Budapester Denkbilder (II): Schnabelgerechte Schicksalsbotschaften?
"Nur weil ich..."
"Genau, weil Du meinst, es könnte lustig sein, Dein Glück in den Schnabel eines Wellensittichs zu legen."
"Wäre doch mal etwas anderes."
"Papperlaplüsch! Selbst wenn, Du würdest doch kein Wort von dem verstehen, was Dir angeblich blüht - egal, ob Du nun daran glauben würdest."
"Macht es das weniger originell?"
"Zumindest noch sinnloser."
"Es wäre doch auch für einen guten Zweck... irgendwie."
"Nunja. Aber..."
Mein Schalk im Nacken und die Vernunft bewerfen sich mit Brotkrümeln, während sich schwerer Verkehr über den Ferenciek tere wälzt und die Passantengespräche zermalmt. Und so lehne ich unentschlossen neben den rußbestäubten Blumenrabatten. Wenige Meter weiter kauert eine alte Sintifrau mit Haut aus Blätterteig und schwarzgrauem Hydraschlangenhaar an der Betoneinfassung. In ihrem Schoß birgt sie einen aufgeklappten, kleinen Holzkasten mit winzigen Briefumschlägen in verschiedenen Farben. Ihr Blick fleht verarmt. Auf dem Kastenrand hocken ein gelber und ein blauer Wellensittich. Sie zwitschern nicht. Und selbst wenn, würde man es kaum hören können. Aber ab und zu kommen Passanten, bleiben stehen, geben der alten Frau ein wenig Geld. Und dann darf einer der Wellensittiche, auf ein geheimes Zeichen hin, sich zum Kästchen umdrehen und einen der glückskeksartigen Umschläge mit dem Schnabel herauspicken. Darauf steht wahrscheinlich ein Wink des Schicksals, eine Zukunftsbotschaft, eine Lebensweisheit. Auf ungarisch. Sinn machen würde es nur bedingt, so etwas zu kaufen, aber ich mag Wellensittiche als Zufallsgeneratoren. Und so zanken sich die beiden Sturgeister auf meinen Schultern weiter. Nicht wenige Krümel sind schon auf den Boden gefallen.
15 Wortmeldung(en):
Faszinierend.
Den traditionellen Glückskeks neu erleben.... ;)
19/10/06 18:43
Ungarn? Geile Stadt! (diese Aussage stammt aber nicht von mir)
19/10/06 21:06
Wer hat den Kampf gewonnen? Was stand im Brief? Sind die Wellensittiche ihrem Schicksal entflohen und haben sich nach Deutschland schleusen lassen?
20/10/06 09:24
ich weiß nicht, warum ich grade kerntief traurig geworden bin.
20/10/06 09:57
@melli: Auf jeden Fall. Auch wenn man wegen babylonischer Sprachverwirrung sein eigenes Glück ohne Keks gar nicht verstehen würde. ;)
20/10/06 12:38
@sillerbetrachter: germania leer ist ja der fußballverein meiner heimatstadt. ;)
20/10/06 12:39
@bateman: liegt angeblich in ägypten.
20/10/06 12:39
@scheibster: die vernunft. keine ahnung. möglicherweise, aber nicht durch mein zutun.
20/10/06 12:40
@lu: taschentuch?
20/10/06 12:40
Sicher, dass es Wellis und keine Nymphen waren? Wellensittiche können jedenfalls sehr dreist sein. Als bei uns mal einer hinter den schweren Wohnzimmerschrank fiel, schaute der andere ihm nach und sagte fast verächtlich "tschüß".
Ich will nen Wellensittich-Glückskeks. :-)
20/10/06 15:20
Zuerst dachte ich, der Dialog entstammt einem Sprachführer ungarisch/deutsch für Fortgeschrittene - klasse Einstieg!
20/10/06 15:29
@verschollenes, döner liebendes fingerkänguru: In den Sittichen saßen keine Nymphen, glaube ich. Und fast hätte ich ja so'nen Papierkeks gekauft.
20/10/06 19:14
@markus: Solche Dialoge stehen in Sprachführern? Ich staune. Vielleicht sollte ich die häufiger und/oder genauer lesen. ;)
20/10/06 19:20
Jetzt schlagen die Sittiche schon Wellen.
21/10/06 00:17
Fortune is a fast Pick-up...
23/10/06 10:11
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