Montag, April 10, 2006

Im Hintergrund schnurrt's

Rattatazong.
Ich stürzte die treppabwärts. Glockenhell hatte die Türklingel einen Besucher angekündigt. Erst das zweite Klingeln hatte ich wirklich wahrgenommen, als ich auf dem Dachboden klatschfeuchte Wäsche an schlaffgespannte Nylonschnüre klammerte. Als ich nun loshechtete, um zu öffnen, übersah ich Schinken, unseren Kater, der es sich mit seinem knubbeligen Körper auf der Treppe gemütlich gemacht hatte. Ich wollte meinen Fuß noch über seinen massigen Leib hinweglupfen, blieb in der Eile aber trotz allem in seinem wuscheligen Fell hängen. Padautz.

Dingdong.
Flugs sammelte ich noch meinen Verstand und mein Schmerzempfinden vom gefliesten Flurboden auf. Beide lagen in unzählige Kleinstscherben verstreut, zerscheppert, zerdeppert, kaputt. Nun gut, den Rest könnte man später auch wegsaugen. Nur zur Vorsicht aufrufen, nicht dass jemand hineintritt.

Dingdingdong.
Ja, ist ja gut, ich komme ja schon. Ich riss ächzend die Türe auf. Ein rabenschwarz gewandeter, bulliger Herr stand in strömendem Regen davor und kippte einen großen Schwall Wasser auf seine linke Schulter, als er seine Chaplin-Gedächtnis-Melone zum Gruße vom Kopf hob. Sein Kinnbart troff. „Ahoj. Pugardnik. Pavel Pugardnik“, raunte mir der furchteinflößende Herr mit seinem immensen Bass entgegen, das „r“ ließ er dabei markerschütternd rollen. „Sind Eltern auch da?“ Nur wenige pomadige Strähnen klebten auf seiner schütteren Stirn. Er zog die Schultern ein Stück weit zusammen, da sich der kalte Regen in seinen Kragen ergoss.
„Nein. Die sind zur Arbeit.“
„Ist immer gut, wenn Menschen mit Arbeit gibt.“ Doch seine Augen funkelten finster, als er das sagte, und er offenbarte eine dunkle Schneidezahnlücke, als er den Mund weiter öffnete. Regen perlte in wirren Strömen von seiner Stirn, dann flüsterte er fast. „Also bist Du ganz allein?“

Ich hielt mir das Steißbein, das sich anfühlte, als sei es zentimeterweit verrutscht. Außerdem war ich gerade barfuß in eine Scherbe meines Verstands getreten, die ich übersehen haben musste beim flüchtigen Wegfegen. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen und gab zur Antwort: „Nein, Michaela ist auch da, meine Schwester. Aber die ist gerade mit ihrem Freud… na, ist ja auch egal.“

„Mächtest Du mich nicht chineinlassen? Ich choffe, dass Deine Eltern Dir beigebracht haben, dass man Gäste nicht draußen im Regen stehen lässt.“ Ein vorwurfsvoller Blick zischte aus seinen Augen auf mich zu und brannte auf meiner Netzhaut, als er mich traf. „Ich wusste nicht, dass… na ja… dass… äh… sie Gast sind.“ „Weißt Du, dort, wocherr ich komme, gibt es Wort ‚umdrovat se’. Das cheißt sich in Irrenchaus philosophieren.“ Kalte Angst durchschoss mich. Was wollte dieser Herr von mir? Ich hatte die leise Befürchtung, er wolle mir nun eine Sterbeversicherung andrehen und mich im direkten Anschluss aufschlitzen, wie in dem Film, den ich vor dem Schlafengehen geguckt hatte.

To be continued

24 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Den letzten Satz hättest Du ruhig erst in der nächsten Episode bringen können. Dann hätte ich mich die ganze Zeit gefragt, ob es ein russischer Spion sein könnte.
Bin gespannt auf die Fortsetzung !

10/4/06 10:36

 
Blogger samoafex meint...

Hoffentlich kommt Schinken noch einmal vor!

10/4/06 10:42

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Den letzten Satz habe ich, auf Deinen Tipp hin, jetzt auch erst einmal wieder getilgt. Wer ihn schon gelesen hat, weiß mehr, aber was noch alles kommen mag, bleibt ja eh in knisterndem Dunkel. :)

10/4/06 10:50

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@samoafex: Worauf Du einen lassen kannst.

10/4/06 10:50

 
Anonymous Anonym meint...

Scheene Geschicht mit grässliche Mann, der sich bei Ole an Tire klingält. Simmer schon gäspannt wie weitergäht.

10/4/06 11:48

 
Anonymous Anonym meint...

"Scherbe meines Verstands" WOW

10/4/06 13:49

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Wänig darrfst noch zittern, Michail. ;)

10/4/06 14:26

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Mal sähen, wie geht weiterr, Frau Vivace.

10/4/06 14:34

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Alleskleber ist in solchen Fällen immer hilfreich, dolce vita. :)

10/4/06 14:34

 
Anonymous Anonym meint...

böser ole! jetzt hab ich den letzten satz verpasst und muss heute neugierig einschlafen.

10/4/06 16:00

 
Blogger kein einzelfall meint...

Ein Tscheche mit russischer Aussprache - Obacht!!

10/4/06 17:13

 
Anonymous Anonym meint...

Die Befürchtung ist unlogisch.

10/4/06 17:38

 
Blogger Pe Pe meint...

"Schinken" - ein wunderbarer Name für eine Katze. Muahahaha.
Köstlich - einfach köstlich.

10/4/06 18:37

 
Anonymous Anonym meint...

Fabelhaft! Giere ebenfalls nach der Fortsetzung.

10/4/06 20:01

 
Anonymous Anonym meint...

nicht reinlassen!

10/4/06 22:25

 
Blogger Christian meint...

Weißt Du denn schon wie`s weitergeht, Ole?

11/4/06 00:23

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@waschsalon: Vorfreudiger Schlaf ist doch auch nicht zu verachten. ;)

11/4/06 10:36

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@undertaker: Generell, an sich? :)

11/4/06 10:37

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@kein einzelfall: Man weiß ja manchmal nicht genau, wo Menschen den Großteil ihres Lebens nach der Kindheit verbracht haben.

11/4/06 10:38

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@christian: Lass Dich überraschen. :)

11/4/06 10:38

 
Anonymous Anonym meint...

Jemand, der dir eine Sterbeversicherung andreht, wird dir nicht nach dem Leben trachten. Das ist meine Erfahrung.

12/4/06 15:57

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Und einer, der nur so aussieht, als ob? :)

13/4/06 12:11

 
Anonymous Anonym meint...

Gut, dass die Fortsetzungen schon oben stehen, sonst müsste ich nun meine Spannung an die kurze Leine legen.

Ich war gestern im schwarzen Schaf... das war mal wieder ein netter Abend... ;)

16/4/06 15:46

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Freiwillig? :)

Ich war da schon ne ganze Weile nicht mehr. Die letzten Male fand ich auch eher so mittel. Aber ich mag auch blöde Abende erwischt haben. :)

18/4/06 14:25

 

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