Aistear i dtreo Atha Clíath - Erinnerungen an Erlebnisse in der Hauptstadt der grünen Insel (III)
Presslufthammer wuppern den Boden eben. Schweiß perlt über schmutzige Stirne, verschmiert sich mit dem Dreck. Blaubehoste Schnurrbartträger wischen sich den Staub aus den Augen, rücken ihren Helm zurecht und gießen neue Betonplatten. Rastlose Maschinen dampfen, sprühen Funken, pressen und rollen, rumpeln, schlagen, grubbern und klappern. Lastwagen setzen zurück. Der Bagger dreht sich. Dem Baggerführer fällt die Zigarette zwischen die Pedale. Versehentlich. Und hier wird in Bälde glühend heiß neue Haut auf die Hauptschlagader der Stadt geklebt. Die Stadt lebt, die Stadt bebt.
Der Prachtboulevard im Umbruch. Auf Fotos standen hier grünende Bäume. Momentan stehen hier Baustellengitter und Zäune. In den engen Fluchten zwischen den Zäunen quetschen sich zweireihig die gelbblauen Doppeldeckerbusse. Motoren grollen, heulen auf beim Tritt aufs Gaspedal. Kleine Autos sind dazwischen eingeklemmt. Keiner hupt. Die Bürgersteige bersten vor Menschen. Alle warten auf ihre Busse. Keiner murrt. Ein Labyrinth aus Einkaufstaschen macht den Weg zur Slalomstrecke.
Da kaum Straßenbahnen fahren und es keine U-Bahn gibt, fährt hier alles und jeder Bus, scheint’s. Die überfülltesten Bushaltestellen der Welt gibt es wahrscheinlich in Dublin. O’Connell Street hat einen sehr speziellen Klang dieser Tage. Unablässiges, munteres Gebrabbel in vielen Sprachen und Lautstärken durchschwirrt die graue Nachmittagsluft auf beiden Straßenseiten.
Viele warten an den Ampeln (die vielleicht einzigen Ampeln der Welt mit einem digitalen Sekundencountdown, der anzeigt, wie viele Sekunden noch rot ist), um hinüberzusausen. Der Baulärm. Unzählige kleine Charity-Gruppen krähen Christmas Carols und klappern mit geschlitzten Blechbüchsen. Schmalztriefende Panflötenweihnachtslieder tropfen zähfließend aus den Boxen vor Clery’s Kaufhaus und verkleben den Bürgersteig. Eine blonde Frau mit grellhellblauer Jacke lehnt am Schaufenster und raucht. Sie schnippt die Kippe auf die klangklebrigen Steine. Ein whiskeytrunkener Wanderprediger hält seine kleine Bergpredigt. Sein Kopf ähnelt einer im Sonnenlicht welk gewordenen Broccolirose, sein rotbärtiges Gesicht ist ölig. Er reckt beide Arme gen Himmel und keift Flüche über jene, die da sündig sind. Die Stadt lebt. Die Stadt bebt.
11 Wortmeldung(en):
Das hat Sound!
20/12/05 13:08
absolut off topic:
Bitte streiche mich aus Deiner Blogroll. Danke.
20/12/05 13:23
Äh... solltest Du das ernst meinen, Opa, erfahre ich auch, warum?
20/12/05 14:38
der gesamte text hat null handlung. na gut: nahezu null. und trotzdem finde ich ihn großartig. das ist ein prosagedicht. fast schon. oder: diese prosa ist ein gedicht.
20/12/05 16:38
Klingt interessant ... trotzdem eine Stadt, in der ich nicht sein will.
Zuviel klangklebrige Steine und Lärm ...
20/12/05 17:35
Ich wittere ein Husarenstück von Edi.
20/12/05 18:10
nein, in hamburg am gänsemarkt gibt es seit einigen wochen auch eine ampel mit digitalem countdown zur grünphase!
was ist nur mit opa los?
20/12/05 21:54
@burnse: Klingt enormst wahrscheinlich. Edi, der Schlingel will hier so einige hinters Licht führen, um ihnen zu zeigen, wie das Licht von hinten aussieht. Hinter diesem Wahnsinn steckt, scheint's, Methode!
21/12/05 08:42
@bitts: Bei Opa ist scheinbar ein wenig der methodische Wahnsinn ausgebrochen. :)
Am Gänsemarkt jetzt auch? Mist. Hätt ich den Text ein paar Wochen eher veröffentlicht, hätte er ja vielleicht wenigstens noch einige Tage gestimmt. Obwohl's in den USA, Japan oder Quatar oder sonstwo solcherlei Ampeln sicher auch längst gibt...
21/12/05 08:45
Heute unterschreibe ich, wenn ich darf, bei Herrn/Frau bakunin. Voll und ganz.
Macht Euch um den spinnerten Opa keine Gedanken, solche Anfälle hat der öfter mal. Der Mann ist gemein aber nicht gefährlich. Er kündigt nicht bzw nur an.
21/12/05 15:29
So schlecht ist dirty Dublin nun auch nicht. Vielleicht solltest du mal ein paar Tage länger dort verweilen.
5/1/06 01:46
Kommentar veröffentlichen
<< Home