Mittwoch, Februar 16, 2005

Waidmanns Puppenhaus

Ich denke, ich fahre niemandem an den Karren kränkbarer Überzeugungen, wenn ich sage: Es gibt vieles, wofür ich mich begeistern kann – aber ich kacke einen großen Haufen auf das Ausstopfen von Tieren. Nun trage ich nie grüne Lodenkleider, habe keine Affinität zu Jagdwurst oder Jagdhörnern und das inbrünstige imitieren von Hirschrufen überlasse ich Tasso und anderen.

Insofern erfüllt mich auch seit Jahren das Geschäft von Famile Strunk mit Befremden. Ob der Besitzer Heinz mit Vornamen heißt oder Klaus-Manfred, Horst, Siegfried oder Reiner, weiß ich nicht. Der Laden liegt eingebettet in einem unscheinbaren Klinkergebäude an der Universitätsstraße - zwischen einem Bäckercafé und einem griechischen Restaurant. Die einfach verglaste Schaufensterscheibe bietet Einblick in das vielleicht obskurste Kuriositätenkabinett des Münsteraner Einzelhandels.

Ein ganzer Raum von vielleicht zwanzig Quadratmetern ist bis an den Rand der Decke gefüllt mit toten Tieren. Ausgestopft oder skalpiert. An der Wand hängen in friedlicher Eintracht erstaunlich leblose Keilerköpfe, Hirschgeweihe und Kaninchenschädel. Ein Dachs lugt unter einem Schäferhund hervor. Sogar ein kleiner Tiger kauert stocksteif und von innen mit Stroh(?) gefüllt an der Wand. Niedliche Kaninchen, winzige Mäuse und Ratten, eine Unmenge an Fellen, Schädeln, sogar Fische! Im Schaufenster selbst tummelt sich lebloses Geflügel - Rebhühner, Wyndotten oder Schwarzhennen. Und hier kann man auch die zwei Musterbeispiele für den makabren Humor des Ladenbesitzers bestaunen.

Eine Gruppe von drei niedlichen Eichhörnchen wurde ausgestopft auf eine Eichenholzscheibe genagelt. Dann wurde einem Eichhörnchen ein kleiner Filzhut gebastelt und aufgesetzt, eins trägt eine riesige Sonnenbrille. Und allen dreien wurden klitzekleine Skatkarten in die Pfoten geklebt. "Skatgruppe 135 €". Rechts daneben das vielleicht obskurste Exponat. Ein großer weißer Hase steht aufrecht und stützt sich auf eine Krücke. Der Ausstopfer hat ihm ein Gipsbein gebastelt. Das Gipsbein ist links, auf die Krücke stützt er sich mit der rechten Vorderpfote. Das macht Sinn. Betreten habe ich den Laden nie. Auch habe ich noch nie überhaupt irgendjemanden in diesem Laden gesehen, der dann seinen jüngst verstorbenen und jetzt ausgestopften Pudel mit Geschenkschleifchen herausgetragen hätte - vielleicht als Valentinstagsgeschenk. Doch nichts dergleichen. Die Eichhörnchen spielen seit mindestens vier Jahren schon Skat, und der arme steife Hase mit der Krücke guckt genauso lange mit traurigem Blick aus der schlechtgeputzen Schaufensterscheibe. Aus irgendwelchen Gründen scheint der Laden sich halten zu können. Schaurig, nicht schön.

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