Freitag, August 04, 2006
Einige Meter unter meinem Bett haben sie die Nacht in die Flucht geschlagen. Britzelnde Flutlichtmasten verjagen die Dunkelheit. Ein futuristischer Maschinenpark durchlärmt die Nacht und zertrampelt den kleinen Zeitraum, in dem die Stadt sonst friedlich und still daliegt, in sich ruht und schläft. Rundumlichter kreiseln sich schwindelig. Sie kleben eine neue Haut auf die Verkehrsader unter meinem Fenster. Die Fräse wetzt die Krallen. Sie kreischt, als ihre Sägezähne sich in den altersmüden Asphalt keilen und ihn in Bröckchen zerhacken! Ratsch! Einige Meter weiter kippt die Teermaschine schwarze, stinkende Brocken ab. Es dampft. Süßlich stechende Wolken schweben empor und klettern durch die Fensterritzen. Die knatternden Dieselmotoren der Radlader heulen auf. Der Schalldämpfer am Auspuff ist bereits in Frührente geschickt worden. Ersatz scheint noch nicht in Sicht. Dann bebt der Boden. Mit meilentiefem Dröhnen malmt die Walze über den noch klebrigwarmen Asphalt. De profundis declamo ad te domine. Alles zittert unter der tonnenschwer vibrierenden Last. Zwei Gläser auf Deinem Schreibtisch klirren aneinander. Die lose Schubladenklappe Deines Unterwäschefachs klappert. Die Schallschutzfenster bibbern und schwenken weiß. Kurz atmen die Maschinen durch, gönnen Dir ein, zwei Minuten Ruhe. Dann kreischt die Fräse von Neuem. Der Rückwärtsfahrsensor der Walze lässt gelle Piepstöne zucken. Das Scharren auf Teer, das Rappeln, Klappern, Dengeln, Kratzen, Schaben und Hämmern hat Deine Nerven poliert. Sie glänzen blitzblanker als Tafelsilber. Du wälzt Dich zwischen den Kissen hin und her. Schon die vierte Nacht in Folge machen die Straßenarbeiter auf der Kreuzung unter Dir zum Tag. Verzweifelte Sehnsucht nach Schlaf bricht sich Bahn. Und irgendwann entschlummerst Du doch, ehe Du am nächsten Morgen gerädert aufwachst, müdigkeitstrunken den halben Kaffee neben die Tasse kippst und Dir das Herannahen des Tages ersehnst, an dem die Kreuzung unter Deinem Fenster nur noch Kreuzung und keine Baustelle mehr ist.
25 Wortmeldung(en):
magste vielleicht ein paar lustige gelbe ohrstöpsel geschickt bekommen? die meinigen haben eine strippe, damit ich sie beim gamelan-geschepper auch umhängen kann :-)sehr praktisch, arbeitsschutz-material von papi.
4/8/06 13:04
Gegen die Vibrationen helfen die Ohrstöpsel zwar nicht, aber der Lärm sollte in der Tat erträglicher sein. Außerdem ist es dann nicht so laut, wenn man in letzter Verzweiflung aus dem Fenster auf die Bauarbeiter schießt. :-)
4/8/06 13:05
Sag ich nicht nö. ;) Auch wenn's angeblich anfang nächster Woche vorbei ist. Insofern lohnt der Aufwand vielleicht gar nicht. Ein großes "Danke" gibt's in jedem Fall!
4/8/06 13:06
@scheibster: Bis jetzt habe ich auch noch nichts zum Schießen, nur zum Werfen. Aber selbst da wäre nichts dabei, was nachhaltigen Eindruck in Form von Explosionen und ähnlichem hinterlassen könnte. ;)
4/8/06 13:07
haste dein schlagzeug noch? ich nehm die stöpsel, seit ich vom kajar ans ceng-ceng gewechselt bin, die kleinen metallbecken, die so laut scheppern. man muss seine gesundheit vor der eigenen musik schützen :-)
4/8/06 13:11
Drumset steht in Ostfriesland! Ich stopf mir dann aber ja auch Gehörschutz rein. Einen leisen Höhenverlust auf Grund von zu beschwingt-lautem Grooven in früher Jugend muss ich ja leider eingestehen. Weitere Verluste sollen hier vermieden werden. :)
4/8/06 13:16
Ui. Da hüpf ich doch lieber zur nächsten Dönerbude. Hüpf. Hüpf, hüpf...
4/8/06 13:42
Wird da weniger gebaut und gelärmt? ;)
4/8/06 14:40
Uiuiui Tiffy...sehr geil geschrieben, leisen Respekt, der Nerven wegen.
4/8/06 14:59
Immer wieder das gleiche: Man kann rufen, wie man will, bei dem Baulärm hört einen der Herr Domine einfach nicht. Vielleicht hat er Ohrenstöpsel drin. Das wäre überhaupt eine gute Erklärung.
4/8/06 15:05
Ob Lichtsignale helfen könnten?
4/8/06 15:07
Ich fürchte, er trägt lichtdichte Augengläser mit 122 Dioptrin.
4/8/06 15:24
Pittoresker hat wohl noch niemand den Lärm einer Baustelle beschrieben. Da möchte man doch fast auch eine haben.
4/8/06 15:24
Danke, Großer! Obwohl der Nordstrand unbebaustellt garantiert um Ecken lebenswerter ist. Aber vielleicht kann Baustellenlärm Sommergrippen vertreiben?! ;)
4/8/06 15:27
@markus: Ach Herr, je! Mist!
4/8/06 15:28
Vor meiner derzeitigen Unterkunft beginnt der Baulaerm jeden Morgen um 8:05 Uhr. Puenktlich...und das in Spanien. Ohrstoepsel helfen bei den duennen Fenstern nicht. Das macht sich besonders gut, wenn man nach spanischer Art bis frueh um 8 feiern ist und die Bauarbeiten auch am Sonntag (hallo? Sonntag!!! Sonntag arbeiten in Spanien? im August? frueh?) fortgesetzt werden. Ich laufe wie ein Zombie durch die Gegend. Seit ca. 2,5 Wochen. HILFE!
4/8/06 15:28
Verbrennt man sich da brennglasmäßig nicht die Augen?
4/8/06 15:28
Erlebst Du grad die spanische Revolution, Dolce Vita? :) Gute Besserung jedenfalls!
4/8/06 15:29
sach mal, die arbeiter, die da eine neue haut auf die verkehrsader kleben: die sind so hansaplastmäßig orange ...
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DOCH WOHL NICHT ETWA SCHLEICHWERBUNG HIER, WIE?
4/8/06 16:38
ALLES NIX GEGEN ZUKÜNFTIGE TISCHTENNISWELTMEISTER/INNEN IM HINTERHOF!
4/8/06 17:15
Mein Beileid. Tip: Ausweichquartier suchen. Ausschlafen. Sonst reißen die blankpolierten Nervenfäden womöglich noch!
5/8/06 14:43
Da würde für mich der Teer auch nicht mehr süßlich riechen sondern nur noch ekel erregend stinken...
5/8/06 17:07
@und³: Schleichwas? Hansa ist der Ring, an dem ich wohne und das Pils, was zuweilen meine Kehle hinabperlt. Ansonsten ist hier auch nix mit Werbung außer den blöden Aufpoppbannern, die ich nicht verbannt bekomme.
5/8/06 17:45
@mlle händel: Lärmen und stinken die auch so? :)
5/8/06 17:46
baustellen sind super. aber besonders super sind bauarbeiter. morgens um sieben wird erst mal blech zugeschnitten, wänder werden eingerissen bevor man dann um 8:00 uhr erstmal frühstückt um anschließend sich ausschlielich geräuscharmen tätigkeiten zu widmen, wie briefmarken aufkleben oder zehenzählen.
6/8/06 13:40
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