Freitag, März 02, 2007

Der Weisheit letzter Schließmuskel umklammert einen musikalischen Stock

Spätestens seit John Cage hat der Zufall in der Musik ja ein großes Zepter bekommen. Und auch, wenn ich eigentlich fast ausschließlich Musik von Scheiben höre und vergleichsweise selten den Rechner dafür nutze (es sei denn für Neuentdeckungen), beuge ich mich nun dem Zufall und lasse ihn entscheiden. Denn mir ist ein Stock in den Kapuzenpulli geflogen von Frau Mephista. Und den dareingeritzten Forderungen beuge ich mich gern. Der persönliche Zufalls-Soundtrack meiner Geschichte. Folgendes war meine Aufgabe:

1. Öffne deinen Musicplayer (iTunes, Winamp, Media Player, iPod etc.)
2. Stelle ihn auf Shuffle/Random
3. Drücke “Play”
4. Schreibe für jede Antwort den Songtitel, der gerade gespielt wird, auf
5. Drücke für jede neue Frage den “Next” Button.
6. Lüge nicht und tue so, als ob du cool wärst… Tipp’s einfach ein!"

Schauen wir nun, was der Zufall sich für meinen persönlichen Soundtrack ausgedacht hat.


Vorspann:
Guillemots - Little bear
Spätromantische Streicher, ein windschiefes Klavier, heimliche Hintergrundgeräusche und eine Stimme wie Kristall. Ein zauberschöner, ruhiger Song voll überraschender Wendungen. Der Zufall mag den stillen Beginn und er pickt sich gleich zu Beginn den Opener des vielleicht mit Abstand besten Albums aus dem vergangenen Jahr (das ich zum Zeitpunkt meiner Jahrescharts selbst noch kaum kannte). Sehr passend, Doktor Zufall.

Aufwachen:
Small Faces - Ogden's nut gone flake
Psychedelische Rockschwaden fegen Dich aus den Federn. Hier geht es eher um Tabakflocken, Du selbst reibst Dir die Augen und denkst an Cornflakes. Oder drehst Dich wieder um, doch dann zwickt Dich der frische Schmiss der Small Faces wieder in die Seite und hält Dich am Ende doch vom Weiterschlummern ab.

Erster Schultag:
Ben Folds Five - Boxing
Einen absolut grandiosen Song vom Ben Folds Five-Debüt beschert der Zufallsgenerator dem ersten Schultag. Einen Bezug zum Thema herzustellen, gelingt, wenn, höchstens über Gewalt an Schulen. Aber eigentlich geht es in dem Song ja um ganz Anderes.

Verlieben:
Björk - It's oh so quiet
It don't mean a thing, if it ain't got that swing... nach zärtlichem Anschleichen und heimlichem Ausspähen pirscht man sich aneinander und explodiert in gemeinsamer Ekstase. Oder so. Riesennummer.

Das erste Mal:
Get Up Kids - Ten minutes
Keine Ahnung, wie lange mein erstes Mal gedauert hat. Wie eine lustberauschte Ewigkeit fühlte es sich an. Vielleicht wäre auch schon vor dem zweiten Refrain dieses Emorock-Klassikers das Werk vollbracht gewesen. Zeit und Raum geraten bei leidenschaftlichen Initiationszündungen ja schon mal aus den Fugen.

Kampflied:
At The Drive-In - Napoleon solo
Fast hätte ich mit "Hannes Wader singt Arbeiterlieder" gerechnet. Nun also die wilden Wuschelköpfe aus den Staaten. Allein, solo quasi, hätte Napoleon, der alte revolutionäre Kriegskopf, allerdings wohl keinen seiner Kriege gewonnen.

Schluss machen:
Brad Mehldau Trio - Exit Music (for a film)
Ein traumhaftes Original, ein mindestens ebenso berückend schönes Jazz-Klaviertrio-Cover. Wunderschön. Und für einen Abschied ja fast schon zu programmatisch. Den Zufall sticht der Hafer.

Abschlussball:
Anton Bruckner - 7. Sinfonie E-Dur, 2. Satz Adagio
Ein Wahnsinnsstück Musik, gigantisch! Nur: Wenn man irgendwozu nicht tanzen kann, dann hierzu. Das taugt - wenn - höchstens, um im Anschluss mit der Tanzballparterin sich einem leidenschaftlichen Sinnesrausch hinzugeben oder die Trübsal der Abfuhr in meilentiefen Tränen zu ertränken. Selbst waldorfsche Eurythmie-Spezln und Ausdruckstanz-Experten dürften hier an ihre Grenzen geraten.

Nervenzusammenbruch:
Death Cab For Cutie - Styrofoam plates
Der Zusammenhang zwischen Nervenzusammenbrüchen und Styroportellern ist ein kryptischer. Die Wissenschaft rätselt noch.

Autofahren:
Weakerthans - Our retired explorer (dines with Foucault)
Bis zum Südpol bin ich nie gefahren mit dem Auto. Bis zum Nordpol auch nicht. Mit Pinguinen habe ich ebensowenig diniert wie mit Michel Foucault. Aber tatsächlich sind die Weakerthans immer wieder hochwillkommener Autofahrsoundtrack.

Flashback:
Kelvynator - Undercover FBI
Donnerknispel, wie lange habe ich den Song nicht gehört? Und tatsächlich, er weckt Erinnerungen. Die Reise nach Minsk im düsteren Herbst 1994. Braunkohleschwaden, karge Birken, der Sturz in die Kanalisation, strahlende Pilzschnitzel, das stumme Grauen in Chatyn, die Seltsamkeiten der weißrussischen Hauptstadt und seiner Markthalle...

Wieder zusammenkommen:
The Kooks - She moves in her own way
Ich bin mit keiner meiner Freundinnen zusammen gezogen. Und nun will sie - nach zwischenzeitlicher Trennung - sogar gleich auf ihre eigene Weise einziehen? Wohl eher nicht. Immerhin bewegt sie sich auf ihre eigene Weise. Vielleicht auf mich zu.

Hochzeit:
The Beatles - Revolution Nr. 9
Es werden umstürlerische Ehejahre, scheint's. Nach Napoleon nun die pilzköpfige Revolution. Und klangchaotische. Rückwärts und Vorwärts miteinander in famosem Bandschleifensalat. Aber weißes Album zum weißen Hochzeitskleid passt ja auch wieder. Irgendwie.

Geburt des ersten Kindes:
Mardi Gras BB. - Psychoflute
Mit groovigen Pauken und Trompeten, Schmiss und Schmackes wird der Nachwuchs in der Welt begrüßt. Hat was.

Endkampf:
Benny Goodman - Sing, sing, sing
Und es geht schwungvoll weiter. Was immer auch der Endkampf sein soll (Obermotz abmurksen?), er wird mit Swing im Blut gegen die Wand rasen.

Todesszene:
Henry Purcell - Lord, how long wilt thou be angry?
Seufzende Chorklagen, barocke Tieftrauer. Schwarze Harmoniefolgen liegen über der Todesszene. Wie lange die Götter wütend sein werden? Keiner weiß es. Gewundert hätte mich inzwischen auch nicht, hätte der Zufallsgenerator "Isoldes Liebestod" gewählt.

Beerdigungslied:
dEUS - Serpentine
Reduziert auf ein Minimum, leise, zurückgezogen und weltentrückt. Es wird ein stiller Abgang, scheint's. Aber ein wunderschöner.

Abspann:
Nick Cave & The Bad Seeds - 15 feet of pure white snow
Am Ende bleibt die Schauerromantik. Ein Hauch von "The Shining", herzerwärmende Düsternis. Kein frohlockendes Ende. Wobei: Nur diesmal. Schon beim nächsten Mal hätte der Zufall wahrscheinlich völlig andere Nummern zu einer ganz anderen Geschichte verquirlt. Die Hoffnung bleibt.

Wer hierzu auch Lust hat, möge sich den Stock einfach mitnehmen. Gerade weil ich lange Handball gespielt habe und ich niemanden verletzen möchte, werde ich ihn nicht selbst weiterwerfen. Könnte gesünder für alle Beteiligten sein. Interessieren würde mich die Sache schon beim MC, beim Burnster, bei Uli und Ally . Da ich aber gerade beim Letzteren um die Holzscheitphobie weiß, werde ich mich auch hier unterstehen, irgendwomit um mich zu schmeißen.

13 Wortmeldung(en):

Blogger viktorhaase meint...

aber: entscheidend ist, was oben reingeht!
sagt der haase, der einen zu hohen cholesterin- und harnsäurespiegel hat.

2/3/07 13:23

 
Blogger Mephistascripts meint...

Herr Ole...Sie schweifen ab.

2/3/07 13:33

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@viktor: Die inneren Werte sollte man nie aus dem Auge verlieren.

2/3/07 17:17

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@mephista: Wohin?

2/3/07 17:19

 
Blogger Mephistascripts meint...

Nee, weil wegen vorher...als da nur ein Satz stand...Donnerwetter, ich kannte nur zwei Lieder, wie endpeinlich. Unfassbar vielen Dank fürs Machen!

2/3/07 17:31

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Immerhin. Und: Gern.

2/3/07 17:46

 
Anonymous Anonym meint...

Schöner Soundtrack, wie nicht anders zu erwarten.
Ich werde das Stöckchen in ein paar Wochen mal auflesen, wenn ich dann meine komplette CD-Sammlung auf Festplatte habe. Ich schwitze jetzt schon, dass nicht die ganz peinlichen Sachen in die Liste flutschen, denn die sind dann ja auch möglich. ;-)

3/3/07 11:27

 
Anonymous Anonym meint...

yay! ich darf wieder so tun als wär ich cool! :) wird mit kleinen und schmerzhaften schritten vollzogen. genau.

3/3/07 14:16

 
Anonymous Anonym meint...

Oh...der Stock flog...in den Kapuzenpulli. Schön, Mr. Snowplug! :)

3/3/07 16:21

 
Blogger Ulrike meint...

Leise Abgänge sind ja nichts verwerfliches. Man denke nur an die lauten und seit Jahren dauernden Abgänge der V, W, X, Y und Z-Stars aus diversen BigBrother/Popstars/DSDS-Staffeln!

4/3/07 16:32

 
Anonymous Anonym meint...

Herrlich! Die "Something To Write Home About" erlebt bei uns in der Wohnung sowieso grade ihren zweiten Frühling. Und dann auch noch "Ten Minutes". Schöner war Indie-Emo nie und wird es nie wieder werden.

Ich lass den Stecken mal vorerst liegen. Hab nämlich grade keine Zeit, was zu schreiben. Komm mit meinen Themen kaum hinterher. Dennoch lieben Dank!

4/3/07 22:36

 
Blogger Scheibster meint...

Eine Liste so unerwartet wie erwartet.

Aber ich kannte immerhin drei oder vier Stücke. Ich bin auf dem richtigen Weg. :-)

5/3/07 11:28

 
Anonymous Anonym meint...

Ha!
Bei mir begleiteten dEUS mein "Leben" (ich hatte wohl ne andere Variante des Stöckchens) mit "Jigsaw You".

Dafür musste ich zu Bob Dylans "The Man in me" sterben.

Lalalala laa
ühhh hüüüü... lalalalalaa.

6/3/07 11:34

 

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