Dicht gequetscht schieben sich grölende und jubelnde Fanhorden durch die Städte, schwenken ihre Stoff- und Bierfahnen, feiern sich selbst und ihre Mannschaften. Vielleicht, weil es so nah dran ist, vielleicht auch mehr denn je ist diese Weltmeisterschaft ein Fest der Anhänger. Doch was umso glutvoller und leidenschaftlicher in den Straßen brodelt, ermattet auf dem akkurat geschorenen Rasen selbst allzu oft. Den nach
Engagement, Emotionen, Esprit und Einfallsreichtum lechzenden Fußball-Liebhaber lassen die Kicker gerade der favorisierten Mannschaften allzu oft ins Leere schlittern und setzen stattdessen das fünfte „E“ entgegen:
Effektivität. Große Überraschungen der Kleinen waren bis jetzt Mangelware. Die Karibik-Kicker aus Trinidad und Tobago haben schnarchnasigen Schweden einen Punkt gemopst und auch England an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ghana hat der inzwischen faltenwürfigeren goldenen Generation Tschechiens gordische Knoten in die Beine gedribbelt und die Frisur-Archaiker rund um Pavel Nedved in Grund und Boden gespielt. Australien hat mit mächtigem Känguru-Satz die Hürde zum Achtelfinale übersprungen und dabei nicht nur Japan sondern auch Kroatien die Schweißperlen der Ratlosigkeit auf die Stirn gezaubert. Doch schon die Elfeneinküste stürmte zwar bezaubernd aber erfolglos ins Nichts. Wie generell der verblüffenden Schönheit gerade der afrikanischen Spielzüge ein erstaunliches Fiasko beim Einnetzen kristallklarer Möglichkeiten entgegenstand. Stattdessen gurkte sich England satt, schlapp, selbstgefällig und unmotiviert dem Achtelfinale entgegen, Frankreich vernagelte das eigene Tor mit bretthartem Baguette und mauerte sich hauchknapp in die nächste Runde, auch Brasilien, Portugal oder Italien schlurften zwar weitgehend ungefährdet unter die letzten Sechzehn, spielten dabei aber so frisch und knackig wie Kopfsalat, der einen Monat alleingelassen auf dem sonnigen Balkon vor sich hin dümpeln durfte, und so leidenschaftlich wie ein Sack Gries.
Das Herz „für die Kleinen“ blutete umso kraftvoller, als die Männer in Schwarz und Neongelb sich im Achtelfinale anschickten, größeren Einfluss geltend zu machen. Die Herren Schiedsrichter. Italien kickte schlapp wie kalte Pappe und so glanzvoll wie Mehl an den Fingern gegen eifrige, quirlige und glücklose Australier, die den Atemhauch der Sensation schon riechen konnten, ehe Fabio Grosso keine Lust mehr hatte, weiter in den Strafraum zu laufen und glücklicherweise jemanden in seinem Laufweg liegen sah, gegen den man treten und wegen dem man danach – padautz! – niederplumpsen konnte wie ein knallvolles umgeschubstes Dixi-Klo. Die Pfeife schrillt, der Zeigefinger guckt Richtung Elferpunkt. Lächerlich! Und traurig. Denn die Ex-Schillerlocke Totti guckte abgezockt und knallte die Pille in den Winkel links oben. Zack, bumms, Spiel aus, Italien trotz offensiver Grützwurstleistung weiter. Die tapferen Australier rausgekegelt. Oh Fußballgott, Du grässlich ungerechte Nulpe.
Kaum anders war es auch mit Brasilien. Lustlos und träge schluderten sie ihr Spiel zusammen, zäh wie dickflüssiger Klärschlamm, während sich die Ghanaer selbst schwindlig passten und vor hochklassigem Gewusel auf dem Platz nur irgendwie vergaßen, zwischendurch den richtigen Zeitpunkt zum Fuß-in-den-Pass-Halten abzupassen, um Dida ein paar Eier aus dem
Nest Netz fischen zu lassen. Statt dessen passten die Ghanaer, noch ganz wirr vom eigenen Spielrausch, dreimal hinten nicht auf, und die eminent effizienten Kanarienvögel ließen die Pille plötzlich in die anderen Maschen flattern. Und auch hier half das Schiedsrichtertrio wieder mit, indem sie Adrianos Abseitshütte fraglos anerkannten. Nur wenige Minuten lang zauberten die Grandseigneurs vom Zuckerhut und ließen den Betrachter Zunge schnalzen. Ansonsten lag nur schwer im Magen wie fettige Buletten und verleitete zum Gähnen, was sie sich zurecht gurkten. Schrecklich abgezockt bei aller Lustlosigkeit, aber ein Frevel am Gerechtigkeitsempfinden. Auch die risikofreien Ballschiebe-Stafetten und Bollwerkbewachungen der Franzosen haben sich ja gegen den unlängst noch verzaubernden Offensivrausch der Spanier durchgesetzt. Nicht unverdient, aber beileibe auch nicht ansehnlich.
Bleibt zu hoffen, dass sich derart schlaftablettiges Gemäuer und lustloses Geschiebe in der nächsten Runde rächt, und die spritzig und spielwitzig Stürmenden den rumeiernden Mannschaften ordentlich einen einschenken. Auf dass es mit dem Erfolg für fettigen Pomadenkick ein Ende hat!
24 Wortmeldung(en):
Ohne Flax, das ist echt grandios geschrieben.
Aber wo bleibt da die Schlacht Portugal gegen die Niederlande?
28/6/06 17:18
Meine Rede! Nur etwas besser formuliert ;)
28/6/06 17:20
off topic: omannomann. ich hab ja schon lange gehofft, daß sich hier endlich mal der header ändert. aber dieser ist ja jetzt noch größer.
ich würd ja echt öfter man vorbeisehen, ganz ehrlich, wenn die ladezeiten nicht so immens wären. total leserunfreundlich das, vor allem wenn ich daran denke, daß es durchaus auch noch modemnutzer gibt.
sehr schade.
28/6/06 17:45
@frau engl: Die Techniker in Absurdistan, mit denen es nicht weit her sind, forschen gerade und sind auf der Pirsch, um alsbald weitaus größere Leserfreundlichkeit zu ermöglichen, die auch die headerbedingte Überlastung des Scrollrades an der Maus möglichst minimiert. :)
28/6/06 18:34
@katze: Darüber wurde a) schon enorm viel geschrieben und b) wäre es in meinen Augen unfair, über ein Spiel zu meckern, das ich nicht habe sehen können. :)
28/6/06 18:35
@rohrkrieg: Sehr gut! Nur: Wo findet man Deine Rede hierzu? Auf Deiner Seite entdeck' ich nix!
28/6/06 18:36
Und wer außer mir bedauert das viel zu frühe Ausscheiden der angolanischen Mannschaft mit dem schönen Torwart? Ach! Fußball, echt.
28/6/06 22:19
wie immer: ganz groß!
off topic: ich mag auch den neuen header!
28/6/06 22:29
Ole: Okay. Da könnte was dran sein.
Das Bild erinnert mich übrigens an das Bild eines desinteressiert wirkenden Hundes, der mit dem Rücken zu einer fußballzeigendend Leinwand liegt.
"Sonyc" war wohl der Einzige, den die brutzelnden Würstchen mehr interessierten als Fußball...
(Was wiederum sonst keinen intressiert hat.)
28/6/06 23:08
Und ich dachte,nach der Vorrunde legt sich das. Das Spiel Portugal-England wird bestimmt ein Rumpelknaller.
28/6/06 23:10
ole - du schiesst wieder den vogel ab: du kannst so viel! bitte werde sportreporter! kick diese beckmanns und kerners aus den breitgessenen stühlen - bitte! verspricht mir das!
grossartig! ich wollte heute schon jammern, dass mir live fussballspiele fehlen, aber gott sei dank habe ich ja den ole! olé, olé, ole :)
obwohl, der mann auf dem neuen headerbild hat mich schon ziemlich erschreckt. in den süssen hund darunter habe ich mich natürlich sofort verliebt!
28/6/06 23:46
was ich noch fragen wollte: ist das auf dem bild wulni? er könnte es doch glatt sein, meine ich.
29/6/06 00:14
Das ist mal auf den Punkt gebracht.
Ich Naivling ging tatsächlich davon aus, das beim "Alles oder Nichts"-System alles gespielt wird und nicht die Knie von den "Favoriten" zusammengepresst werden, um an soetwas wie schiedsrichter- erarbeiteter Ergebnisverwaltung festzuhalten. Nachdem ich das sehen durfte, ist das Aufspielen der deutschen Mannschaft, deren Überhäufung mit Superlativen mir ansonsten Angst macht, auch wenn ich mich sehr über die Leistung freue, nicht hoch genug zu bewerten.
29/6/06 09:11
Sag mal, Ole, hast du was dagegen, wenn ich den Text (mit Verweis auf dich natürlich) weiterverpubliziere?
29/6/06 10:10
Genau, Ole!
Und der Fußballgott ist wahrscheinlich eben doch eher ein Fußballteufel und scheißt - wie sollte es anders sein - eben auch auf dem Spielfeld immer auf den größten Haufen.
29/6/06 11:17
@katze: Klaro darfste!
29/6/06 13:07
@ratze: Haufenweise recht haste!
29/6/06 13:10
@bitts: Du machst mich ja ganz verlegen vor Lobhudelei. Und wenn ich all Deinen Berufsempfehlungen nachkäme (Schriftsteller, Reisereporter, Sportjournalist etc.), müsste ich mich ja beinahe zerreißen. Mal schauen, wie ich das hinkriege. Wir arbeiten dran. Zum Headerbild: Wulnikowski könnte es zwar sein (der Gedanke kam mir auch schon), doch eigentlich ist es nur die Puppe des dänischen Kaisers aus "Des Kaisers neue Kleider", einem famosen Mensch/Puppentheaterstück am Oldenburger Theaterlaboratorium. :)
29/6/06 13:12
@mlle händel: ich. Wobei: Auch wenn ich lange Jahre Torhüter gewesen bin, finde ich andere Torhüter doch selbst nahezu gar nicht erotisch anziehend. Was aber nicht deren Position als vielmehr deren Geschlecht geschuldet ist. ;)
29/6/06 13:14
@schafswelt: wahre Worte!
29/6/06 13:15
@viktor: Dein Wort und Schwemmes Fähigkeiten in Fußballgottes Gehörgang!
29/6/06 13:16
Eine schöne Zusammenfassung ist das, Ole. Damit sprichst Du wohl nicht nur mir aus der Seele.
Hey, ein Neufi! :) Deiner? Auch wenn es so scheint (Dateiname), als wäre er schlapp - das ist eine bei Neufundländern unbedingt beliebte Liege-/Ausruhposition.
30/6/06 11:28
Nee... den Neufundländer hatte ich neu gefunden bei der Google-Bildersuche. :)
30/6/06 12:55
sehr guter Beitrag
22/12/12 15:07
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