Samstag, Februar 02, 2008

Unter finstren Wolken

Sturm peitschte Wellen gegen die Kaimauern am Hafen. Regenkaskaden stürzten abwärts, prasselten auf das Pflaster. Die Menschen duckten sich in ihre Kapuzen, so sie welche besaßen, und vergruben selbst ihre Nasen unter den hochgezogenen Jackenkragen. Das alte Feuerschiff schaukelte leicht, in Blumenrabatten reckten die ersten Schneeglöckchen ihre Knospen aus der Erde. „Man müsste Euch umbenennen“, murmelte Wulnikowski, als er sie erblickte und mit dem Zeigefinger an den kleinen Blättern entlangwischte. „Es schneit ja kaum mehr.“ Fast schienen sie zu nicken, und doch war es nur eine Böe, die an ihren gebogenen Hälsen zog, zerrte und drückte.

Wulnikowski buddelte nach einer Plastiktüte in den Innentaschen seines Mantels, um seinen Pappkoffer darin einzuwickeln. Der drohte, aufzuweichen. Gedankenverloren schlurfte Wulnikowski den Kai entlang, unterhalb der reglos thronenden Löschkräne, denen der Sturm zwischen den rostigen Stahlbeinen hindurchpfiff. Eine Entenfamilie bummelte zwischen den wogenden Wellen umher. „Ist das ein Scheißwetter, finden Sie nicht?“, krähte ihm eine hutzelige Alte aus dem Kopfloch ihres Gummi-Ponchos entgegen. Wulnikowski zuckte mit den Schultern, lupfte seinen Hut zum Gruße ohne ein Gespräch zu beginnen und bog ab in die Ritterstraße. Führwahr: Gemütliches Spazierwetter ging anders. Am Frühstückstisch zu sitzen, Brötchenkrümel mit dem Finger aufzulesen und sich einen erfrischenden Fußmarsch vorzustellen, hatte mehr Spaß gemacht. Zumal die rechte Fußspitze, wo einst sein großer Zeh gelebt hatte, sich als sehr kälte-empfindlich zeigte.

Ohne konkretes Ziel schlenderte Wulnikowski über das Trottoir. Ein Hund zitterte im eisigen Wind, als er sein Geschäft unter einem Briefkasten verrichtete. Ein Herr im Trenchcoat wurde beinah von einem Wäscherei-Lieferwagen überfahren, als ein Windstoß ihm das Haarteil vom Kopfe riss und munter durch die Luft schleuderte. Sonst passierte nicht viel, doch brachen die Wolken völlig auseinander und es begann derart wild zu schütten, dass auch Wulnikowski seine Spazierlust allmählich beargwöhnte. Zu seiner rechten erhoben sich die düsteren Gemäuer des Amtsgerichts mit dem Säulenportal und den schweren Holztüren. „Ob es drinnen ähnlich grimmig aussehen mag?“, fragte Wulnikowski sich. Noch nie hatte er ein Gericht betreten. „Zumindest dürfte es nicht hineinregnen.“ Und so schlurfte er die steinernen Treppen hinauf. In Vorfreude darauf, kurzzeitig den Regenmassen zu entfliehen und gespannt darauf, was ihn erwarten mochte.

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11 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Darauf bin ich auch gespannt.

2/2/08 23:55

 
Anonymous Anonym meint...

Ob der gleißenden Sonne hier hab ich grad äußerste Schwierigkeiten mich in Wulnikowski reinzuversetzen. Schreibst Du mal wieder was mit Sonne, Ole? Einstweilen spann ich die Wäscheleine und lass das blaue Band... Ach lassen wir das :-)

3/2/08 12:03

 
Blogger Etosha meint...

Ich dagegen habe trotz des Sonnenscheins überhaupt keine Probleme, mich in die Regenszene zu versetzen. Schöner gemalt geht ja wohl nicht. ;)

'beargwöhnte'? Wunderbar! ;)

4/2/08 09:59

 
Blogger mq meint...

Hoffentlich hat Wulnikowski Kafka gelesen.

4/2/08 16:34

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@mq: Er hat keinerlei Prozess-Anschaffungskosten gescheut. :)

4/2/08 17:21

 
Anonymous Anonym meint...

Nasser Text, hängt aber nicht durch und mir wird beim Lesen nicht klamm.

4/2/08 21:51

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@fusilli: Klar. Schließlich mag ich die Sonnenseiten eh lieber. Aber manche Geschichten erfordern bestimmtes Wetter. Bei gutem Wetter hätt' ich Wulnikowski schwieriger ins Gericht gekriegt. :)

4/2/08 22:33

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@etosha: Dein Lob malt meine Backen rot. :)

4/2/08 22:34

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@opa: Ich ebenfalls. :)

4/2/08 22:34

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@sabbeljan: Trocken.

4/2/08 22:35

 
Anonymous Anonym meint...

jepp. wulnikowski ist mal wieder da. sehr schön!
lg sillerbetrachter

10/2/08 18:07

 

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