Sonntag, März 18, 2007

Morning view

Ich bin heute morgen aufgewacht. Die Sonne musste schon ein paar Stunden geschienen haben, aber es war nicht sonderlich spät. Mit der rechten Hand habe ich den grauen Knopf an meinem Wecker gedrückt, sodass das Klingeln aufhörte. Noch einige Minuten bin ich liegen geblieben, habe mir kleine Schlafkrümel aus den Augenwinkeln gerieben und mich zwei, drei Mal hin- und hergewälzt. Zwischen meinen Gardinen konnte ich sehen, dass Wolken am Himmel vorbeizogen. Ich habe meine Bettdecke beiseite gezogen, bin aufgestanden (mit beiden Füßen zugleich) und habe aus meiner Kommode eine frische Boxer-Shorts, ein blütenreines T-Shirt und Ringelsocken gefischt, habe aus meinem Kleiderschrank eine frische Hose und einen Kapuzenpullover vom Bügel genommen und bin duschen gegangen. Das Wasser erfrischte mich, auch, weil zwischenzeitlich meine Mitbewohnerin heißes Wasser für den Wasserkocher aus dem Kran in der Küche abzapfte. Dadurch wurde das Wasser kurz kalt. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an.

Ich habe mich mit einem frischen Handtuch abgerubbelt, nackt, wie ich da stand. Wie ich ausgesehen habe, beschreibe ich nicht. Danach war ich abgetrocknet. Ich habe meine Haare mit den Fingern zerstrubbelt. Ich mag es, mit den Fingern die Haare zu zerstrubbeln. Seit Jahren habe ich keinen Kamm mehr benutzt. Ich hätte mich rasieren können, das hätte ich auch gestern schon. Aber ich hatte keine Lust. Und so bin ich - inzwischen frisch angekleidet - in die Küche getapert, nachdem ich meine getragenen Kleider in meiner Wäschekiste verstaut habe. Es war noch heißes Wasser im Kocher, ich habe Tee aufgebrüht. Und dazu Vollkornbrot getoastet. Auf der Packung stand, dass es "sehr gut" im Öko-Test abgeschnitten hat. Was der Öko-Test an diesem Brot untersucht hat, weiß ich nicht. Aber sicher kaufen es die Menschen lieber, wenn sie ein solches Zertifikat auf der Packung lesen können. Mir fiel es erst jetzt auf. Müsli hätte ich gern gegessen, aber ich habe vergessen, welches zu kaufen. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an.

Ich habe frische Apfelsinen ausgepresst. Das erfrischt. Und es ist reich an Vitaminen. Man unterschätzt sowas schnell. Ich mache dies inzwischen seit Wochen. Es ist ein Ritual geworden. Ich mag frisch gepressten Apfelsinensaft. Den Tee habe ich mit Milch und Kluntje getrunken. Ein echter Ostfriese trinkt den Tee ja mit echter Sahne, die sich in der Tasse wölkt. Und wie schön der Kluntjebrocken knistert, wenn Du den Tee darauf gießt. Ein echter Ostfriese rührt den Tee auch nicht um. Der Löffel ist nur dazu da, dem Gastgeber zu signalisieren, dass man keinen weiteren Tee mehr trinken möchte, indem man den Löffel in die Tasse lehnt. Echte Ostfriesen trinken auch nur aus den besonderen dünnwandigen Tassen, nicht aus Bechern. Ich habe den Tee unostfriesisch getrunken. Eher englisch. Dort trinkt man den Tee mit viel Milch und Zucker, da der Tee und das Wasser so schlecht sind. Hier ist nur das Wasser sehr kalkig. Schwimmen grauschillernde Placken oben an der Wasseroberfläche. Man kann sie abschöpfen. Zu Hause trinke ich den Tee gern ostfriesisch. Hier lohnt es nicht. Das Wasser, ich hatte es ja schon erwähnt. Im Radio haben sie die Nachrichten vorgelesen und Musik gespielt. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an. Aber es ist ja auch Sonntag. Und am Sonntag telefonieren die Menschen morgens seltener. Nicht, dass mich das gestört hätte. Denn der Tag hatte ja zu späterem Zeitpunkt noch vergnügliche Begegnungen. Irgendwann klingelte auch das Telefon. Ich glaube, ich habe während dessen gerade gekocht. Und später noch mehrfach. Ich glaube, sogar sechs oder sieben Mal. Davon werde ich hier aber nicht berichten.

21 Wortmeldung(en):

Anonymous Anonym meint...

Ich gebe zu, auch nicht angerufen zu haben. Was meiner eigenen Sonntagmorgenruhe ebenso geschuldet war wie der Tatsache, dass ich Ihre Nummer nicht kenne.

19/3/07 00:42

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Das habe ich (nicht bewusst, aber im Nachhinein betrachtet) gemerkt. :)

Aber das hat ja auch nichts gemacht. Sonntagmorgendliche Ruhe ohne Telefonate haben ja durchaus was für sich. Der Tag ist lang genug, um sich Aug in Aug oder auf anderen Wegen noch seinen Sozialkontakten zu widmen.

19/3/07 00:58

 
Anonymous Anonym meint...

Sie haben jetzt nur vergessen, zu erwähnen, ob Sie sich Gel oder Wachs in die Haare strubbelten. Das prangere ich an!

19/3/07 10:09

 
Anonymous Anonym meint...

Kluntje gehört ja eher nicht so zu meinem aktiven Wortschatz. Aber Kandisknistern versüßte auch mir den gestrigen Morgen.

19/3/07 10:30

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Das mit dem Gel... hatte ich es nicht? ...Oh... das habe ich unterschlagen, und es stimmt, MC. Und prompt vergesse ich das Gel-Detail, schon sind wir wieder per Sie?

19/3/07 10:39

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@kreuzberger: Kluntje ist ja fast dasselbe wie Kandis. Wenngleich nur fast. Kandiszuckerstücke sind sehr klein und ebenmäßig beschliffen, Kluntjestücke sind um ein Vielfaches größer, unbehauen, urwüchsiger, voller Ecken, Kanten, Windschiefen und Krummspalten... :)

19/3/07 10:42

 
Blogger nora meint...

Komisch. Nach etwa einem Dreiviertel dieses Textes war mir nach weinen. Ist das zu erklären?

19/3/07 13:59

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Auf meiner Seite gab es keinen leisen Hauch von Anlass zu Trauer. Es war ein herrlich ruhiger Sonntag morgen. :)

19/3/07 14:06

 
Blogger nora meint...

...umso besser

19/3/07 14:19

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Es war eigentlich auch nicht viel mehr als eine augenzwinkernd ironische Persiflage auf manche "Heute habe ich und dann habe ich und danach"-Einträge, die zuweilen manche Blogs überbevölkern. :)

19/3/07 14:28

 
Blogger nora meint...

...das dachte ich mir schon. Vll möchte man ja deshalb losheulen? ^^ Und "manche" ist gut.

Vll ists aber auch die (vermutlich unbeabsichtigte) Querverbindung zu Incubus

19/3/07 14:29

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

Der Titelbezug war schon beabsichtigt, ansonsten hat der Text mit Brandon Boyd aber ungefähr so viel zu tun wie Rosenkohl mit Feuerwehrautos. ;)

19/3/07 14:33

 
Anonymous Anonym meint...

Klingt wirklich nach einem chillig-besinnlichen Tagesstart.

Ich trinke meinen (in der Regel grünen)Tee ja immer ganz unostfriesisch pur. Dennoch sehr sympathisch diese Teekultur der Ostfriesen. Gemütliches Völkchen.

19/3/07 16:22

 
Anonymous Anonym meint...

Ein großartiger Einfall, diese morgendliche Geschichte. Ich war zwischendrin überzeugt, ich kennte das Geheimnis des nicht klingelnden Telefons. Und musste furchtbar lachen, als ich das Ende las. Jetzt zwickt mich natürlich die Neugier. Aber was macht das schon ? Ich habe frischgepressten Orangensaft und Vollkornbrotduft vor der geistigen Nase, und das WG-Feeling samt knisterfrischer Kleidung überzieht meinen Körper wie eine Gänsehaut...ein Wohlfühlschauder !
Mille grazie !

19/3/07 20:38

 
Anonymous Anonym meint...

Ein sehr reizender und gelungener Tagebucheintrag. ;-) Und ich habe jetzt Lust auf Tee.

19/3/07 22:40

 
Anonymous Anonym meint...

Wie schade! Dass Sie nicht berichten.....vielleicht haben Sie ja noch gestrickt? Und wie geht es eigentlich Ihrer Katze? Hatten Sie nicht auch noch ein Baby im Bauch, dass gerade erst gestern vom Gyn fotografiert wurde?
Ach Herr Ole, so wird das nix....

19/3/07 22:44

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@raducanu: Grüner Tee ist ja per se schon unostfriesisch und sollte tunlichst entsprechdend auch nicht ostfriesisch getrunken werden. ;)

20/3/07 01:09

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@french kiss: Die Kiste mit dem Telefongeheimnis würd' mich glatt mal interessieren. Dem bin ich selbst noch nicht auf die Schliche gekommen. :)

20/3/07 01:09

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@rabe: Nur immer frisch aufgebrüht... :)

20/3/07 01:10

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

FrauH: Man sollte doch nicht durch allzu exakte Beschreibungen der Leserfantasie sämtliche Flügel stutzen, oder? Ich habe durchaus noch spannende Dinge getan. Stricken gehörte nie dazu. Auch gestern nicht. Handarbeiten und ich sind ein Thema für sich. Vielleicht Stoff für eine eigene Geschichte, demnächst mal.

Meine Katze, die ein Kater ist (oder war - er ist kastriert) und der eigentlich auch nicht sprichwörtlich meiner ist, lebt bei meinen Eltern, schläft auf dem Teppich, auf diversen Sofas und Stühlen, frisst, schnurrt oder tigert durch's ostfriesische Gebüsch, um sein Revier unsicher zu machen und gegen Fremdlinge zu verteidigen. Es geht ihm blendend (nachdem wir vor fast zwei Jahren schon einmal dachten, er sei tot - Herr Haase könnte sich erinnern).
Bauchhöhlenschwangerschaften sind mir bislang noch nicht aufgefallen, aber wenn ich so an mir heruntersehe... ich werde das konkreter beobachten. Ich hatte ja - abseits dessen - zwar gehofft, es könnte was werden, aber wenn es so nix wird, muss es irgendwie anders gehen. Oder gar nicht. Aber das wäre schade.

20/3/07 02:06

 
Anonymous Anonym meint...

Hochinteressant, ein wenig zu sachlich vielleicht. Aber man kann ja nicht verlangen - vor allem nicht so früh am Sonntagmorgen - daß die frische Unterwäsche von Poesie und Lyrik strotzt, nicht wahr?

24/3/07 19:31

 

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