Freitag, Juni 30, 2006

Ein Schwank aus Wulnikowskis Jugend (I)

Für M.

Einst, in Zeiten, als Pomade noch in bemalten Blechdosen mit Drehknopf zum Abheben des Deckels an gepflegte Herren im Anzug verkauft und mit einem Haken am Stiel vom höchsten Bord des Krämerladens für sie herab bugsiert wurde, war Wulnikowski einige Zeit unterwegs. Nun war er nicht, wenn man so will, auf Reisen. Kein Hauch von Urlaub trieb ihn durch die Lande. Nein, er tingelte zu Fuß von Dorf zu Dorf, über hügelige Alleen und schlaglöchrige Feldwege, in der Hoffnung, dass sich jemand mit schwungvollen Hüften fände. Wenige Wochen nach dem er das Gebrüll, Matschgerobbe und Gewehrgereinige des Wehrdienstes überstanden hatte. Wulnikowski trug damals noch einen schmal getrimmten Oberlippenflaum. Weil er David Niven so mochte. Und erdnussfarbene Gamaschen. Und dann hatte er eines Nachts geträumt, er hätte Millionen verdient mit gefalteten Hühnerhäuten.

Niemand konnte so flink, behände und in so komplexen Hühnerhäute falten wie er. Es war gewissermaßen Hühnerhaut-Origami. Ein japanischer Offizier, der während des Krieges bei seinen Eltern untergekommen war, hatte ihm einige Kniffe gezeigt. Allerdings nur auf Papier, nicht auf Huhn. Das war seine eigene, Wulnikowskis höchstpersönliche Idee gewesen. Patentieren lassen hatte er sie sich. Und die hübsche Frau auf dem Patentamt fand die Idee so toll, dass sie ihn gleich hatte heiraten wollen. Und die Leute waren in Scharen zu ihm geströmt und hatten ihm die Hühnerhäute begeistert aus den Händen gerissen, so wild waren sie auf seine gefalteten Hühnerhäute. Sogar die amerikanischen Besatzer hatten gleich kistenweise seine Spezialitäten eingekauft, um ihren Familien zu Thanksgiving eine Freude zu machen. Gefaltete Hühnerhäute, passten doch so hervorragend zum Truthahn-Essen.

Doch hatte Wulnikowski ja nur geträumt. Und dann war er auf seinem milbenzerknabberten Kopfkissen aufgewacht und dachte, dass es vielleicht doch gar nicht so viele Menschen geben mochte, denen die Augen begeistert glitzern würden bei gefalteten Hühnerhäuten. Und überhaupt: Wie sollte das denn gehen – Hühnerhäute falten? Und dann noch in Form – Einen Schwan, eine Taube, Blumen?

Es waren noch einige Wochen bis zum Studienbeginn, und bis dahin hatte er eigentlich nichts zu tun. Als er nun aber mit nichts Konkretem im Sinn zum Krämer um die Ecke schlurfte, stand am massiven Holztresen ein gepflegter älterer G.I., der sich mit dem Haken am Stiel eine bemalte Blechdose Pomade mit Drehknopf zum Abheben des Deckels vom obersten Bord herabbugsieren ließ. Dapper Dan. Und während der schrumpelige Herr Knuffe, dem der Laden damals gehörte (heute ist darin ein arabisches Wasserpfeifencafé untergebracht), die Pomade mit dem Haken zu angeln versuchte, sprach der GI Wulnikowski an…

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5 Wortmeldung(en):

Blogger viktorhaase meint...

Hühnerhaut-Origami.

tolles hobby. schöner noch als kronkorken-memory.

30/6/06 13:21

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

...der Nationalsport Nr. 2 in der Päffgen-Arena?

30/6/06 14:15

 
Anonymous Anonym meint...

hätte ich herrn wulni mit nicht geträumten gefalteten hühnerhäuten erwischt, hätte ich ihn auch flugs geheiratet. wer so was kann, dem ist mehr zuzutrauen! schade, das es nur ein traum war. ;)

30/6/06 16:30

 
Blogger viktorhaase meint...

absolut richtig!
ach, ich frage mich gerade, ob ich einmal ein: Für V über einen absurdistan beitrag lesen werde. das wäre ja mal was.

1/7/06 12:59

 
Anonymous Anonym meint...

Wow, fetter Header!

2/7/06 11:29

 

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