Sonntag, Juni 10, 2007

Fietspad - Dus niet brommen (IV)

Manchmal muss man die Hoffnung schon in den Gegenwind geschossen haben, ehe sich Wünsche erfüllen. Irgendwann, als ich schon zigfachst nach Blicken in den Himmel den Zeltaufbau bei Sturm und Regen, das Versenken der Häringe in wasserweichen Matsch und das morgendliche Einpacken der feuchtdreckigen Planen im Kopf durchgespielt habe, ebbt der Regen doch noch ab und versiegt allmählich. Rund achtzig Kilometer haben wir inzwischen niedergekämpft, als wir in Gasselte ankommen, wo es glücklicherweise gleich mehrere Unterkünfte zur Auswahl gibt. Der erste Campingplatz bietet Golf, Tennis, Massagen und wahre Freizeitparkatmosphäre feil zu Preisen, die mich beinahe schwindeln lassen, des zweiten Rezeption ist bereits seit über einer Stunde nicht mehr besetzt. Der dritte, „De Berken“, vereint hingegen alles, was wir uns wünschen: Eine geöffnete, überaus freundliche Rezeption, einen sehr gepflegten Zeltplatz, von Laubwald umgeben, vor allem aber blitzsaubere, moderne Sanitäranlagen. Die Toiletten- und Badezimmertüren werden bewacht von aufgemalten Zwergen, die sich ebenfalls waschen oder ihren Geschäften nachgehen.

Wohl kaum etwas Traumhafteres lässt sich nach einem durchnässten, durchfrorenen und abgekämpften Tag denken als eine heiße, ausgiebige Dusche, ein kräftigendes, warmes Abendbrot und ein kuscheliger Schlafsack. Nachdem der Sturm sich zunächst einen Spaß daraus machte, die Unterplane wie eine Brötchentüte umher zu wirbeln, bändigen wir sie, stellen das Zelt auf feste Füße, verankern und vertäuen es im Gras, machen es zu unserer wetterfesten Trutzburg, und so folgen die Wunscherfüllungen einander. Der Campingkocher hinter seinem Windschutz versteckt, schnurrt und befeuert den Topf, in dem Suppe, Würstchen und im Anschluss frischer Tee brodeln. Die klatschnasse Hose kann, nun, wo der Regen sich verdrückt hat, auf einem futuristischen Klettergerüst trocknen.

Die Dusche erfrischt, wärmt auf und haucht zusätzliche neue Lebensgeister ein. Leises Grummeln bewirkt indes, dass der zusätzliche, angeblich so wasserdichte Übersack für den Schlafsack von M. sich als heimlicher Freund von Tröpfcheninfusionen erweist und der gesamte Schlafsack an den Nähten und dem Kopfstück klamm und feucht ist. Es wäre sonst vielleicht ja auch beinahe zu einfach gewesen. M. klettert. als Schlafsackschlumpf ins Waschhaus unter den großen Fön, das Heißluftgebläse treibt dem klammen Sack die Nässe aus, und so ist die trockene erste Nacht im Nachbarland gerettet. Ein frisches Heineken rundet den versöhnlichen Abend ab, ehe die Augenlider schwer werden und ein traumloser Tiefschlaf mich überfällt.

Und welch Überraschung am nächsten Morgen: Nicht nur der Müdigkeit wegen reibe ich mir die Augen. Ein lasurblauer Himmel lugt zwischen den Baumkronen hindurch, Sonnenstrahlen lassen das taufrische Gras glitzern. Über Nacht hat das Wetter die Handbremse gezogen und eine famose Kehrtwende hingelegt. Tonnenschwere, massive Wolkenteppiche sind über Nacht zerstoben, haben sich in Nichts aufgelöst. Der zweite Tag wird eine ganz andere Geschichte erzählen können. Froh darüber, den Survivalkampfgeist erst einmal in den wasserdichten Fahrradtaschen verstauen zu können, frühstücken wir knusprige Brötchen, schlürfen abermals frischen Tee und blicken weitaus leichteren und vergnügteren Herzens der neuen Etappe entgegen, während sich in unserem Rücken kleine Zicklein im campingplatzeigenen Streichelzoo um Kiefernzapfen balgen. Das Karma wird diesmal auf zu umkurvende Schnecken verzichten können.

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20 Wortmeldung(en):

Blogger Frau H. meint...

Na wenn das 'mal nicht lauschig klingt und ausschaugt, lieber Ole...

Und achzig Kilometer? Respekt!

10/6/07 21:53

 
Anonymous Anonym meint...

hier noch ein sachdienlicher hinweis zum kniezwicken für m., falls es nicht besser geworden ist: war heute beim arzt: ich persönlich habe eine durchaus alterstypische (26)! verkalkungserscheinung hinter der kniescheibe...

11/6/07 09:11

 
Anonymous Anonym meint...

Aaah... nun versteh ich. Auf einer Reise würde ich als Fortbewegungsmittel vielleicht auch eher das Rad wählen denn die eig'nen Füße...
Viel Spaß weiterhin, Wetter je nach Wunsch und alles Gute für die Knie!

11/6/07 15:09

 
Blogger kein einzelfall meint...

Schöne Geste ans Gastland, die Zeltinneneinrichtung in Oranje.

11/6/07 20:41

 
Blogger Mephistascripts meint...

Heftigst idyllisch - muss man auch erst mal verarbeiten!

12/6/07 12:21

 
Anonymous Anonym meint...

Ihr Idyll, werter Herr Absurdistan, in allen Ehren, aber das, was da ein paar Meter links von Ihrem Zelt aus dem Farn lugt, das ist doch ein astreiner 70-Zoll-Flatscreenmit (wahrscheinlich) kaputtem Netzteil. Haben Sie den da hingeschmissen oder war das ihr Vorgänger, der hier seinen Elektroschrott in die Natur gehauen hat?

12/6/07 15:05

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Elektroschrott mit anderthalb Metern Bilddiagonale sind auf dem Fahrrad ja doch eher schwierig zu transportieren. Vor allem, wenn der Packplatz schon mit solch unsinnigen Dingen wie Koch-Utensilien, Wäsche oder Schlafsäcken belegt ist. Insofern habe ich das Elektrogerät, was ich nie je besessen habe, gar nicht erst mitnehmen können. Darüber hinaus würde ich als Mitglied des BUND so etwas in freier Natur niemals verklappen. Das Ärgste dabei ist aber: Ich sehe nicht mal, was Sie sehen, Monsieur par terre. :)

12/6/07 16:37

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@mephista: Pass mal auf, was noch alles kommt. :)

12/6/07 16:37

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@k.e.: bien sûr. :)

12/6/07 16:42

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@rulla: Sehr freundlich. M. ist direkt nach dem Urlaub in fachkundige Behandlung gekommen, die nun abenteuerliche und zugleich wirksame Heilmethoden verschreibt.

12/6/07 16:43

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Und Verkalkung ist schon ab 26 alterstypisch? Donnerkiel. Das erklärt einiges. :)

12/6/07 16:43

 
Anonymous Anonym meint...

hoffe, dass meine akupunktur, für die ich sechs wochen vor dem diplom 10 halbe stunden meiner wertvollen tage opfern muss, hilft.

12/6/07 21:19

 
Anonymous Anonym meint...

LET OP DREMPELS!!

13/6/07 10:55

 
Anonymous Anonym meint...

Manchmal muss man die Hoffnung schon in den Gegenwind geschossen haben, ehe sich Wünsche erfüllen. .... oder ....
Der zweite Tag wird eine ganz andere Geschichte erzählen können.... schon für diese zwei Sätze lohnt es sich, zu lesen, abgesehen vom nachvollziehbaren Erlebnisbericht. Habe mich als Camperin/Wasserwanderin sofort an alte Zeiten erinnern können. Danke dafür.

13/6/07 12:18

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@50OBeine: Heeft wi maakt. :)

13/6/07 12:35

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@luna: Freut mich. Der Trick (oder die Crux) bei solchen Sätzen ist ja meist, dass sie mitten im Satz stehen und man am Ende doch den ganzen Text gelesen haben muss, um sie zu entdecken. :) Wasserwandern wollte ich auch irgendwann noch mal...

13/6/07 12:38

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@rulla: Ich drücke festestens die Daumen!

13/6/07 13:14

 
Anonymous Anonym meint...

Ja, werter Herr Absurdistan, brauchen Sie jetzt eine Brille oder ich? Wenn Sie von Ihrem linken Stolperseil am Zelt da drei, vier mittelgroße Schritte links Richtung Gestrüpp gehen, stehen Sie doch quasi drin im Gerät. Das müssen Sie doch sehen. Oder wollen Sie das etwa nicht?

13/6/07 15:08

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ich brauche durchaus eine Brille. In aller Regel trage ich sie auch sehr regelmäßig, denke nun aber über neue Wege, die zu einer gründlicheren Reinigung der Gläser führen könnten, nach.

13/6/07 15:34

 
Blogger mq meint...

Manche nennen es Flatscreen, für andere ist es ein Mülleimer. Ein für Campingplätze durchaus nicht unübliches Inventar, wenn ich mich richtig erinnere.

13/6/07 22:51

 

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