Erinnerungen einer Reise ins Elsass (III)
Mit dicken Schonern und Helm eiert die Schwyzer Mama den sanft abfallenden Weg vor unserem Wohnwagen entlang. Sie lernt Inline-Skaten. Noch zittern ihre Knie, die sie krampfhaft aneinander presst. Der Weg unter ihren Rollen ist tückisch, die Fahrtrichtung schwer voraus zu sagen. Sohnemann kichert. Das kleine Schwesterherz gibt sich solidarisch und schlingerd hektisch quiekend hinterher. Ihr Papa erhebt sich aus seinem schaffellüberworfenen Sessel, legt "Das lustige Taschenbuch" beiseite, schlurft gemütlich hinterher und fängt Mama auf, bevor sie fällt. Doch plötzlich erblickt der Augenwinkel Spannenderes und stutzt. Dann vernimmt das Ohr vielstimmiges Raunen.
Es klappert kurz und trocken. Ein gefiederter Kinderbote stolziert über den Campingplatz wie ein eitler Pfau. Von hupenden Autos lässt Meister Adebahr sich nicht beeindrucken. Wer seinen Weg kreuzen will, soll warten. Eine ganze Meute Neugieriger zieht er an und hinter sich her, während er gemessenen Schrittes den Campingplatz durchstreift.
Er weiß, er ist eine Sensation. Nur eine kleine, aber auch die muss man erst mal sein. Immerhin ist er das Wappentier im Elsass und bommelt als Plüschtierversion zigtausendfach in den malerischen Gassen der Dörfer in seiner Heimat.
Und er weiß auch, dass sein ungewöhnlicher Auftritt ihm die Herzen und jede Menge Essensbrocken zufliegen lassen wird. Wozu mühsam Frösche fangen? In loser Reihenfolge lässt er sich Käsewürfel, Baguettefetzen und Leberwurstflatschen in den Schnabel werfenDie trainingsbehosten Dauerwellenkugel giggeln, holen ihre Kinder, alles staunt. Fünf Meter entfernt knien sie sich hin, der kleine Blitz ihrer Fujifertigkamera flackert auf. Leider hat sich soeben der Hintern der dänischen Nachbarin ins Bild geschoben und fängt das Licht ab. Trotzdem ein schönes Bild für eine Reiseanekdote. "Hier hätte man eigentlich einen Storch sehen können. Der ist bei uns über den Campingplatz gelaufen. Wir haben ihn gefüttert. Das war sehr spaßig. Der Hintern gehört Frau Ulsgaard oder Frau Sörensen." Der Schwyzer Papa schmunzelt wieder durch seinen Schnurrbart, gibt seinem Sohn ein Fleischermesser in die Hand und sagt: "Gchescht dchamit mal zum Schtorch!" Später ruft der Schwyzer seine Kinder zu Tisch: "Kchommt, 's gibt Schtorchenrágú!"
13 Wortmeldung(en):
Aus irgendwelchen Gründen will Blogger.com mich heute keine Bilder hochladen lassen. Deshalb gibt's die Begleitbilder heute bei flickr. Einfach den Links folgen.
28/10/05 14:58
Gab es wirklich Straußenragout?
28/10/05 16:06
Ich glaube, es gab Kartoffelsalat und Würstchen. So genau habe ich nicht hingesehen. :)
28/10/05 16:29
Ein lustiger Vogel, der Schwyzer Papa.
28/10/05 16:59
Das war er. Wirste jetzt zum Nihilisten oder glaubste nur mir nix? :)
28/10/05 17:07
gibt es eigentlich augenfällig mehr kinder im elsass als anderswo?
28/10/05 17:23
Das habe ich mich auch gefragt. Inwiefern die Gegend zwischenmenschlich fruchtbarer ist, konnte mir aber bislang niemand sagen.
28/10/05 17:29
Wenn ich an die vielen Franzosen denke, die an jedem Markttag mein Heimatstädtchen auf der unserigen Seite des Rheins überfluten, bin ich überzeugt: die haben tatsächlich mehr Kinder. :-)
ABER, Ole: Meister Adebar schreibt sich ohne h ! (Falls er sich denn überhaupt schreibt...)
Beste Grüße ! ;-)
PS: - und wann kommt die nächste Elsaß-Folge ?
28/10/05 18:37
Nix. Nihilist is nix. Ich glaub nur nicht mehr an den Storch.
29/10/05 13:07
Auch bei mir heut Vogelcontent.
29/10/05 13:33
Bei Adebar habe ich geschwankt. Aber man kann ja auch nicht alles wissen. :)
29/10/05 18:18
Nein, kann man nicht, Ole. :)
Das Wichtigste im Leben ist ja sowieso, zu wissen, was das Wichtigste ist. Oder nicht ? :-)
Gute Nacht !
29/10/05 22:47
ich liebe
campingplatzgeschichten.
30/10/05 10:29
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