Zum Teilen verurteilt
"Börp!" Eine zerkochte Kartoffelscheibe rülpste, weil sie zuviel von der mächtig klebrigen Soße eingesogen hatte, ihre Artgenossinnen labberten schlapp und lustlos im Schmaddergepampe herum. Dann wurde Gero hindurchgestoßen. Die Kartoffelscheiben zuckten kurz vor Schmerz zusammen und ergaben sich dann in ihre Verstümmelung. Ein als Waldpilz getarnter Dosenchampignon konnte gerade noch beiseite springen, steckte nun aber ebenfalls in diesem ideenlos zusammengeklatschten, zähklebrigen Soßengesuppe fest.
Schon vor Wochen verstorbene, zähgummiartige Gyrosfleischbrocken, die vergammelt aus dem Hals rochen, rangen unter der bröckeligen Billigkäsedecke nach Luft, einem einsamen Brokkoliröschen wurde übel, es musste sich übergeben. Dann wurde Gero nocheinmal im rechten Winkel zum Zustechen gezwungen. Tellergeklapper und Studentengemurmel übertönte die leisen Schmerzschreie. Dann wurde Gero auch noch gezwungen, sich mitten in die Pampe zu wühlen, um ein abgeteiltes Stück dieses fettglitzernden, mickrigen und verunstalteten Gebildes aus seinem Sumpf zu reißen und auf einen Porzellanteller zu pfeffern. "Macht's gut, und nehmt's nicht persönlich", rief Gero, noch völlig verklebt, dem Matschhaufen auf dem Teller hinterher.
Die kleine, im Unterleib verstümmelte Kartoffelscheibe rülpste noch einmal und krächzte dann zurück: "Wenn wir Glück haben, werden wir gar nicht alle verspeist und überleben. Zwar auch nur in irgendeinem miefenden Moloch voll verfaulender Dunkelheit, aber immerhin. Wir sind weit weniger genießbar als man den Kunden hier weismachen will." Dann verstummten beide. Ein Riese mit grünem Kapuzenpulli riss den Teller weg und bewegte sich fort in Richtung Kasse.
30 Wortmeldung(en):
münsteraner studenten mensen wohl eher mäßig???
22/3/06 21:57
Gero, der Pfannenwender. Auf was für Ideen du immer kommst :)
Geht's ihm denn gut, beim grün Bekapuzten?
22/3/06 22:14
wie ich sehe, bekommen wir die ersten auszüge aus dem werk "metaphysik der küchenutensilien" zu lesen. die existentielle not von gero, sein schwanken zwischem einem zurückgezogenen pfannenwender-dasein oder einer aktiven teilnahme in der ihn umschließenden lebenswelt, der großküche, sind jedenfalls äußerst plastisch dargestellt. wird er seine fähigkeiten zur vollen entfaltung bringen können? wird er eines tages im rituellen palmolive-bad erlösung finden?
22/3/06 22:51
Lesen Sie mehr dazu in Geros kulinarisch-authentischer Lebensbeichte.
22/3/06 23:03
Es heißt, indianische Küchenhilfen entschuldigten sich bei der Kartoffel, bevor sie ihr den Todesstoß versetzten. Sie besitzen noch dieses uralte Wissen um das Geheimnis unseres Überlebens, das nur durch den Tod der Kartoffel fortbestehen kann. Ein Respekt, für den in den entseelten Großküchen unserer Gesellschaft kein Platz mehr ist.
22/3/06 23:16
Leider muß ich dem Blauen Himmel schon wieder widersprechen, obwohl das ja eigentlich so gar nicht meine Art ist.
Ausgerechnet ihm.
Großküchen sind nicht immer seelenlos .
Und Gero hat selbstverständlich meine volle Sympathie!
23/3/06 03:12
So genial das auch geschrieben sein mag (Applaus, Applaus!), mir ist jetzt der Appetit auf ein Frühstück vergangen.
Wundervoll geschrieben, ja wirklich, einiges lässt einen innerlich zusammenzucken, so seltsam ist es. Aber langsam bekomme ich das Gefühl, dass die Bloggerwelt mehr appetitlich angerichtete Einträge braucht.
23/3/06 07:45
Danke für den Link, lieber Küchenhurenfan. Da macht einer seine Arbeit mit Herzblut, sowas lese ich gerne. Ohne Ironie.
("ausgerechnet ihm"?)
23/3/06 10:59
@pappiger pommes: Münsteraner Studenten mensen eigentlich ganz ordentlich, teils sogar sehr gut. Dann sind aber in seltenen Fällen urplötzlich auch wieder kulinarische Vollgriffe ins Klo dabei wie der erschreckend ekelhafte Kartoffel-Gyros-Auflauf gestern.
23/3/06 11:18
@samoafex: Gero musste doch bei der alten Großküchenschaluppe bleiben. Der grün Bekapuzte hat ja nur den Teller mitgenommen. :)
23/3/06 11:18
@und³: Trefflich analysiert. Gero hat in direktem Anschluss an das gestrige Ereignis J.P. Sartres "Der Ekel" zu lesen begonnen. More to come...
23/3/06 11:21
@ich bin erkältet: Es wird auch wieder geschmackvoll drapierte Haute Cuisine geben. Zumindest den Versuch. :)
23/3/06 11:30
@kein einzelfall: Ach ja, den gibt's ja auch noch. :)
23/3/06 11:44
@blue sky und Opa: Allem Anschein nach sind Großküchen sehr vielfältig. Manchmal toll, manchmal grässlich. :)
23/3/06 11:50
Umpf......rrrrrülps! Ich geh' jetzt in die Kantine. Damit wisst ihr wie die hiesige Grossküche beschaffen ist. Ich mag Gero. Mahalzeit!
23/3/06 12:07
in halle schwankt die genießbarkeit des mensaessens auch immer. allerdings sind die nudeln eigentlich immer zerkocht. aber für mich gibts halt dankenswerterweise immer eiin fischgericht. oder die leckere brokkoli-knusperecke. lecker. aber ich geh so dermaßen selten mensen.
PS: Bin ab 01.07.2006 in der beesener straße 248 ansässig :-) :-) :-) :-) zwar 15-20 euro überm limit, aber 2 (ich beonte: 2) zimmer!!! da muss ich eben auch am essen sparen ;-) es gibt dann nur noch reis, baby
23/3/06 12:51
@ Blauer Himmel
Ja, ausgerechnet ihm. Leider wölbt sich so ein Anblick viel zu selten über unsere winterliche Bloggerwelt.
Nu is aba genug ;-)
23/3/06 13:15
@pappiger pommes: Neue Beesen kehren hoffentlich gut. :)
Wo haste Deine feine Seite gelassen? Hab im Übrigen soeben die vorläufige Absage meines Lieblingsbücherladens bekommen. Sie würden mich zwar irre gern einstellen, haben derzeit aber doch keine Kapazitäten frei, da eine zwischenzeitlich Abwanderwillige sich nun doch umentschieden hat. Grmpf
23/3/06 13:45
Der Blick nach draußen verrät aber, dass der Fühling sein blaues Band scheinbar doch wieder dauerhafter an unseren Himmel zu heften gedenkt. :)
23/3/06 13:49
naja, ich hoffe, es war nicht der bücherladen mit der tollen verlosung. ich habe dir ja neulich schonmal geschrieben, dass ich das für einen wink des schicksals halte mit dem verlorenen job. du bist doch talentiert. guck endlich, dass du in sachen schreiben was kriegst und irre nicht allein nach verkaufsjobs. du bist doch so gut wie fertig. manche würden sich wahrscheinlich die finger nach dir als schreiber lecken. stell dein licht nicht unter den scheffel. 3sat ist ja auch nicht gerade ne billig-referenz.
:-) lg rulla (blog musste wegen ideenlosigkeit sterben ;.) )
23/3/06 14:10
Kiste ist nur folgende: Ich hätt' für die nächsten Monate gern einen geistig wenig aufwändigen Job, der mir ein sicheres Überdierundenkommen ohne Kittvondenfensternfressen garantiert. Vom Schreiben allein zu leben, ist mit der Magisterarbeit im Hinterkopf schwierig. Lieber vormittags gemütlich was verkaufen, nachmittags magistrieren, abends anderweitig kreativ und aktiv bleiben. :)
23/3/06 14:13
Und der Blogtod ist schade. Er hätte in meinen Augen ein langes Leben verdient. :)
23/3/06 14:14
magisterarbeit - das kann ich verstehen. aber der blogtod tut mir persönlich nicht so leid. ich sehs da wie hilmar - so interessant ist mein leben jetzt auch nicht ... :-)
23/3/06 17:56
Ich glaube, wenn Hilm liest, dass sein Leben womöglich unspannend ist, könnte er wieder anfangen, nachts in Träumen mit den Zähnen zu knirschen. :)
23/3/06 18:01
aber der hat das doch über sich selbst geschrieben, dass hab ich doch nicht über ihn behauptet. da braucht er meinetwegen nicht zur knirscherschiene zu greifen :-) hilm ist doch aufregend,war schon in hippen frauenmagazinen abgelichtet :-)
23/3/06 19:02
bitte minus 1 x "s"
23/3/06 19:23
Datt war von mir ja auch nicht im Ansatz ernst gemeint. Und wer schon in der Young Miss über Liebe, Frauen und so reden durfte, kann wahrlich nicht das langweiligste Leben oder zumindest keine einflusslosen Bekannten haben. :)
23/3/06 20:38
Doch besser die Mensa am Aasee, da schmeckt es besser als in Gievenbeck!
24/3/06 18:16
@deliah: Das ist wahr. Hier ging es allerdings um die kleine Kantine unter der Pädagogikbibliothek und dem KoWi-Instotut am Bispinghof. :)
24/3/06 19:59
@donna vivace: Danke. Über Lob von solch renommierter Stelle regt sich in mir ungeteilte Freude. :)
24/3/06 20:01
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