt ins Elsass (II)
Die Dartscheibe und die umgebende Wandtapete dahinter bemuttern ihre Stichwunden. Doch die Schmerzen lassen nach. Am wenigstens schmerzt die Scheibe noch die Bull's-Eye-Gegend. Hauptsächlich ihre Randbereiche puckern noch von den Einstichen. Für heute abend werden sie Ruhe haben. Fast niemand ist da. Und die einzigen Gäste, die gefährlich werden könnten, hängen wie ein Schluck Wasser in der Kurve in ihren Plastiksesseln und trinken schales Kronenbourg.
Die hakennasige Rezeptionistin kokelt gewaltig an Papas Geduldsschnur, die alsbald Feuer fängt. Was uns denn einfiele, einfach bis zur Schranke vorzufahren, anstatt brav auf den dafür vorgesehenen Anmeldeparkplatz vor dem Gelände anzuhalten. Ob wir vielleicht gar eine versteckte Waschmaschine und einen Trockner in unserem Wohnwagen mitführen. Dass wir uns gar nicht einbilden bräuchten, nach 22 Uhr mit dem Auto noch auf das Gelände fahren zu können. Alimentation nur zwischen 8 und 9 Uhr, je nach Laune aber auch ne Viertelstunde kürzer.
Kleine Rauchwolken meint man noch Tage später über dem strubbelfrisierten Kopf meines Vaters wahrzunehmen, wenn er daran zurück denkt, flankiert von grimmigem Grummeln. Doch verfliegt dies flink wieder, schließlich ist der eigentliche Urlaub enorm entspannend und nett.
Ein Niederländer mit zerknautschtem Bulldoggengesicht kniet auf seinem Terrain und montiert ein riesiges Stahlstativ samit seiner Satellitenschüssel. Doch die Feinjustierung wirft Probleme auf. Der Kontakt ins Weltall stockt noch. Sinuskurvige Dauerpiepstöne begleiten sein Hantieren. Die Dänen haben die Feierabendhosen ausgepackt. Das Bier schmeckt, scheint's. Eine einsame Fußmatte liegt reglos auf ihrem Stellplatz. Zwei Paar Badelatschen langweilen sich darauf. Das dazugehörige Wohnmobil ist noch unterwegs. Drei Kinder toben, vor Freude quietschend, auf dem riesigen Spielplatzgerüst. Rumms! Einer fällt die Kletterleiter runter. Seine grüne Mütze ist runtergefallen. Er plärrt glasklirrend. Mama kommt angerannt. Ist ja alles gut. Der Mond schimmert fahl durch die feuchtkalte Nebelplüschdecke, die sich zur guten Nacht auf den Wald und vor den Flur gelegt hat. Kniehohe Positionslampen weisen mit buttermilchigem Schein den Weg zu den Campingwagen wie Leitlichter einer Flugzeuglandebahn. Der Bauch wölbt sich zufrieden und erschöpft von mächtig leckerem und lecker mächtigem Essen. Ohne anzuklopfen klettert die Nachtkälte durch kleine Ritzen in den noch wohlig warmen Wohnwagen und erzittert sogar vor sich selbst, als der Heizlüfter ausgeschaltet ist.
18 Wortmeldung(en):
Heidewitzka! Ja!
26/10/05 17:51
oh!
26/10/05 18:17
Also, der zweite Teil hat irgendwie eine andere Tonalität.Rummsiger irgendwie. Beide Teile beweisen freilich eine an sich längst bekannte Hintergrundinformation: Der Ole, der kann schreiben.
26/10/05 18:34
big bang is nearing ;)
26/10/05 18:38
Herrje, Burns. Du machst mich janz verlegen.
26/10/05 18:39
Ach sooo, du warst mit Papa unterwegs, na dann warte ich wahrscheinlich vergebens. Obwohl, big bang is nearing, vielleicht Mutter und Tochter?
Aber Burnie hat natürlich recht, auf sowas kommt es gar nicht an! (3x)
Ich habe übrigens wieder so einen schlitzohrigen Track von dir entdeckt in der norddeutschen Nachbarschaft.
;-)
26/10/05 23:28
Beim Aufrufen dieser Seite erschien gerade wieder Reklame. Diesmal war es eine andere Firma ebenfalls aus der Versicherungsbranche:
http://217.160.72.39/mpa/wm/000034/index.cfm?partner=adp_tkp.htm;%20is_bright=true
27/10/05 03:48
"an der geduldsschnur kokeln" - was für ein bild :)
die beschreibung des holländers hat mir auch sehr gut gefallen. die sehen alle so knautschig aus (zu viele zigaretten, zu viel alkohol).
ps: ja, ole, du scheinst einen sponsoren zu haben, dass pop-up hatte ich gestern auch. wie kann das sein? frechheit. mal bei den googles bescheid sagen?
27/10/05 11:02
Ich hab schon versucht, das auszuschalten, aber irgendwie habe ich keine Ahnung, wie ich das hinbekomme. Hier in der Uni krieg ich die Pop-Ups auch. Bestellt habe ich sie nicht.
27/10/05 11:22
Worauf genau wartest Du vergebens, Opa? Mutter und Tochter haben keine Rolle im Urlaub gespielt, es ist auch nichts Wildes passiert. Insofern hat "big bang is nearing", was sich eigentlich nur auf "rummsiger" bezog, auch keine weitere Bedeutung. :)
27/10/05 11:24
Und was für einen schlitzohrigen Track von mir hast Du wo gefunden, Opa?
27/10/05 11:45
Burnster hat recht -aber schreibst Du eigentlich noch wo anders als in Absurdistan ? Die andere Tonalität des zweiten Teils liegt im Fehlen der Sozialkritik...und es kommt weniger der caractère alsacien heraus. Es könnte irgendwo gespielt haben. Machst Du die Tonalität absichtlich anders ?
27/10/05 13:34
Es ging hier ja noch weniger ums Elsass als um den Campingplatz, auf dem ja durchaus ne andere Stimmung herrschte als in den malerischen Flecken außerhalb. :) Insofern dachte ich, dass ein anderer Ton vielleicht gar nicht verkehrt wäre. :)
27/10/05 14:17
Ach, auf Deine Frage: Ab und zu schreibe ich noch CD- und Buchrezensionen bei DENKmal von 3Sat und Plattentests.de. Und eigentlich auch bei den Wirr-Köpfen zusammen mit Burnster, wozu ich leider in letzter Zeit gar nicht gekommen bin, ich Honk.
27/10/05 14:19
Gut zu wissen, dass Du nicht nur hier schreibst. :) Weiter so !
27/10/05 19:58
Du kennst doch meine schmutzige Phantasie, Ole. Schmutzige Feder halt. Ich dachte du mit Mama und Paps mit Tochter, vielleicht hätte man ja sowas kennenlernen können. Nein pfui, vergiß es.
Begeistert war ich über deine Begeisterung beim little foxtrott.
28/10/05 09:18
Ich war ja mit Papa unterwegs. Mama musste zu Hause bleiben. Reiner Männerurlaub, der am Ende in den 65. Geburtstag von Papa mündete, der fernab der Heimat meiner Eltern in Münster gefeiert wurde und zu dem meine Mutter auch wieder dazugestoßen ist, sodass es ab da ein Familienfest wurde. :)
Beim Little Foxtrott stehe ich grad auf dem Schlauch, aber sowas kommt schonmal vor. :)
28/10/05 10:39
Begeisternd, nicht wahr? Jetzt hab ich auch kapiert, was Du meintest! :)
28/10/05 15:08
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