Kohlsuppentrauma oder Flatulenzfiasko
Viele Menschen essen gern und leidenschaftlich. Auch ich. Unpraktisch nur, dass nicht wenige Leckereien, die dem Gaumen schmeicheln, zugleich die Hüften vergolden. Wer ständig schlemmt, wird aufgeschwämmt. Auf lukullische Schlemmerphasen folgt insofern oft eine selbstauferlegte, darbende Fastenzeit. Einerseits, um den optischen Idealen dauerhaft zu genügen, die vom gesellschaftlichen Konsens oktroyiert werden - andererseits, um negative Auswirkungen der sinnlichen Verlockungen auszugleichen: Zurückstellen hedonistischer Bedürfnisse, eine Zeit lang weniger oder seltsame Sachen essen, damit die Umwelt nicht mehr so genau sehen kann, wie gern man sich eigentlich den kulinarischen Freuden hingibt. Zu allen Jahreszeiten wimmeln und wuseln diverse Diät-Vorschläge durch die einschlägige Fachpresse.
Nicht totzukriegen scheint beispielsweise die "Kohlsuppen-Diät". Eigentlich soll sie den Herzmuskel stärken, doch taugt sie überdies als Schlankmacher. Mit Kohlsuppen-Diät hängt nun die folgende, herrliche Geschichte zusammen, die meine Mutter mir über die Bekannte einer Bekannten erzählt hat. So oder so ähnlich hat sie sich zugetragen:
Frau K.-N. fühlte sich unwohl mit ihren runder werdenden Körperformen. Um dem abzuhelfen, beschloss sie, eine Kohlsuppen-Diät zu machen. Tage und Wochen landete nichts als Kohlsuppe auf ihrem Teller und in ihrem Magen. Wer schlank sein will, muss leiden. Das luftige Problem bei Kohlsuppe: Sie bläht.
Eines grauen Spätwintertags nun fuhr Frau K.-N. mit ihrem Mann einkaufen zu "Multi", dem großen Supermarkt in Leer. Sie steuerten ihren silbermetallicfarbenen Golf auf den Parkplatz. Dort ließ ihr Mann sie spontan wissen, dass er lieber in seiner Auto-Zeitschrift blättern und im Auto bleiben wolle. Sie könne doch auch allein in den Supermarkt springen. Sie erklärte sich einverstanden und schob den Wagen zielstrebig durch die Regalfluchten, um neues Toilettenpapier, Duschgel, Milch, Katzenfutter und nicht zuletzt Zutaten für neuerliche Kohlsuppen in den Gitterkorb des Einkaufswagens zu werfen. Innerhalb des Supermarktes spürte Frau K.-N. wie ihr peristaltischer Luftdruck stetig anschwoll. Sie versuchte sich zu kontrollieren. Doch als dieser sich trotzdem unaufhaltsam dem kritischen Punkt näherte, sann sie auf Flucht. Um keine finsteren Blicke wegen Geräusch- und Geruchsbelästigung in der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen, ließ sie ihren Einkaufswagen beim Katzenfutter prompt stehen, sauste hektisch nach draußen auf den Parkplatz, sprang in den silbermetallicfarbenen Golf und ließ mit wuchtigem Geknatter allen Druck von sich fahren.
Das Glück der Erleichterung war indes von beschränkter Dauer. Zu ihrem völligen Entsetzen stellte sie nur fest, dass sie zwar in einem silbermetallicfarbenen Golf saß. Doch starrten sie zwei völlig unbekannte, gleichermaßen angewiderte und verblüffte Augen an - die eines ihr nicht im Ansatz bekannten Mannes. Daraus ergab sich: Dies war bei aller Ähnlichkeit nicht wirklich ihr eigenes Auto. Beim heiligen Kanonenrohr: Sie war zu einem fremden Mann zum Pupsen ins Auto gesprungen.
Kreidebleich vor Panik riss sie die Wagentür auf, stürzte fort und fand wenig später den eigentlich gesuchten Wagen, in dem ihr Gatte gemütlich Bremstests blätterte.
"Fahr sofort los! Mir ist was unsagbar schreckli... ich mag es gar nicht sagen! Was, erklär ich Dir später. Frag nicht! Fahr einfach! Fahr!", herrschte
sie ihn stotternd an. Er tat wie ihm geheißen und steuerte den Wagen stirnrunzelnd vom Parkplatz hinunter.
Die leichte Ratlosigkeit über das fremdartige Verhalten seiner Frau verstärkte sich, als er einen silbermetallicfarbenen Golf bemerkte, der ihnen durch jede Abbiegung hindurch folgte und zwischenzeitlich sogar aufblendete. Er prüfte sein Fernlicht. Nichts. Nebelschlussleuchte. Auch nichts. Das Gesicht seiner Frau schimmerte immer noch blass wie Kohlsuppe. Sie hielt sich das Herz, hyperventilierte, hatte ihre Sprache noch nicht wiedergefunden. Er bog auf die heimische Auffahrt. Der seltsame andere Golf auch. Mit gequältem Lächeln entstieg dem anderen Wagen der unbekannte Herr mit den Worten: "Ich weiß nicht, wer Sie sind und ob Sie so etwas häufiger machen, aber dies ist wohl ihre Handtasche, die Sie bei ihrer merkwürdigen Aktion in meinem Auto liegen lassen haben." O Du mein japsender Jupiter!
33 Wortmeldung(en):
Eine durchaus berechtigte Frage. Vielleicht waren Mann und Frau sehr frei von Schamgrenzen, wohingegen die Schamgrenzen gegenüber fremden Personen um ein zigfaches höher waren? Man weiß es nicht.
Als ich die Anekdote gestern im heimischen "Mulligan's Pub" im Freundeskreis erzählte, hatte eine sehr gute Freundin von mir dieselbe Geschichte gehört, allerdings mit dem Zusatz, dass Frau K.-N. ihren Gatten angewiesen habe, sofort loszufahren und die Flucht zu ergreifen. Angeblich sei ihnen ein immer wieder aufblinkendes Auto gefolgt. Von Panik ergriffen fuhren sie der Theorie nach bis nach Hause, wohin ihnen auch das AUto folgte - bis auf die Auffahrt, wo dann der beiwohnende Mann des Malheurs ausstieg und ihr die Handtasche überreichte, die sie bei ihrer panischen Flucht in seinem Auto hatte liegen lassen. Insgesamt ein wenig haarsträubend die Geschichte. Ich verbürge mich nicht für die Richtigkeit, ich hab nur mitgeteilt, was ich gehört habe. :)
26/3/05 13:38
es gibt so viele tolle hobbies die man ergreifen kann, da erscheint mir das "golfpupsen" als ein wenig absonderliches.
26/3/05 14:40
neinein. merke folgendes:
autozeitschriftenlesen ist nicht immer die bessere wahl. besonders, wenn man in einem metallic-golf sitzt.
27/3/05 14:04
Ich hätte vorhin fast einen Hasen an Ostern überfahren - nachdem ich mit Johnny Depp im "Fledermausland" war. Meine umsichtige Fahrweise hat aber gottseidank alle Beteiligten unversehrt am Leben gelassen. An Ostern und auch sonst sollte man nie Hasen überfahren. Daran habe ich mich gehalten.
Ansonsten habe ich die Ankunft des Osterhasen verschlafen, aber nachdem ich gemeinsam mit meinen Eltern im Garten gesucht und gefunden hatte, wusste ich: Er war da. Er hat mir Süßigkeiten gebracht, die ich nach Ablaufen meiner vom HNO-Arzt verordneten Zuckerfrei-Diät am nächsten Wochenende dann auch wieder futtern darf, dazu eine CD-Box mit allen 9 Sinfonien von Gustav Mahler und "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" von italo Calvino - ein, wie ich hörte, grandioser Roman, den ich unwissend umgekehrt auch meiner Mutter geschenkt habe. Jetzt haben wir beide eins.
28/3/05 00:27
in der tat ein sehr schöner roman. ich nehme an, ihr habt euch die pfennigfuchserausgabe der süddeutschen ins nest gelegt.
28/3/05 13:12
Exakt!
29/3/05 10:47
ich kenn doch meine pappenheimer
29/3/05 15:44
Ich war als Neunjähriger mal mit dem Fahrrad in Pappenheim. Echte Pappenheimer habe ich nicht kennen gelernt, aber ich war auf der Burg da.
31/3/05 15:57
Können wir Sie bei Ihrem Vorhaben irgendwie unterstützen?
13/6/05 07:29
Herr Neo-Bazi, sie rühren mich. Danke. :) Aber ich glaube, in diesem Fall entscheidet nur eine Jury, welcher Text ihr am besten gefällt. Wie ich erfahren habe, gibt es auch eine andere Kategorie, wo ab Ende Juni für die besten Weblogs in verschiedenen Kategorien abgestimmt wird. Sollte Absurdistan kurioserweise unter der Ehrenauswahl landen, in der abgestimmt werden kann für den Erstplatzierten, dürfen sie gern eine Stimme abgeben für das Tagebuch Ihrer Wahl (welches auch immer das dann ist). Möglicherweise sind Sie ja auch nominiert, ohne es zu wissen. Verdient hätten es verdammt viele, weil es inzwischen doch einen ganzen Haufen großartiger Seiten gibt.
13/6/05 09:11
Na super, Ole. Wir zwei in derselben Kategorie. Das kann doch nicht gut gehen.
13/6/05 09:35
Du auch, Pe? Huch! Hätte ich das wissen können? O Zeter, o Mordio!
13/6/05 09:44
Aber ich verspreche, ein äußerst fairer Mitstreiter zu sein. Keine Intrigen, keine Fiesematenten, keine Vorteilserheischungen. :)
13/6/05 10:55
Ich will diesen verdammten iPod. Mein Billig-MP3-Player hat nämlich gerade den Geist aufgegeben. Scheiß Taiwanesen.
13/6/05 11:54
Ich hab überhaupt keinen, insofern fänd ich ihn ja auch nicht schlecht... :) Auch, wenn ich ihn Dir - nicht zuletzt wegen der fiesen Taiwanesenkackmöppware - natürlich auch gönne!
13/6/05 12:00
Zehn Liter Kohlsuppe... eine schröckliche Vorstellung. Und wer von Euch beiden hatte sich die Diät angetan und was war die Bescherung? Fragen über Fragen!
14/6/05 01:37
Ich werde die Aktion "Nein zur Kohlsuppe" ins Leben rufen! :)
14/6/05 12:58
Der Meteorismus beim Verzehr von Kohlgewächsen oder Hülsenfrüchten rührt übrigens von den in diesen Pflanzen vorhandenen Oligosacchariden wie Raffinose oder Stachyose her.
14/6/05 14:54
"Ich werde die Aktion "Nein zur Kohlsuppe" ins Leben rufen! :) "
Ich überlege gerade, ob das die Schlußfolgerung sein könnte....
Ein Glück, dass du nicht vorher auf diesen Gedanken gekommen bist, sonst hätte ich dann ja jetzt hier nicht so viel zu lachen gehabt ;-)
Und ich drücke dir die Daumen, dass die Jury deine Geschichte genauso mag ;-)
P.S. Und mal noch was ganz anderes, Ole: Ich fühle mich geehrt, wenn ich in deinen Blog schreib, hier immer eine Identität auswählen zu dürfen, aber Blogger bin ich ja nun mal nicht, Anonym klingt ein bisschen abwertend, also bin ich Sonstiges.... oh, wie gemein.... was fällt dir dazu ein? ;-))
Einen schönen Abend für dich!! ;-)
14/6/05 16:36
Für die Kommentarstruktur der Seite kann ich nix, hatte mir da aber bisher auch noch keine ernsteren Gedanken drüber gemacht, gebe ich zu...
aber dass es eine Ehre ist, hier kommentieren zu dürfen, ist mit neu und bisher nicht bewusst gewesen... ;) Holladiewaldfee! Die Ehre erteile ich, ohne mit der Wimper zu zucken, jedem, der möchte. :)
14/6/05 17:24
"Holladiewaldfee" *lach* Ich sag jetzt nix dazu ;-))....
14/6/05 17:44
dann nicht :)
14/6/05 18:52
Wieso, Ole? Ich sagte doch "jetzt nicht" nicht "dann nicht" ;-)))
So, und bevor ich mich jetzt um Kopf und Kragen rede, wünsch ich dir einen aufregenden Abend und danke dir für`s lächeln, denn das darf ich hier ganz oft ;-))
14/6/05 19:55
Ich drück´ Ihnen die Daumen! Kommt da noch etwas für die Kathegorie "Sex"? Da gibt´s bei mir nämlich ab morgen etwas... untopbar! :)
14/6/05 21:51
In Planung ist etwas, aber bisher noch nicht groß Anlass für mehr als lose Gerüchte. Und bei Ihnen begnüge ich mich locker und gern mit dem zweiten Platz! Mehr ginge in dem Fall dann eh nicht mehr... man muss seine Grenzen kennen! :)
14/6/05 23:48
Na, super. Gerade als ich mir einen geeigneten Sexbeitrag überlegt hatte.
15/6/05 00:14
Och Pe! Nicht so negativ... :)
15/6/05 00:30
Der Fachausdruck lautet: verdrießlich.
15/6/05 09:30
Ich korrigiere und bemühe mich um sprachliche Präzisierung: Och Pe! Nicht so verdrießlich...
15/6/05 12:36
Irgendjemand muss es ja sein.
15/6/05 19:33
Beachtlich, Pe! Du hältst Dein leitmotivisches "Corporate Aussagen-Design" konsequent durch. Aber auch das muss ja irgendjemand tun. :)
16/6/05 11:25
Im Übrigen gibt's jetzt den Button zur Aktion "Nein zur Kohlsuppe". Rechts an der Seite. In den Kommentaren darf ich ihn nicht einbauen. Grmpf.
16/6/05 11:28
Immer wieder erbaulich, die Gschicht, lieber Ole. Bei uns in Bayern hätt der andere Golf-Fahrer wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper gezuckt. An Schoas muaßt aufbrenna, wenna di druckt :)
11/12/05 23:23
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