Neues von der Apo-Tour (I)
Mit quietschenden Bremsen und röhrendem Motor reißt ein tiefergelegter Opel Astra die Stille in Fetzen. Es ratscht metallisch, als die Ölwanne über den Betondrempel schubbert. Der Unterboden schimmert neonblau. Am Heckspoiler flattert, welch Überraschung, eine Deutschlandfahne. Die rechte Wagentür schnellt auf, kurz dringt schrillmumpfiges Gekeif heraus. Dann stakst eine vanillevlablonde Grazie mit Rasierklingenpony durch die Glasschiebetür und wackelt mit ihrem übellaunigen Hinterteil zum Tresen. Die grell geschminkten Mundwinkel hängen auf Halbmast, die Brüste wippen miesepetrig unter dem knatschengen Flittertop. „Mach ma zwei Schachtel Mallboro.“ Der püttrologische Zwirbelschnurrbart knurrt mürrisch, sagt nichts, kassiert. „Ich sach Dir eins“, kräht sie dann, „such Dir nie so ein schlappes armes Würstchen wie datt Exemplar, watt ich mir angelacht habe. Bezirzt Dich mit seiner dicken Karre, klunkert Dich mit seiner schicken Kette an, baggert Dich in der Disko an bis der Landarzt gesendet wird und führt Dich zum Essen aus. Und dann… soll ich meinen Fraß sogar selber blechen.“ Sie quiekt schriller. „Sel-ber ble-chen! Is datt nich die Höhe?“ „Selbst Schuld, Püppchen. Watt suchste Dir auch so’ne Fräse aus?“, brummt der Zwiebelschnurrbart. „Hast Du ne Ahnung, Alter. Ich dachte doch, das sei ein geiler Typ.“ „Und warum erzählst Du mir das?“ „Watt soll denn die Scheißfrage? Datt muss ich mir nu auch nicht geben. Ihr Männer seid doch ein Mistverein. Alle zusammen.“
Sie schluckt Luft, zischelt abschätzig, rümpft ihre gerichtete Nase, dreht sich empört ab und stakst davon, plump wie eine genudelte Köpfertaube. Der Motor brüllt einmal laut, dann zischt der Wagen davon. Nicht jedoch, ohne noch einmal mit der Ölwanne über den Beton zu kratzen. „Die Frauen von heute ha’m se doch auch nicht mehr alle. Oller Schickimicki.“ Ich zucke mit den Schultern. Mein Gesprächsbedürfnis war schon mal lebendiger. Ein scheinbar herrenloser Labrador schnuffelt um die Tanksäulen herum. Der Zwirbelschnurrbart bollert gegen die Scheibe. Der Hund erschrickt und trollt sich. Ich schlürfe meinen Kaffeebecher leer und mache mich auf. Jetzt noch elf Apotheken, elf Seiteneingänge, Garagen, Hintertüren, Abstellräume, noch dreiundvierzig schmutziggelbe Wannen. Die Zeit verfliegt, der Kofferraum leert sich Halt um Halt, der Morgen dräut, ich kurve dem Schlaf entgegen.
Labels: Medikamentennächte
11 Wortmeldung(en):
Münsterländer Nächte ...
In Deiner argentinischen Ausgabe geht's ja zum Ausgleich ein bisschen lebenslustiger zu.
23/6/06 14:43
con temperamiento de pura ráza... :) quasi.
23/6/06 14:47
Kleines, verlogenes Gedöns ganz wahrhaftig groß gemacht. Muss man sich auch erst mal reindenken, in so ne Materie. Und dann Gedöns mit "Leben, halt" gleichsetzen. Sehr geil.
23/6/06 16:57
... die Begegnung mit einem übellaunigen Hinterteil würde mir zu jeder Tages- und Nachtzeit ANGST machen ...
23/6/06 20:14
"Schrillmumpfiges Gekeif" kenn ich aus der Schule :) Von einigen Lehrern und noch viel mehr Schüler(inne)n. Aber meinen Abend hast du damit auf jeden Fall gerettet.
24/6/06 01:54
"miesepetrig wippende Brüste" Mensch Ole, schaff dir nen camcorder an, sowas würd ich gern mal sehen.
24/6/06 14:19
@friesen ranger: In Hennef soll's auch fast genauso anders sein. Und in Singapur erst recht.
24/6/06 14:51
@katze: Na immerhin! :)
24/6/06 14:53
@konfusius: Das Auto war so schon pickepackevoll, da hätte kaum noch eine Knäckebrotscheibe, geschweige denn ein Camcorder reingepasst, für den es mir in Anbetracht meiner derzeitigen pekuniären Lage auch an Mitteln fehlt.
24/6/06 14:54
@mephistascripts: Man sollte Gedöns nie unterschätzen. :)
24/6/06 14:55
Schön, deine Arbeitsberichte...
"Kein kleines Gespenst lässt sich blicken, vielleicht aus Neid, weil mein riesiger Schlüsselbund weitaus beeindruckender ist." - Was für ein schöner Satz :)
24/6/06 17:49
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