Mittwoch, Februar 08, 2006

Die Laptop-Misere

Kaum mehr als dreitausend brummelgemütliche Einwohner hausen in Ihrhove, einem kleinen Kaff abseits der Bundesstraße von Leer nach Papenburg. Ostfriesische Diaspora. Zweistöckige Backsteinhäuser dämmern aneinander gedrängt die kleinen Straßen entlang. Es gibt eine Bank, eine Kirche, einen Fußballverein, der vor Jahren sogar in der dritten Liga spielte, einen verrotteten Bahnhof, eine verrammelte Raiffeisen-Lagerhalle, das "Limit" - eine kleine aber sehr feine Indie-Disco, Charlys Fischbude und ein neues Einkaufszentrum an der Ihrener Straße.

Und genau dort würde der Strahl meines Zorns eine flammenlodernde Feuersbrunst entfachen, wenn er nur könnte. Denn in eine kleinen Ecke zwischen Aldi, Gammelpizzeria und Combi-Markt quetscht sich ebenda ein kleiner Computerladen. Tumbe Horden sparwilliger Laptop-Sucher rennen dort die Bude ein, weil die beiden Betreiber gebrauchte Markenlaptops von Firmen aufkaufen und zu günstigen Konditionen weiterverkaufen. Da auch ich für die Magisterarbeit auf der Pirsch nach einem möglichst günstigen Laptop (als Weihnachtsgeschenk) war, suchte ich zunächst bei einem Laden für gebrauchte Laptops in Münster, einem mir mehrfach empfohlenen ähnlichen Geschäft, hörte aber dann von eben jenem in Ihrhove, zwölf Kilometer von meinem Heimatdorf entfernt.

Wie ich erstaunt feststellte, kommt daher auch einer der Besitzer des Ladens, mit dem ich gemeinsam, wenn auch zwei Jahre unter ihm, die Grundschule besucht habe. Enormst freundlich und fürsorglich schlug er mir einen Freundschaftspreis für ein IBM-Thinkpad vor, der wahrlich nicht verkehrt war.

"Und weißte was? Wir suchen Dir sogar unter allen Modellen, die wir reinkriegen, ein richtig klasse Modell aus. Du wirst sehen. Klasseteil!" Freudig überrascht sprach ich mich kurz mit meinem Vater ab; dann sagten wir zu. Am kommenden Wochenende sollte der Rechner dann fertiggemacht sein und abgeholt werden. Vorfreudig fuhr ich also am darauffolgenden Wochenende abermals mit dem Trödelzug von Münster nach Leer und von dort mit dem Auto nach Ihrhove. Zwanzig Menschen quetschten sich in den winzigen Laden, nicht jedoch das für mich vorbestimmte Gerät. Ärgerlich, aber nun gut.

Mein Vater holte das Gerät einige Tage später ab, meine Mutter befand, dass ich - da Geschenk - auch erst an Weihnachten selbst damit hantieren sollte, damit das Besondere des Geschenks gewahrt bliebe. Okay, gern. Dann kam aber der Heiligabend. Neben anderen bezaubernden Geschenken packte ich den Laptop aus, schloss ihn an und freute mich auf das Einrichten, drückte den Startknopf. Einmal fuhr er hoch, dann: Schwock! Blauer Fehlerbildschirm. Absturz. Padautz!

Beim nächsten Mal nicht anders. Das Gerät wütend aus dem Fenster zu werfen, hätte zwar meiner Laune entsprochen, aber wahrscheinlich meinen 12 Monate dauernden Garantie-Anspruch erlöschen lassen. Nix ging. Und wir erinnern uns: "Wir suchen Dir sogar unter allen Modellen, die wir reinkriegen, ein richtig klasse Modell aus. Du wirst sehen. Klasseteil!" Also rief ich am 27. Dezember prompt an, schilderte die Unzulänglichkeiten des achso tollen Teils, und ich wurde gebeten, es schnell vorbei zu bringen. Gemacht.

"Ah, oh, ja, kaputt. Ich guck mal, ob ich's reparieren kann. Ruf' Dich nachher an."
"Ich brauch's aber schnell, ich bin ab übermorgen nicht mehr hier und brauch's jetzt auch zum Arbeiten."
"Klar, kein Ding."

Er rief nicht an. Ich hingegen dann, leicht genervt, am späten Nachmittag. Gerät kaputt, nix reparieren, muss getauscht werden, gerade aber kein Ersatzgerät mehr da, alle verkauft. Kriegen erst in drei Tagen neue. In mir brodelte es heftiger, die Augenbrauen verschoben sich zu einem pfeilscharfen Winkel.Nun gut, in Gottes Namen. Auch meine Eltern ließen die beiden Besitzer telefonisch nochmals an ihrer Enttäuschung und Wut teilhaben. Und sie räumten sogar eine Frist bis zum 3. Januar ein, für die Neubeschaffung und Herrichtung des Geräts. "Super, nett! Klar, bis dahin haben wir dann alles fertig. Ihr braucht gar nicht mehr vorher anzurufen."

Zum vereinbarten Zeitpunkt fuhr mein Vater also wieder die 25km hin und zurück dahin, und? Nix. Kein Gerät da. "X ist grad unterwegs und holt welche. Morgen." Am nächsten Tag rief ich vormittags an, inzwischen zurück aus der Ferne und wieder in Leer, um meinen Geburtstag zu feiern. "Ja, Gerät ist da, kannste abholen." Nachmittags fuhr ich zunächst zum Bahnhof, um einen sehr wichtigen Gast abzuholen und dann direkt weiter zum Laden. Mal wieder. Es war 16h. In einer Stunde hatte sich zu Hause ein sehr guter, alter Freund, den ich Urzeiten nicht gesehen hatte, angekündigt.

Wie fast schon zu erwarten quetschten sich schon wieder ca. zwanzig Kunden wie daunenbejackte Ölsardinen in die Laden-"Dose". Überfreundliche Begrüßung. Oh, und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Zwanzig Minuten Warten. Dann endlich. "Ja, ähmnääh, Dein Gerät... ja wo ist es denn... ähhh..." Er sprang in den von Chaos bevölkerten Hinterraum. Hektisches Hin- und Herreichen von Geräten. Der äußerlich höchstens fünfzehnjährige Techniker bekam Einzelteile gereicht. Flott! Flott! Mein Gerät wurde jetzt erst zusammengebaut, schnellstmöglich und flüchtigst. Er durfte deutsche Tastaturaufkleber draufpappen, einrichten. >Meine Halsschlagader war dicker als Ottfried Fischer und puckerte wie ein Trommelwirbel; meine Lippen waren schmaler als ein Skalpellschnitt.

Ich entriss der falschen Ladenbesitzerschlange den Laptop. Schnell im Auto hochgefahren, okay. Später stellte ich fest: Der Rechner war etwas schneller, hatte aber nur halb so viel Arbeitsspeicher wie abgesprochen. Nun gut, das lässt sich verschmerzen. DVDs spielte er brav, wie abgesprochen. Seitdem tut der Laptop brav und friedlich seinen Dienst. Doch fiel mir erst vorerste Woche etwas auf. Einem meiner besten Freunde wollte ich einen Sampler brennen, diesmal mit dem Laptop. Und? Na klar! Es ist ein Nur-Lesen-Laufwerk drin, kein Brenner, wie abgesprochen war. Selbst Urschreitherapeuten hätten sich erschrocken vor den Schalldruckwellen, die mein Zimmer fast in Trümmer legten.Und? Seit fast zwei Wochen versuche ich nun, den Laden telefonisch zu erreichen. Mit unterdrückter Rufnummer. Meint Ihr, es geht jemand ans Telefon? Nein. Entweder ist besetzt oder niemand hebt ab. Angeblich ist das Telefon nun stumm geschaltet, da die Anrufe die Verkaufsgespräche behindern. Ich finde das mehr als schade und durchaus ärgerlich. Ein gutes Geschäft sein und ein gutes Geschäft machen sind zwei Paar Schuhe, meine Herren. Schon enttäuschend.

24 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Oh man, Ole!

Das ist mit Abstand die schrecklichste Geschichte, die ich im UuJ-Zusammenhang lesen mus... durfte!

X-max und B-day versaut?

Und nur 1/2 Arbeitsspeicher (damit hast Du Dich zufrieden gegeben?)

Kein Brenner, obwohl MIT Brenner verkauft?

Herzliche(s/n)

a) Beileid
b) Glückwunsch, bist mit dieser Story am WE wieder verlinkt! :)

8/2/06 14:17

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ich kam zwanzig Minuten zu spät für meinen Geburtstagsbesuch, der schon wartete, der halbe Arbeitsspeicher war mir wurscht - ausgleichende Gerechtigkeit für das schnellere Modell. Der Brenner war verabredet und fest eingeplant, aber nicht eingebaut. Ich hab zu Hause erst nur geguckt, ob er DVDs spielt, als er das tat: Gut, brav. Ob er wirklich brennen kann, habe ich erst drei Wochen später, vor zwei Wochen getestet. Und das kann er absolut gar nicht... und jetzt gibt's Ärger!

Wenn ich eins hasse, sind es bezaubernd freundliche, zuvorkommende Menschen, denen Du schon ansiehst, dass sie Dich hinter ihrer glitzernden Fassade nur verarschen.

a) danke
b) donnerknispel! :)

8/2/06 14:27

 
Anonymous Anonym meint...

Ich bräuchte gar keinen Hut mehr aufsetzen, so oft müsste ich ihn derzeit vor dir ziehen, mein Lieber.

8/2/06 14:33

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Mütze als Alternative? Nicht dass der Grauswinter Dir dann noch die Stirnhöhle vereitert! :)

8/2/06 14:36

 
Blogger kein einzelfall meint...

Für die UuJ-Bewegung reicht das wohl nur dank guter Kontakte in allerhöchste Kreise ;), denn für die IT-Zumutungen bist Du noch ausgesprochen geduldig.

8/2/06 15:42

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@kein einzelfall: Wieviel Geduld hat Herr Weber von der Technik bei sowas?

Es ist ja zudem mehr der Verlust von entspanntem Gleichmut und Geduld, die mich erst jüngst in die wutentbrannten Sphären der JuU-Bewegung katapultiert haben. ;)

8/2/06 16:33

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@m.a. mayer: Vielleicht sollte der Wolf Haas den Brenner mal auf die Brennerverschlamper ansetzen?

Aufkleber sind ne feine Idee. Momentan kleben da noch diese fiesen neongrünen Freenet-Hühner.

Und: danke!

8/2/06 16:42

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

hättste datt mal eher jesacht... :)

8/2/06 18:12

 
Anonymous Anonym meint...

(@ole: Herr Weber von der Technik ist dernatürliche Feind der UuJ-Bewegung - weil er, die Fleisch gewordene Kombination aus Können, Kompetenz und Kundenfreundlichkeit, einfach keinen Anlass bietet. Und weshalb er es auch nie zum Weltkonzern bringen wird.)

8/2/06 18:18

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

brain ohme pinky?

8/2/06 18:30

 
Anonymous Anonym meint...

Gehen wir irgendwohin demonstrieren und Lieder singen? Und vorher Plakate malen und lecker Kuchen backen und Tee trinken und mit Rum in Thermoskannen abfüllen? Bin dabei... ;-)

8/2/06 18:43

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Tee trinken ist in Ostfriesland ja schon seit Jahrhunderten heiß in Mode. Protestantisch ist die Region auch... tendenziell keine verkehrte Idee. ;)

8/2/06 18:49

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

welches bild? das "titelbild"?

wenn ja, dann ist das Einfachste: Du kannst im "Post erstellen"-Modus im Blogger über "Bild hinzufügen" doch auf direkt den Link des Bildes verweisen, oder Du speicherst das Bild (rechte Maustaste) auf Festplatte und lädst es von da wieder hoch - auf dem selben Weg. Das geht auch beim Bild hinzufügen-Button. Den kennste ja. Den Link zum Bild kriegste über rechten Mausklick aufs Bild und dann "Hintergrundgrafik anzeigen lassen".

Fragen geklärt oder nur alles verwirrt? :)

8/2/06 19:30

 
Anonymous Anonym meint...

Man man. Gut das du den Beitrag geschrieben hast. Wollte am WE Ihrhove mal nen Besuch abstatten und den Laden/die Notebooks da in Augenschein nehmen. Wobei ich ja sagen muss, dass der PC, den J.J. mir vor vier Jahren zusammengebaut und verkauft hat, immer noch läuft. Naja. Mal schauen, wie da die Angebote sind. Gruß aus Auerk

8/2/06 22:32

 
Anonymous Anonym meint...

man möchte weinen bei solchen geschichten. oder sich vor wut häuten. wenn ich richtig kraft hätte, würde ich den leuten hinter den büschen auflauern und ihnen eins aufs auge hauen. gut, dass ich weiblich bin. ich sässe sonst schon wegen körperverletzung im knast. aber wenn du willst, gehen wir beide nochmal in dieses geschäft und mischen den laden auf. was meinste?

8/2/06 23:41

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ich hab momentan nen ziemlichen Hals auf J.J., Dr. Kruidenmeister. Der Rechner läuft ja auch noch, aber bei Herrn H.D. beispielsweise war die interne Netzwerkkarte defekt und er konnte auf einen Bereich des Arbeitsspeichers nicht zugreifen. Ich kann den Laden derzeit absolut nicht empfehlen. Auch wenn ich die Geschäftsidee eigentlich sehr gelungen finde. Ich fühle mich nur ungern verarscht...

9/2/06 11:17

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@bsc: Ich komm gern drauf zurück. :)

9/2/06 11:18

 
Anonymous Anonym meint...

Mein Ostfriesebild hat einen Riß wie mein Glaube an den Kicker, mach das bitte irgendwie wieder heil.

9/2/06 14:31

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Hast Du ne grobe Vorstellung, wie? :)

9/2/06 14:45

 
Anonymous Anonym meint...

Ich meine mich erinnern zu können, dass der Schutzheilige der Computerhändler der heilige Kevin ist. Sein Martyrium bestand darin, von einem gelinkten Kunden mit einem Modemkabel erdrosselt zu werden. Vielleicht sollte man den Angehörigen der Zunft diese tröstliche und lehrreiche Geschichte wieder in Erinnerung rufen. (Andererseits, wenn die Gegend protestantisch ist, fehlt wohl der Glaube ...)

10/2/06 20:17

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Hatte Kevin Kontakt zum Umfeld von Rudolph Moshammer?

11/2/06 18:06

 
Anonymous Anonym meint...

Mosi hat ja nicht mit Rechnern gehandelt, da kam ein entsprechendes Patronat nicht mehr in Frage. Nein, der Hl. Kevin hat mehr mit Pigor zu tun, dessen Heiligengeschichtensammlung "Wie man am schnellsten in den Himmel kommt" in solch schweren Stunden wahrhaftigen Trost spenden kann.

12/2/06 20:51

 
Anonymous Anonym meint...

"Tumbe Horden sparwilliger Laptop-Sucher rennen dort die Bude ein, weil die beiden Betreiber gebrauchte Markenlaptops von Firmen aufkaufen und zu günstigen Konditionen weiterverkaufen."

An dieser Stelle scheint Mitleid völlig fehl am Platze. Wer für wenig Geld erstklassigen Service erwartet, hat nicht kapiert, wie Wirtschaft funktioniert. Wie sollen die beiden Betreiber, verkaufen, installieren, reparieren, bestellen, liefern, abholen, beraten, verpacken, bedienen, kassieren, aquirieren?
Hey, das kann nicht funktionieren, also - wenn man sich auf so etwas einlässt, sollte man schon wissen, was einen erwartet. Ist zwar insgesamt dumm gelaufen, aber wundern tut es mich nicht.

28/2/06 14:50

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ich denke, dass man da durchaus noch differenzieren kann.

Erstens stellt sich die Frage nach dem Auftragsvolumen verglichen mit den Kapazitäten, der Nachfrage überhauüt gerecht werden zu können.

Wenn man nur zu zweit ist und derart viele Aufträge bekommt, ließe sich nachdenken, inwiefern die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter verkraftet werden kann, sodass die Bearbeitung, Beratung etc. reibungsloser und verlustfreier erfolgen kann.

Zweitens finde ich nicht, dass der Gang in einen Second-Hand-Laptop-Laden automatisch den Verzicht eines Anspruchs (oder zumindest des Wunsches) auf eingehaltene Zusagen beinhaltet.

Nur weil man einen geringeren Geldbetrag als bei einem Neugerät zahlt, heißt es ja auch nicht, dass man dadurch das Recht verwirkt, das vereinbarte Gerät in funktionstüchtigem Zustand zu bekommen, zumal 1 Jahr Garantie darauf gegeben wird.

Dass der Auftragsaufwand von den wenigen Beteiligten kaum zu stemmen ist und man da leicht in die Bredouille geraten kann und einem der Kopf schwirrt, steht außer Frage - aber auf einem anderen Blatt.

28/2/06 15:41

 

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