Mittwoch, Juli 18, 2007
Ich habe über Jahre hinweg in meinem Zimmer Fußbälle gegen die Wand über der Eingangstür geschleudert, um mit Hechtsprüngen die Abpraller aus der Luft zu pflücken. Stundenlang. Unablässig. Auf's Bett geschmissen habe ich mich. Der Lärm dröhnte durch's Haus. Das Lattenrost bog sich jedes Mal vor Schreck, Entsetzen und Empörung über solch unsanfte Behandlung. Meine Eltern haben enormen Gleichmut bewiesen. In jeder Grundschulpause drängelten wir uns vor dem kleinen Sportgeräteraum neben den miefigen Toiletten, um uns die Pille aushändigen zu lassen, und alsbald flog ich durch die ostfriesische Morgenluft, um die Angreifer der gegnerischen Mannschaft mit Flugparaden zur Verzweiflung zu bringen. Nun regnet es in Ostfriesland häufig, gerade in Herbst und Winter. Wo gehobelt wird, fallen Späne, wo Regen ist, entwickelt sich Schlamm, und wer fliegt, landet auch irgendwann. Oft mit den Knien zuerst, manchmal bäuchlings. Klatscht auf den Boden. Spätestens nach der zweiten großen Pause trottete ich nach erfolg- und manchmal auch verlustreichen Schlachten ziemlich dreckverschmiert zurück in den Unterricht. Meine Hose glich oft einem Golfplatz nach einer Flutkatastrophe – nass, matschig, voller Löcher. Meine Eltern haben großen Gleichmut bewiesen. So gut es ging. Es ging nicht immer. Verständlicherweise. Die Waschmaschine litt wortlos, erlitt irgendwann ein Schleudertrauma. Erst nach der Grundschule, als ich täglich ein paar Kilometer weiter zur Orientierungsstufe radeln musste, wo es auf dem Schulhof keinen Fußballacker gab und ich meine Leidenschaft für Tischtennis entdeckte, konnte die Waschmaschine aufatmen. Geschwächt war sie indes schon. Wenig später gab sie auf. Wir bekamen eine neue. Zu ihr war ich, inzwischen ein wenig gereift, gnädiger.
26 Wortmeldung(en):
ich fiel mal ins schulbiotop, habe also ebenfalls schlammerfahrung.
18/7/07 10:18
Ich habe in meinem 12qm-Kinderzimmer gegen die Wand Tennis gespielt. Es war die Wand zum Arbeitszimmer meines Vaters. Das ging häufig gut.
18/7/07 17:30
Ich hatte Verbot am Schulbiotop, nachdem ich in den Teich gefallen war. Ich glaube, ich war das einzige Kind an meiner Grundschule, das nicht mehr ans Biotop durfte. :(
18/7/07 20:52
ein sommermaerchen.
nath
19/7/07 05:52
Meine Vorliebe für Schlammschlachten beschränkte sich auf Damenringkämpfe.
19/7/07 08:56
Beliebt waren zu meiner Grundschulzeit Schlammschlachten unter Mädels. Ein jähes Ende fand meine Beteiligung durch eine Strafarbeit. Ein ganzes Heft vollschreiben mit dem Satz: Ich darf meine Mitschülerinnen nicht durch den Dreck ziehen.
19/7/07 12:45
ole, ole. wie kannst du mich so erschrecken? bei der überschrift dachte ich, jetzt kommt ein stammtischtext ;-) aber dann wurde es schlammdischtext.
in kindernzimmern gegen die wand ballern mit jeglicher art von ball, scheint eine weit verbreitete betätigung gewesen zu sein. ist das heute auch noch so? müssen wir wohl mal die bloggenden eltern fragen...und die werden ja immer mehr.
19/7/07 13:54
Oh Nachsichtiger, der Du zum Tischtennisflieger wurdest. Hoffentlich folgt nicht noch der Gurkenflieger
19/7/07 21:23
Eine Waschmaschine im Schleudertrauma - große Klasse! Es wird Zeit, das Schlammtischtennis aus dem Matsch zu heben.
20/7/07 14:35
ich bin junges mädel mit 12 oder 3 auch mal geflogen. wir haben im kunstturnen sprungrolle über die anderen mädchen geübt, damit wir weit nach vorn kommen. habe im flug festgestellt, dass ich nicht mir über meine damals beste freundin drüberkomme. habe mich nach links gehechtet. freundin blieb heil. mein schlüsselbein nicht. und die trainerin hat zuallererst gesagt: "das kommt davon, wenn man sich zuviel zutraut". da hab ich aufgehört mit kunstturnen. is jetz nich soooooooo ne romantische retrospektive. dafür kann ich sagen, dass meine mutter seit der wende (16/17 jahre) dieselbe, damals schon gebraucht gekaufte, waschmaschine hat.
20/7/07 20:37
Was denn für eine Pille?
21/7/07 08:41
oh, wie das kenne. allerdings hörte das martyrium für unsere waschmaschine erst auf, als ich meine liebe zu legalen und illegalen rauchwaren entdeckte und meine bänderchen einfach nicht mehr mitspielen wollten und statt stramm und elastisch ihren dienst zu verrichten, nur noch lässig im knöchel rumhingen. da war mit fussi endgültig schluss. ich geb übrigens gerade mit meinem spektakulären bürofenster an. hehe.
21/7/07 15:29
Wo gehobelt wird, fallen Späne–
sicher, besonders wenn der hobler der eigene vater ist!
mein vater der hobbyhobler!
nicht nur das – auch der hobbysäger, hobbynägeleinschlager, hobbyglasschneider, hobbyblechdachmontierer...
späne überall!
was hätte ein mädchen in seiner werkstätte – überreich ausgestattet – zu suchen gehabt?
nichts!
ich – dieses nichts (das nichtmädi, nicht das lichtmädi, was wohl hiesse: engelchen: sagte er je: du mein engelchen! zu mir?)!
ich also, die weder in eigenregie hobeln durfte, auch nichts sägen und schon gar nicht nägel einschlagen.
natürlich schlug ich welche ein – ich wurde eine begnadete naglerin, in seiner abwesenheit.
hobbyhobler, hobbysäger... widmen ihrem geliebtem hobby ihre ganze freizeit!
meine freiheit bestand darin, dass ich vorher dran war, also in diesem spalt zwischen meiner schulrückkunft und seiner heimkehr nach arbeitsende.
schnell die hausübungen, dann in die werkstätte.
auch umgekehrt.
ohne dass er – mein hobbyhoblersägervater – das wusste, nach dieser exzessiven nägelverbrauchsphase.
die war natürlich schnell vorbei.
seine nägelkiste wurde sehr leer
zu dumm, dass ich meine schönen nägelbretter nicht verkaufen konnte!
damals war ich acht oder neun.
und ich konnte noch sehr gut meinen jungfräulichen kleinmädchenschrei.
wenn mir etwas nicht passte (was passte mir damals schon?), blieb ich stehen und schrie.
rührte er mich an, schrie ich (im wörtlichen sinn) wie am spiess.
ich höre diesen schrei noch immer.
er ist entsetzlich, weil er in mir sozusagen lebt.
ich brauche nur meinen blick hin zu dieser kleinmädchenvergangenheit wenden – und schon höre ich meinen unnachahmlichen sirenenschrei – schrill, sägend, hobelnd!
MARIASPILUTTINI
22/7/07 09:39
@mch: Das kann im Leben noch immens wichtig werden.
23/7/07 00:13
@nachtschwester: Tennis gespielt habe ich auch einige Zeit lang, war aber für den Geschmack meines Trainers zu stark mit Dauerversuchen beschäftigt, den Mond mit Tennisschlägern vom Himmel zu schießen. Dies war ein Vorhaben, was sich zudem im heimischen Zimmer schlecht trainieren ließ. :)
23/7/07 00:16
@aleppofrau: das ist bitter. das ist soooo bitter...
23/7/07 00:18
@nath: ein kleines vielleicht.
23/7/07 00:18
@opa: Prioritäten setzen ist ja auch wichtig.
23/7/07 00:55
@sabbeljan: Ich bin auf Antworten gespannt. Auch auf meine Gegenfrage, was für eine Art Stammtischtext Du denn ursprünglich vermutet hast. :)
23/7/07 00:56
@sillerbetrachter: Was sind denn das für schmutzige Pädagogenmachenschaften? :)
23/7/07 00:57
@maria spillutini: Ich hatte mit vielem gerechnet, hiermit aber nicht. Verwirrend groß. Danke. :)
23/7/07 01:03
@viktor: Ich hab kein Büro. Ich habe keine spektakulären Fenster. Gegen mich haste leichtes Spiel. :)
23/7/07 01:04
@ich bin erkältet: Frühkindliches Doping.
23/7/07 01:06
@michael: Nöstlingers Gurkenkönig bin ich zumindest bislang noch nicht geworden. :)
23/7/07 01:07
@rulla: Meine Eltern haben auch seit damals immer noch dieselbe Waschmaschine. :)
23/7/07 01:08
@mq: Schlammstrandvolleyball soll in diesem verregneten Sommer ja seine Renaissance erleben...
23/7/07 01:09
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