Der große Herr verliert fast die Fassung
* * *
Er hüpft inmitten eines wütenden Gewitters über die Aaseewiesen und rennt mit einer Perlonschnurspindel in Händen hinter seinem Papierdrachen her, in dem eine Batterie steckt. Ich bin erstaunt; er besitzt gelinde Ähnlichkeit mit Rumpelstilzchen und spricht Hochdeutsch mit ostpreußischem Akzent.
"Mein Junge, was tust Du inmitten des Unwetters mit diesem seltsam zusammengeflickten Luftballon?"
"Ich suche das Anmeldebüro für die Montgolfiade."
"Die hast Du wohl verpasst. Sie war am vergangenen Wochenende. Aber sag, magst Du mir Deinen hässlichen Ballon für die Forschung überlassen? Und woher bekommt man so einen grässliches Modell?"
"Versprichst Du, es nicht zu verraten?"
"Blitzableiter-Ehrenwort!"
Er befestigt seine Spindel mit einem Stahlbolzen als Häring im Boden. Dann stellen wir unter das dichte Blätterwerk einer Blutbuche, da uns der Regen über den Nacken schon den Steiß hinab rinnt, und ich erzähle.
* * *
Ich war im Zug nach Brescia einem Schwarzmagier begegnet, der sich Nemesio nannte und mir unaufgefordert, aber voller Stolz vorschwärmte, er habe "den Durchbruch erzielt". Die Revolution! Ihm sei es gelungen, mit der Asche von zwei verbrannten Lämmern, einer Prise Bilsenkraut, wenigen Zweigen Kirschbaumholz und drei Ingwerwurzeln ein Feuer erschaffen, dass es ermöglicht, gesuchte Menschen aus ihren aktuellen Geschichten zu reißen und an jeden gewünschten Ort zu teleportieren. Ich gab mich interessiert und flüsterte ihm von meinem Raddiebstahl. "Lass uns den Schuft finden", hatte er gekrächzt und mich mit in seine finstere Heimstatt genommen, in der es gräuslich nach verbranntem Haar stank
Nemesio zückte ein gell leuchtendes Stück Kreide und kratzte drei konzentrische Kreise auf den Boden, in die er seltsame Zeichen und Namen längst verstorbener Herrscher kritzelte. Dann murmelte er verwirrende Lautfolgen, wedelte mit den Armen wüst durch die Luft, wuchtete eine riesige Urne vom Kaminsims und fischte mit einem Löffel dicke Staubflocken heraus. "Das ist die Asche der Lämmer", knarzte er. Er verschwand kurz in einem gedrungenen Nebenraum und kam mit gewundenen Kirschbaumzweigen, kleinen Ingwerwurzeln und einem Jutesäckchen zurück, indem womöglich das Bilsenkraut steckte. Er schichtete die Ingredenzien übereinander, schlug einen Funken, erweckte die Glut mit sanftem Pusten zum Leben und übertanzte die flackernden Flammen. Sein Mantelsaum fing dabei Feuer. Ich sprang darauf und erstickte sie.
Plötzlich, inmitten der prasselnden Flammen, erschien ein schrumpelnasiger Widerling, safrangelber Haut, Schlitzaugen und einem David Niven-Schnurrbart. "Dein Fahrrad bekommst Du nicht wied...", begann er zu bollern. Da hechtete ich schon auf ihn, zückte mein Schweizer Armeemesser und rammte es in seinen Unterleib und schlitzte ihn auf. Metallisch riechendes Blut spritzte, und ich rupfte ihm, von Wut durchbrodelt seine Blase aus dem Leib, zerschnitt alle Verbindungen mit dem Messer. Er röchelte, wimmerte, blutete in seiner Lache, doch ich wandte ihm den Rücken zu, dankte Nemesio und ging.
Ich betrat eine Näherei in der Nebengasse und bat die hutzelige Näherin, alle Öffnungen der Blase sauber zu vernähen bis auf die unterste. Sie tat wie geheißen, und so war ich zu meinem kleinen Heißluftballon gekommen.
* * *
"Jetzt brauche ich nur noch etwa 10.000 Liter Rauchgas, um damit fliegen zu können", sagte ich mit verschmitzt funkelnden Augen. Benjamin Franklin hält sich die Hand vor den Mund und atmet schwer. Sein Gesicht ist plötzlich ergrünt. Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn. Ein Hauch von Entsetzen umspielt seine Gesichtszüge. "Du hast ihm einfach die...?", beginnt er eine Frage, ehe er wieder Luft holt. "Ich fürchte schon", kann ich gerade noch antworten, ehe der Wecker alle Bilder zersplittern lässt und mich in den neuen Tag schleudert.
11 Wortmeldung(en):
Mal ehrlich: Du hast ja doch die Pulle Korn und den Boonekamp genommen neulich, oder?
30/8/06 15:03
Nix! :)
Aber ich habe gestern in Winschoten chinesisch gegessen und hatte eine seltsam süßscharfe Soße zum Bami Pangang.
30/8/06 15:07
Bei "David Niven-Schnurrbart" musste ich gleich an "Eine Leiche zum Dessert" denken, den ich am Wochenende gesehen habe. Und die Assoziation passte dann ja auch irgendwie. :-)
30/8/06 17:01
Das erklärt natürlich alles. Es war die Soße.
(offtopic: Kann das sein, dass Blogspot mit den Kommentaren irgendwie rumspinnt? Wenn man rechts über die Leiste geht, taucht nüscht auf.)
30/8/06 18:41
Lieber Ole,
ich möchte dich darauf hinweisen, daß Opas neben Titanic und Spiegel auch Jugendmagazine (z.B. das der Süddeutschen Zeitung) lesen.
Ich finde es durchaus legitim, etwas Werbung in eigener Sache zu machen.
Da du es nicht tust, werde ich petzen:
Liebe Absuristan Leser,
bitte schenken Sie folgender Aktion ihre geschätzte Aufmerksamkeit:
http://jetzt.sueddeutsche.de/blogstipendium/blog/780
Vielen Dank:
30/8/06 18:56
Aus tiefster Überzeugung das Richtige zu tun habe ich selbstverständlich für Dich gestimmt Ole.
30/8/06 20:28
Ich bin dabei! Wählt Ole nach vorn. Hab die Seite gesehen. Einiges ist ok, aber vieles gibt gar nichts her. Falsch plazierte Werbung kann ich auch posten,hab ich jede Menge Fotos von...
30/8/06 20:28
Dicksten Dank Euch allen! Ihr spinnt, aber das macht Euch enorm sympathisch. Und im Endeffekt sind wir doch sowieso alle ein bisschen bluna. :)
31/8/06 10:12
Deinen Traum find' ich total... also halt - die Fahrradsache nimmt dich sichtlich mit, nicht wahr?
Und ich stimm' dann auch gleich mal ab für dich. Qualität setzt sich nämlich am Ende immer durch ;)
31/8/06 13:32
Im Zug nach Brescia? Siiii, viva Italia!
31/8/06 14:37
@samoafex: Dein Wort in Redaktionsgottes Gehörgang. Und: Danke! :)
Inzwischen habe ich ja auch schon ein neues, feines Gebrauchthollandrad dank der famosen Hilfe meiner Eltern. Der Groll ist noch da, der Rest ist vorerst eher egal. :)
31/8/06 18:44
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