Auf dem Campingplatz in Bozen liegt mein eingepökelter Schwippschwager
In heutigen Zeiten sind ausschweifende Schweifdiskussionen vielleicht noch bei Astrologen und Pferdeliebhabern ein wirksames Unterhaltungstriebmittel. Andere Menschen unterhalten sich über Reisebüros, Kammerjäger, Weingummis, Fallrückzieher oder... Kunst. Vielleicht auch über die erzählerische Kunst, einen geschickten Übergang von beschwiffenen/beschwoffenen/beschweiften Menschen zu Toastbrot zu vollbringen. Ich gebe zu: Die Brücke steht auf wackligen Füßen in schwammigem Terrain. Aber sie muss auch nicht lang und weit tragen. Kunst ist ja inzwischen doch weitgehend dahin definiert, dass Kunstsachverstandvonsichbehauptende im Kunstsystem etwas als Kunst betrachten und kommunizieren. Ein Toastbrot ist zunächst einmal ein Toastbrot ist ein Toastbrot ist ein Toastbrot.
Vor einiger Zeit ging es hier ja um Regenwurmkünstler im Schlamm. Ein anderer britischer Künstler hat vor einem halben Jahr eine Erdnuss (auch hier kein Toastbrot - die Brücke wankt!) elf Kilometer mit der Nase durch London gerollt. Nun hat sich - wieder ein Brite - ein Künstler überlegt: "Ich will kein Bett im frischen, lebendigen Kornfeld - von Sonne beschienen, vom leisen Windhauch umweht. Nein! Ich will ein Bett im verarbeiteten Kornfeld." Und schwupps baute er sich ein Ehebett aus Toastbrot und presste seinen Körperabdruck zweimal in die schlabberigen Getreidescheibenburg. Kann man jetzt im Museum angucken. In der Londoner Tate-Galerie.
Ich werde demnächst eine Sandburg aus Waffeleisen in der Form der Schweinebucht bauen und darauf eine als Kapuzinermönch verkleidete Schildkröte herumlaufen lassen. Dazu wird mein Streichsextett für zwei Klarinetten, eine Triangel und eine Sonnebrille (wahlweise: ein Haartrockner oder Backofen) gespielt, und im Hintergrund läuft in Endlosschleife eine Videoinstallation, die wilde Waldmöpse bei der Verwandlung in einen Elch zeigt. Das ganze dann im Lackkunstmuseum an der Windhorststraße.
Oder auch nicht.
Witzige Kunst ist in meinen Augen allerdings der Betonbriefkasten von Sylvie Boisseau in der Berliner Gropiusstadt. Hier kann man alle Briefe reinschwerfen, die man geschrieben und nie abgeschickt hat. Nordsibirische Frauen dürfen neben Liebesbriefen auch ein paar lebende Schnecken einwerfen, sagt man. Der Briefkasten wird weder geleert noch geöffnet. Bis März 2005 soll der Kasten hängen, danach wird er samt Inhalt «zur sicheren Aufbewahrung» der Museumsstiftung Post und Telekommunikation übergeben. Ich hätte da auch noch ein Dutzend Exemplare zum Einwerfen...
Sinnfreier und spontaner Zusatz: Möglicherweise leidet mein Schleiderkrank an Frottenmaß. Fast jedenfalls. Zumindest habe ich gestern festgestellt, dass aus heiterem Himmel mein blauer Schluffistrickschlabberpulli ein riesiges Loch am rechten Ellenbogen hat. Seltsam, das. Passt auch nicht wirklich hierhin. Löcher in Ellenbogenbereiche von Pullis hineinbekommen ist keine Kunst. Glaube ich. Oder?