Montag, Dezember 12, 2005

Aistear i dtreo Atha Clíath (I)

Die Nacht selbst liegt noch in lichtleerem Tiefschlaf, als das humorlose Quäken des Funkweckers mich unerbittlich aus sanftesten Träumen schleudert. Schlafkörnchen krümeln aus den Augenwinkeln, als der Blick unwillig zur Ziffernanzeige kriecht: 4:30h. Viel zu früh und doch zur rechten Zeit. Traumtrunken schlurfe ich zur Kaffeemaschine. Doppelte Weckkraft ist jetzt gefragt. Müdigkeitsexorzismus, beschleunigt im Bad von frischkaltem Wasser. Eisige Nebelschwaden schlummern in den Straßenschluchten. Noch dämmert nichts. Kein Hauch, kaum ein Laut. Die Stadt ist erstarrt. Die sonst so lebendigen, gut durchbluteten Verkehrsadern klaffen leer, beinahe verwaist.

Käse segelt in hauchfeinen Streifen auf die Schwarzbrotscheiben als Fahrtproviant. Pfefferminztee dampft aus der Thermoskanne. Der Blick eiert umher, verzettelt sich müde und planlos jenseits eines Ziels. Gedankenverlorenes Schlürfen am Kaffeebecher. Das heiße Gebräu kleckert die schläfrige Kehle hinunter. Der Wecker piept erneut. 5:30h. Zeit, die gepackten Sachen zu schultern und durch die schlafende Stadt zum Bahnhof zu schlurfen. Ein wenig wacher sind die Straßen inzwischen. Vereinzelte Autos treideln gähnend durch die Fahrbahnen. Ihre Scheinwerfer starren blass, als würden sie ihre Lider auch gern noch ein, zwei Stunden schließen.

An der Treppe zum Bahnsteig steht C. und wartet schon. Kaum wacher als ich, schlurfen wir beide in den Zug. Nach einigen Umstiegen sind wir noch pünktlich am Flughafen, lernen, dass 4U kein Abflugterminal sondern das Kennzeichen von Germanwings ist, erfahren, dass nur sehr wenige deutsche Servicemitarbeiter am Flughafen griechisch sprechen und steigen um kurz vor zehn an Bord des Airbus A319 nach Dublin. Leise durchprickelt mich der Reiz des Ungewohnten beim Start, fliege ich doch erst zum dritten Mal in meinem Leben irgendwohin. Viel zu sehen gibt es während des Flugs nicht. Ein beinahe reißfester Wolkenteppich liegt unter uns. Das Sehenswerteste sitzt in der Reihe vor uns. Ein in Würde ergrauter alter Herr, mit einem Aufsehen erregend ausladenden Haargestrüpp, das vom Läppchen die Ohrmuschel hochwuchert.

Und so ist es wie ein Griff in eine Wundertüte, als sich anderthalb Stunden später das Flugzeug in die feuchtweiße Decke buddelt, ehe sich der Vorhang öffnet und unter uns die Bucht von Dublin liegt. So sieht sie also von oben aus, die Stadt der mäandernden Wanderungen Leopold Blooms, Heimat meiner großen Helden wie Joyce, O'Brien, Wilde und Beckett. Sehen und erleben, wovon man gern und ausufernd gelesen hat. Das tiefblaue Meer kräuselt sich. Am Landarm von Howth duckt sich der Omphalos über kalt schäumender Brandung an die Küste. Die grüne Insel gibt sich grau. Die zunächst noch winzigen Häuser wachsen sekündlich, die Felder und Äcker vor der Stadt sind knietief von wässrigem Matsch überpfützt. Kurz bricht die Sonne durch. Das Vieh auf den Weiden wirft meterlange Schatten. C. ist aus seinem Flugschlaf erwacht und wirkt leicht mitgenommen.

Das Gepäck flutscht heil aufs Gummiförderband, wir schnappen uns einen Aircoach in die Stadt. C. wird immer blasser, pulvert sich eine kleine Packung Kopfschmerzmittel in den kleinen Rest Wasser seiner Flasche. Sein Gesicht schimmert nurmehr wie verwässertes, schales Kilkenny, um die Nase ein Hauch von Cashel Blue-Käse, die Gesichtszüge fallen schlaff in sich zusammen. Schweißperlen glitzern plötzlich auf seiner Stirn, das Atmen geht schwerer. Besorgte Blicke eilen aus meinen Augen zu ihm herüber. Erst nach einigen Minuten klackert es in meinem Hirn: Huch, stimmt ja, wir fahren ja jetzt links. Unter den grauknittrigen Wolkentürmen sausen die typischen Doppelhaushälften vorbei, grüne Briefkastensäulen, bunt getünchte Holzverkleidungen, die die Erdgeschosse der Geschäfte und Pubs umarmen. Doch ist es ein eher zerrupfter Charme, mit dem uns die Vorstadt emfängt.

In der O’Connell-Street setzt uns der Bus ab und schickt sich an, beinahe mitsamt unserem Gepäck weiter zu düsen. Zum Glück ist unser Veto von Erfolg gekrönt. Dublin, here we are. Und während ich den Stadtplan nach dem günstigsten Weg zum Hostel durchforste, bleibt C. leider keine andere Wahl, als sich schleunigst in Richtung der Sanitäranlagen einer großen Fast Food-Kette zu beeilen. Der Magen beunruhigt sich. In ruhigem Tempo, mit rücksichtsvollen Pausen, schlendern wir gemeinsam zu unserer Herberge. Schon jetzt zeichnet sich ab: Den ersten Teil der Dublin-Erkundungen werde ich auf Einzelfaust unternehmen.

41 Wortmeldung(en):

Blogger Oles wirre Welt meint...

Wahrscheinlich ist die Überschrift, die so viel heißen soll, wie: "Reise nach Dublin", grammatisch und auch sonstwie grottenfalsch. Meine Kenntnisse der irischgälischkeltischen Sprache beschränken sich auch weitgehend auf ein ziemliches Nichts, gepaart mit flinken Wörterbuchblätterfingern. Immerhin. Verbesserungs- bzw. Korrekturvorschläge werden mit offenen Armen empfangen. :)

12/12/05 11:58

 
Anonymous Anonym meint...

Ich sage nur : Y gwynt o'r dwyrain chwyth. ;-)
Das stimmt auf der grünen Insel bestimmt auch immer mal wieder. Verbessern kann ich bei Dir allerdings auch nichts...
Ich bin gespannt, wie euer Aufenthalt sich weiter gestaltete ! Hoffe, ihr habt auch «Uisge Beatha» getrunken...;-)

12/12/05 13:54

 
Blogger kein einzelfall meint...

Die Firma Kellogg's behauptet immer, ein guter Tag beginnt mit einem guten Frühstück. Kein Einzelfall sagt, ein guter Irland-Bericht beginnt mit einer guten Portion Gaelic, ob nun frisch oder aus dem Wörterbuch.

12/12/05 15:09

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ehrlich gesagt haben wir's beim Bier gelassen, zumal unser Budget enorm schmal bemessen war und die Preise in den Pubs doch durchaus malzig waren.

12/12/05 15:10

 
Blogger viktorhaase meint...

oho!
dublin. sehr fein. es gibt eine prima buchhandlung direkt an der fußgängerbrücke die über den liffey führt. da kann man sich schön ans fenster pflanzen und kaffee trinken. sehr nett.

12/12/05 15:12

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Was das Frühstück betrifft, dürften unsere Tage nicht ganz so gut geworden sein wie sie waren, wenn man sich anguckt, was es so alles (nicht) gab. :) Aber dazu in Bälde mehr. Hab statt gaelic garlic gelesen (irgendwas spinnt bei meinen Lesefähigkeiten zuletzt) und wunderte mich, was denn nun Knoblauch mit Irlandberichteinstiegen zu tun hat. Eigentlich maximal wenig, glaube ich. :)

12/12/05 15:12

 
Anonymous Anonym meint...

treideln - ein tolles wort

erinnert mich an die story, dass mal irgendwo jemand das bild "die wolgatreidler" als

"die wodkatrödler" verkannt hat.

12/12/05 15:17

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Hättste das eher gesagt, Viktor...

schade. Da, bei der Ha'penny-Bridge?

...aber ich war stattdessen im Rhabarbercafé, wo es keinen Rhabarber gab und man auch herrlich sitzen konnte, aber auch dazu bald mehr. :)

12/12/05 15:20

 
Blogger samoafex meint...

maaa, ich mag auch nach irland. ich sehe mich als schäfer. mit puffigen weißen schafen.

12/12/05 16:11

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Schäfer sind ja doch so einige, wenn auch nicht viele. Puffige Schafe haben davon nur wenige. :)

12/12/05 16:15

 
Blogger samoafex meint...

ich hätte die puffigsten in ganz irland. und alle hätten ein silbernes glöcklein um.

12/12/05 16:37

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Das würde ein Bimmelgewimmel...

12/12/05 16:40

 
Anonymous Anonym meint...

Hast du das Photo erschossen? Sensational!

Zudem spanne ich mich auf die Folter für die Fortsetzung.

12/12/05 16:43

 
Blogger samoafex meint...

ja, total die kerry-gold-werbung.

12/12/05 16:46

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Das Foto hab ich mir geliehen. Ist aber großartig. Und die Quelle verschlammbaselt, weil es schon seit nem halben Jahr auf meinem Rechner liegt. Meine Fotos hab ich heute zum entwickeln gebracht. Die kommen in Bälde.

12/12/05 16:46

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Geht's bei Kerry-Gold-Werbung um Schafe? Ich dachte immer, die nehmen Kuhmilch?!

12/12/05 16:47

 
Blogger samoafex meint...

ah, echt?

ich oute mich hiermit als kerry gold-nichtkenner.

asche auf mein haupt, und butterflocken drüber!

12/12/05 16:54

 
Blogger undundund meint...

wattisn da mit die kujel von die telesparjel passiert. ole. die is ja wech, is die. hamse die jetzn ooch schon outjessohrst oda, hab´ ick wat im oore? und ditte jrad vor weehnachten, nee, ne. janz dureinanner macht dit foto mir.

12/12/05 16:55

 
Blogger undundund meint...

aaaahhh, ick weeßet. warst jar in die insel da, wo der heinrich grass ´n häusken hatte. der alte taarebuchschreeber, der, großahn der blogger.

12/12/05 16:57

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

janz jenau. die hammda dat Jeld füre Kujel eenfach jespart un sick'n Fass Porter dafür jeleistet, tipp ick maar.

12/12/05 17:02

 
Blogger undundund meint...

janz schön schnafte!

12/12/05 17:08

 
Anonymous Anonym meint...

Sehr schön beschrieben ...ich wusste übrigens bei "4:30h" sofort, dass es sich um einen Flug, den es zu kriegen gilt, handelt. Warum?
Ich bin in meinem Leben schon so um die vierzehn, fünfzehn Mal geflogen, plus minus, und jedesmal musste ich zum Hinflug morgens irgendwann zwischen 3 Uhr und 5 Uhr aufstehen.
Das ist die Flug-Zeit im Leben.
So wie Fünf vor Sieben die Müllabfuhr-Zeit ist.

12/12/05 17:21

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Unsere Müllabfuhr kommt erst um halb neun. :)

12/12/05 17:22

 
Anonymous Anonym meint...

...und ich hätte aus dem Flugkürzel mit u und vier undsoweiter auf Anhieb erkannt, dass es sich um German Wings handelt. ;-)

12/12/05 18:26

 
Anonymous Anonym meint...

ich bin so spät :(

wieder eine schöne reiseerzählung, ole, und ein tolles bild. was sehe ich da? eine stricknadel?

12/12/05 22:02

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

ein bisschen strick-, stick- oder auch akupunkturnadel, ein hauch von zahnstocher. hundertzwanzig meter hoch, drei meter dick am boden. der dublin spire. steht da, wo einst das lord nelson-denkmal stand, dass sie in den 60ern gesprengt haben.

12/12/05 22:05

 
Anonymous Anonym meint...

Ohhh- Stricknadel. Zwei links, zwei rechts, 30 Reihen links...ein gutes Stichwort.
Aber warum wurde Lord Nelson denn gesprengt ?

12/12/05 22:57

 
Blogger saoirse meint...

lieber ole,

dein irisch wird immer besser. ich staune kerry-gold-packungen. vielleicht sollten wir demnächst mal einen fernkurs machen. oder komm zu uns ins studienhaus. ich freue mich auf die fortsetzung. beir bua agus beannacht.

13/12/05 00:16

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Das verblüfft. :)

13/12/05 00:26

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Wenn ich jetzt nur noch wüsste, wie man das alles ausspricht... ein gewisser Konsonatenüberschuss in der geschriebenen Sprache lässt sich gegen über den tatsächlich gesprochenen Lauten ja scheinbar nicht wegdiskutieren. Nur weiß ich nie genau, was man weglässt. Woher aber auch, wenn's einem nie wer erklärt hat? :)

13/12/05 00:27

 
Anonymous Anonym meint...

Ach, wer einen aufnahmefähigen Kopf und eine willige Zunge hat, sogar um diese Uhrzeit, der blättert einmal kurz im Internet nach. ;-) Irisch ist ja auch bei weitem nicht die einzige Sprache mit Konsonantenüberschuss. Aber welche bekannte Sprache haushaltet denn im Gegensatz dazu ganz enorm mit ihren Buchstaben ?

13/12/05 00:48

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Klingonisch.

13/12/05 00:52

 
Anonymous Anonym meint...

Gibt es das überhaupt verschriftlicht ? ... Aber mir spielen meine Augen langsam auch gerne einen Streich. Zunächst dachte ich, Du wollest mich mit einem verquollenen "Klingt logisch" loben... Achja, das war wohl nix. ;-)

13/12/05 01:26

 
Blogger saoirse meint...

geh mal zu RTÉ und klick auf den vierten von den live-stream-links (da, wo raidio na gaeltachta steht), dann kriegst du eine ungefähre vorstellung davon, wie sich das anhört. ansonsten - einfach saoirse fragen, die hat das ja studiert.

13/12/05 14:05

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Da frag ich demnächst gern mal. Anhören werd ich's mir auch mal, aber da weiß ich dann ja nicht, wie man was ausspricht, da ich ja nicht weiß, welche wie geschriebenen Wörter dem zu Grunde liegen, was da gesprochen wird. :)

13/12/05 14:38

 
Anonymous Anonym meint...

dann ist dieser spire nur ein denkmal und hat sonst keine funktion? sender? abhörstation?

ich finds schick!

13/12/05 21:26

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@french kiss: Nelsons Denkmal ("the Nelson pillar") in Dublin wurde durch einen Terroranschlag der IRAgesprengt.

@bsc: Der "Spire" ist auf jeden Fall das höchste nicht begehbare Gebäude der Welt. Vielleicht kannst Du ja mit Außerirdischen telefonieren, wenn Du Dein Handy oder ein CB-Funkgerät damit verbindest? :)

13/12/05 22:50

 
Anonymous Anonym meint...

@Ole: Oh, das tut mir leid. :-(

13/12/05 23:36

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Wem gegenüber?

13/12/05 23:58

 
Anonymous Anonym meint...

Na, zunächst Nelson, weil es ihn nicht mehr gibt, dann den Dublinern, weil sie ihn nicht mehr haben, und zuletzt auch Dir, weil Du ihn also nicht sehen konntest. Und mir bestimmt auch, weil ich ihn ja auch nicht mehr sehen kann, falls ich mal nach Dublin komme. ;-) Reicht das ?

14/12/05 10:49

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Naja, stattdessen kann man doch jetzt die Stecknadel gucken, was man sonst nicht hätte gucken können... :)

14/12/05 13:25

 

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