Scheine, Wechsel, Seltsamkeiten
In Ermangelung von Mitleid, vor allem aber Kleingeld, da ich nur einen Zwanzig-Euro-Schein mit mir führte, entgegnete ich: "Sorry, Kleingeld habe ich grad überhaupt keins."
"Naja... bis fuffzich Euro kann ich auch wechseln!"
"Ach... dann geh Dir von dem Geld doch was zu Essen kaufen. Für den kleinen Hunger könnte das doch erstmal reichen."
Er stutzte verblüfft, ich wand mich um ihn herum in die Post hinein und reihte mich in die Schalterschlange ein. Während ich mich zentimeterweise voranschob, bekam ich eine lautstarke Diskussion am Schalter zu meiner Rechten mit. Vor dem Schalter stand er. Streifen nadelten aus seinem silbergrauen Anzug, das seitengescheitelte Haar glänzte dank großzügigem Pomade-Einsat. Die Babypopowangen seines jungreich gelackten Antlitzes schimmerten seidig.
Die dauergewellte Schalterdame gab ihm energisch zu verstehen: "Entschuldigen Sie, aber ich kann für einen Brief von nur 1,44 € Porto weder ihre Gold-Karte noch einen 200 €-Schein akzeptieren. Sie werden doch noch etwas Kleingeld haben?!"
Mit Fistelstimme krähte er die dauergewellte Schalterdame an: "Nein, habe ich nicht! Ich wünsche, dass Sie jetzt unverzüglich diesen Brief annehmen und mir 198,56 € Wechselgeld aushändigen. Ich bin ein vielgefragter Mann. Ich habe zu tun, Sie verplempern kostbare Zeit."
"So nicht, werter Herr. Ich bin an meine Vorgaben gebunden, und in diesem Ton kommen Sie mir bitte erst recht nicht."
"Nun gut. Ich merke mir Ihren Namen und werde bei Ihrer Dienststelle Beschwerde gegen Sie einreichen, Frau X." (unzureichend aufgeschnappte Dialogfetzen wurden vervollständigt, Anm. d. Red.)
Er riss seinen Brief an sich, der nun allerdings schon frankiert war, und spurtete aus der Filiale. Aufgehalten werden konnte er nicht mehr rechtzeitig, sorgte aber für allgemein entrüstetes Kopfschütteln. Ich selbst schüttelte etwas später den Kopf, nachdem ich meinen Nachsendeauftrag eingereicht hatte, mich dafür aber keineswegs ausweisen musste und theoretisch irgendeines Menschen Post an mich hätte umleiten lassen können. Leicht erschreckend, das. Mein Zwanzig-Euro-Schein wurde indes ohne Nörgeln akzeptiert. Die Post, morgens um halb zehn in Deutschland.
21 Wortmeldung(en):
Abgesehen von den anderen Kloppern - das mit dem unausgewiesenen Nachsendeantrag ist echt einer. Hammer.
-- laoopiuu --
26/9/05 12:21
Ich hoffe, das ist nicht Standard. Sonst kommt das demnächst in Mode, und jeder lässt sich fremde Post zuschicken?! Man darf gar nicht dran denken! :)
-ixqdqq-
26/9/05 12:23
Ich hab schon voll viele Rechnungen für dich bekommen. Danke, Ole.
26/9/05 12:43
Die Ratten bei der Post können doch wohl einen 200€-Schein wechseln.. schließlich sind sie auch Bank. Aber die Arbeit bei der Post wäre so schön, wenn nur diese dämlichen und nervigen Kunden nicht wären...
Ich erinnere mich, der Nachsendeantrag war früher wenigstens ausweispflichtig und kostenlos...
26/9/05 12:49
das war bestimmt einer von den schnöseln aus meiner antiquitätenmesse!
26/9/05 13:04
Sehr gut möglich, bsc!
Ansonsten kostet der Antrag 14,80 €. Den Vorteil, dass man mehrere Personen auf einen Nachsende-Antrag setzen lassen kann, konnte ich mir ja leider nicht zunutze machen.
26/9/05 13:05
Burns, ich hoffe, Du zahlst die Rechnungen dann auch, wo Du sie Dir schon zuschicken lässt. :)
26/9/05 13:06
Lass Dich überraschen!
26/9/05 14:00
Den kenn ich! Das war einer von den gefrustetetn Mitt-Vierzigern, die gestern wie die Doofen durch B gerannt sind!
Sozialinkompetent und sozialinakzeptabel!
26/9/05 16:16
das verhalten des kleingeldes ist schon irgendwie bemerkenswert. jetzt komme ich erst drauf, dass unsere ganze gesellschaft eigentlich in großen teilen vom verhalten des kleingeldes beeinflusst wird. wo es sich gerne aufhält, ob es mal raus zum spielen geht, ob es sich mit den kumpels, den großen scheinen trifft und und und.
26/9/05 16:59
Das erinnert mich ein klein wenig an die Bäckereiverkäuferin von gegenüber, der die Bezahlung von Kleinbeträgen mit Scheinen über fünf Euro grundsätzlich abzulehnen scheint.
"Da gehn´se mal zu Lidl wechseln, wa."
26/9/05 22:57
dann wieder das problem, wenn man das gesammelte kleingeld loswerden möchte. zweimal schon gescheitert. wo ich doch dachte, die würden sich darüber freuen.
niemandem kann man´s recht machen heutzutage.
26/9/05 23:08
Modeste: Yes, schon wieder Backwaren und Bäckercontent. Luv It!
Ratzomax: Schau mir ins Impressum, Kleines.
Ole: alles beglichen. Is doch Ehrensache unter Freunden. Nur das teure Sexspielzeug, das kann ich nur in Raten bezahlen. Da ist übrigens das Ladegerät ja teurer als der ganze Rest.
26/9/05 23:53
Burns: Ich hatte doch nur ne neue Liebesschaukel bestellt. Dafür braucht man heutzutage auch schon Ladegeräte? Ohne Strom läuft ja scheinbar nicht mehr viel.
27/9/05 11:43
Über zusammengepusselte Kleingeldbeträge hat sich die Bäckerei, zu der ich vor dem Umzug immer gegangen bin, immer gefreut. Bei 5 Euro war aber auch alles okay. Mit 200 € oder Barcly-Gold-Karte habe ich nie zu bezahlen versucht, aber ersteres habe ich mir nie von der Bank geholt, zweiteres besitze ich nicht im Ansatz...
27/9/05 11:48
Mir ist heute morgen in Münster Ähnliches passiert. Da wollte die Tante mir auch keinen 200... Moment mal...
DAS WAR KEINE POMADE!
27/9/05 11:54
Die blonde Kurzhaarperücke und die Glattrasur hat Dir dann aber einiges an Markanz geraubt, MC. Und wenn's keine Pomade war, dann war es...?
27/9/05 11:58
Eiweiss!
28/9/05 09:35
Marke Eigenbau?
28/9/05 12:21
Wenn ich jetzt zur Post gehe und sage, sie soll doch bitte die Sendungen für Erwin Zwiedackel daunda künftig an Hermine Tupfenkeck dortunddort weiterleiten, glaube ich nicht, daß sie es tun werden. Vielleicht lassen sie sich nur von Leuten die Thomas Schmidt heißen Ausweise vorlegen.
Daß ein schnorrender Punk zwar auf 50, eine Bank aber nicht auf 200 Euro herausgeben kann ist überaschend. Daß ein Lackaffe dessen Zeit ach so wertvoll ist, sie damit verschwendet, Briefe selbst aufzugeben erst recht.
28/9/05 12:39
vielleicht!
:-)
"Markanz" nehme ich morgen!
28/9/05 23:04
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