Mittwoch, März 21, 2007

Novemberbrief

Liebe, die Welt dreht sich plötzlich, wendet sich in Farben. Das Straßenlicht bricht durch die rattenschwänzigen Schoten des Goldregens um neun Uhr morgens. Es ist der Polarkreis, dieser kleine schwarze Kreis mit seinen gelbbraunen Seidengrashalmen - wie Kleinkinderhaar.

Es ist ein Grün in der Luft, weich und wohltuend. Es bettet mich liebevoll wie ein Kissen. Ich bin errötet und durchsprudelt von Wärme. Mir ist, ich könnte gigantisch werden, ich bin so deppert glücklich. Meine Gummistiefel matschen und platschen durch das schöne Rot.

Dies hier ist mein Eigentum. Zweimal am Tag schreite ich es ab, beschnüffle die barbarische Stechpalme mit ihren guignetgrünen Zacken, schieres Eisen, und die Mauer aus alten Leichnamen. Ich liebe sie.

Ich liebe sie wie Geschichte. Die Äpfel schimmern golden, stell Dir's vor - meine siebzig Bäume, wie sie ihre goldroten Kugeln halten inmitten einer dicken grauen Todessuppe. Ihre Millionen goldener Blätter (metallen und atemlos). O Liebe, oh Ehelose! Niemand außer mir stakst durch hüfthohes Nass. Die unersetzlichen Goldenen bluten und dunkeln, die Mäuler von Thermopylae.

Nach Sylvia Plath - Letter in November

11 Wortmeldung(en):

Blogger viktorhaase meint...

balkonpflanzen alle tot, alles grau in grau und es schifft zum gotterbarmen.

22/3/07 09:07

 
Anonymous Anonym meint...

Sylvia Plath...oh man...was wir von ihr für Gedichte an der Uni gelesen haben...

22/3/07 09:58

 
Blogger DanielSubreal meint...

ich bin versucht eine sozialisitische, verkollektivierende Revolte anzuzetteln... oder zumindest etwas von dem Rot abzuzapfen...

22/3/07 14:41

 
Blogger mq meint...

Das Wurzelwerk von siebzig Bäumen wird zum Auslöffeln der Todessuppe nicht genügen.

22/3/07 15:58

 
Anonymous Anonym meint...

Eine bemerkenswerte Dame und, wenn ich mich recht erinnere, eine Kubelick-Empfehlung. Doch ich kann ihre Gedichte nicht lesen, sie machen mich krank.

Ist das eine eigene Übersetzung?

24/3/07 19:06

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@nb hamburg (noch?): Sie machen, gerade geballt genossen, auch mindestens krank. Und dies hier ist eins der zartesten und schönsten von ihr. Was einiges heißt. Denn ansonsten ist da noch weit mehr Zerfleischung, Düsternis und Tod. Den Band habe ich ja dankend von Dir bekommen, dies ist allerdings eine eigene Übersetzung, weil diejenige im Suhrkampbändchen mir an einigen Stellen nicht behagte und Worte wählte, die mir nicht gefielen.

24/3/07 19:26

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@markus: Selbst das von neunzig nicht.

24/3/07 19:27

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@viktor: selbst der wind lässt nicht locker, hat auf dem balkon den mülleimer umgestoßen und nun stinkt es nach schimmligen paprika.

24/3/07 19:27

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@daniel: bedien dich nur beim rot. zur not kann ich noch nachgießen. es sind noch ein paar farbeimer da.

24/3/07 19:28

 
Blogger Oles wirre Welt meint...

@dolce vita: plath hatte ich an der uni nie. allerdings habe ich auch nicht die fächer studiert, in denen plath federführend vorkommt...

24/3/07 19:29

 
Anonymous Anonym meint...

Ich werde alt.

25/3/07 04:39

 

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