Freitag, August 18, 2006

Der erste Regen danach

Inmitten der Restefickrampe - ein eigenwilliger Rahmen. Zuvor habe ich mich erst ein einziges Mal hierher verirrt. Sturztrunken, an Altweiberfastnacht. Doch manchmal heiligt der Zweck auch Orte. Heute ist sie mir nur recht, auch mangels Alternativen. Zu nah ist die Nacht schon den Morgenstunden gekommen. Hier wird ihr Aufschub gewährt, in der Mocambo Bar. Glatzrasierte Stiernacken kauern in Bomberjacken am Tresen. Einige lallen, faseln vor sich hin, dem anderen zugewandt, der abwesend am Bierdeckel knibbelt. Abgehackte Sätze tropfen von tonnenschweren Zungen, zerbrechen auf halbem Weg. Stimmen wie Besetztzeichen. Zerschlissene Gestalten, gemeinsam einsam. Verschwommene Worte durchtorkeln die Rauchschwaden auf dem Weg zum Gegenüber, erreichen sie aber nicht. Lösen sich auf in Bierdunst und Schweiß. Gesichter zerfließen, die Muskeln vom Suff erschlafft. Kerzen flackern auf wackligen Stehtischen. Ein Barbie-Imitat schwankt und kippt sich dadurch Cola-Korn auf ihre großen Brüste. Sie kreischt hysterisch vor Lachen, dabei verschüttet sie den Rest. Am Pissoir klebt Erbrochnes, darüber Klopapiergirlanden.

Im Vollrausch der Getränke und Gefühle kreisen vereinzelt Zungen, hier und da wandern auch erkundende und massierende Hände in heimliche Bereiche. Ich sitze nur da, trinke entspannt zwei Bier und schaue zu, ohne mit irgendwem zu sprechen – außer dem Barkeeper beim Bestellen. Noch immer erschöpft von den letzten Tagen mit ihren technischen Wirren, dem steigenden Druck und Herzklabattern. Aber glücklich und erleichtert. Nun, nachdem auch die Medikamente ausgeliefert sind, darf ich auch mit mir selbst darauf anstoßen. Die Stadt draußen schläft längst, auch die Freunde liegen längst unter Daunen im Dunkel. Und so feiere ich mit mir selbst. Gemeinsam gefeiert wird ja noch. Die Puppen werden später tanzen. So lade ich mich selbst auf zwei Bier ein in der einzigen Kneipe, die wochentags um vier Uhr nachts noch geöffnet hat. Eine stille Feier in abgerissenem Rahmen, doch würdig allemal. Um halb sechs radele ich heim. Es regnet. Der erste Regen danach. Er fühlt sich gut an.

22 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

1. Herzlichen Glühstrumpf, Alter
2. Willkommen in meiner Welt
3. Restefickrampe? Nur nicht abheben

18/8/06 21:01

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

1.: Dicksten Dank!
2.: Schöne neue Welt!
3.: Ich hatte mit dem Rest ja nix zu tun. :)

18/8/06 21:04

 
Anonymous Anonym meint...

1. Jetzt kommts dicke für Deutschlands Journalistenkonkurrenz!
2. Nö, ne scheue Welt.
3. Das sagen sie alle:)

18/8/06 21:29

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

1.: Das wage ich bislang noch zu bezweifeln (Henri-Nannen-Schule wollte ja schonmal nicht :))
2.: Scheu kann auch schön sein.
3.: Was sollten sie auch sonst sagen?

18/8/06 21:32

 
Anonymous Anonym meint...

1. Solang du nicht auf die Hanni & Nannen Schule willst, wird alles gut.
2. Scheunen-Abend noch wünsch ich
3. Genau das zum Beispiel..

18/8/06 21:35

 
Anonymous Anonym meint...

denn prost. du hast es dir verdient. aber doch sicher mehr, als restef***en, oder?

aber trinken, wie ein scheunendrescher frißt, gute idee.

18/8/06 22:12

 
Anonymous Anonym meint...

Hallo Lieblingsossie,

wenn alles so klappt mit dem gelben Trikot usw. wie ich es vorausgesagt habe, schenkst du mir dann den DONNERKNIPSEL ?

Mir hat noch niemand ein Wort geschenkt und ich müßte mich dann nicht länger als Dieb fühlen.

19/8/06 09:19

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Der Donnerknispel wächst an Gebüschen (die nett aussehen und nicht zu teuer sind) ni schattigen Heidegegenden. Meinen habe ich aus der Nähe von Munster, von einem Truppenübungsplatz, auf den ich geschlichen bin, als sonst keiner da war. :) Donnerknispel wächst ja in der Öffentlichkeit. Aber wenn Du willst, kann ich Dir auch mal einen pflücken, damit Du einen geschenkt bekommst...

19/8/06 11:13

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@Ulf: UM MIT MISSVERSTÄNDNISSEN AUFZURÄUMEN:

Ich war nur in der Mocambo Bar und habe zwei Bier getrunken. Mehr wollte ich nicht. Gesprochen habe ich nur mit dem Barkeeper zwecks Bierbestellung. Den Rest habe ich in Ruhe gelassen, auf den Rest hatte ich auch keine Lust. Ich war ja einzig in dem Laden, dem ansonsten der "RFR"-Ruf vorauseilt...

19/8/06 11:16

 
Anonymous Anonym meint...

glückwunsch! und: respekt: würdige atmosphäre!

19/8/06 12:12

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@lucky: Danke.

Und die Caps-Lock Taste.... herrje. Nicht aufgepasst.

19/8/06 12:17

 
Anonymous Anonym meint...

@ole: das sagen sie alle... *g*

Und die CapsLock-Taste gehört abgeschafft...

19/8/06 12:24

 
Anonymous Anonym meint...

glückwunsch! fühle mich nicht mehr allein (nicht wegen dem restefick-, sondern wegen dem magister-ohne-gscheiden-job-ding). grüße aus hanni-und-nanni-land,

p.s. und schaffma den bindestrich gleich mit ab!

19/8/06 14:58

 
Blogger Mephistascripts meint...

"Sätze wie Besetztzeichen"...uuh, das macht mal Gänsehaut im Innern des Kopfes.
Hochachtung und Prost.

20/8/06 00:31

 
Anonymous Anonym meint...

Glüchwunsch auch von mir.
Ein wahrlich schöner befreiter Text. Cheers!

20/8/06 15:05

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@miss pringle: Wäre das Leben - so ganz ohne Binde- und Gedanken-Striche - nicht auch etwas öde? :)

Ansonsten: Willkommen im Club. Irgendwie. :)

21/8/06 01:32

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@Ulf: Du sagst es!

21/8/06 01:33

 
Blogger Scheibster meint...

Ich sage "Prost!" und herzlich willkommen am Ende der Leiter.

Vor sich sehen Sie den Anfang der nächsten... ;-)

Aber vorher gilt: Feiern, bevor es nur noch Reste zu F..., äh, Trinken gibt!

21/8/06 11:16

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Ein paar Sprossen sind im Februar mit den mündlichen Prüfungen ja noch zu nehmen. Aber in der Zwischenzeit dürfte für auch für die ein oder andere uniferne Sache Zeit sein. :)

21/8/06 11:26

 
Blogger viktorhaase meint...

diese gaststätten züchten ja immer auch ihre eigenen originale. so was gefällt.

21/8/06 12:31

 
Anonymous Anonym meint...

Auch ich gratuliere. Zur Abgabe, zum Text und zu Formulierungen wie "Stimmen wie Besetztzeichen".

21/8/06 15:35

 
Anonymous Anonym meint...

schöner text.
sowas hätte ich vll. auch machen sollen damals. ich habe mit feierterminen bis zum sommer gewartet, aber irgendwie wollte keiner. die einzige verbliebene busenfreundin weilte auch gerade in afrika. also hab ich mich allein mit einer flasche wodka komatös geprostet. dabei habe ich die ideale kneipe um die ecke, die "tabu-bar". lauter abgestürzte existenzen. meine kumpels in spe. ;)

22/8/06 12:48

 

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