Samstag, März 31, 2007

Die Paar Probleme (V)

Der Zuckerstreuer blickt drein, als müsse er bald niesen. Der Kaffee erkaltet an seiner Schulter. Eine Fliege gerät in den Luftstrudel des Ventilators und taumelt. Irgendwer bestellt "eine Magnumflasche Schampus für die ganze Runde hier". Jens wendet seine Jacke vorwärts und rückwärts, dem Klingeln nachspürend, und muss zunächst mehrere Taschen durchbuddeln, ehe er sein Handy gefunden hat.

"Ja? … Ach, Peter, Du bist’s… Ja, ich bin schon angekommen… Wie?... Gebrochen?... Das linke Bein und den linken Unterarm? Und auch noch die Schulter geprellt?... Wie hat sie das denn geschafft?... Ach Du heilige Scheiße!... Und jetzt?... In der Raphaels-Klinik, ah… und das heißt, heute abend… fällt aus, hmm ja… Das ist ja ärgerlich…. Also, ihr Unfall natürlich – wobei, das mit der Party ist natürlich auch schade… hmm… Kann man sie da besuchen?... Vorerst noch nicht ratsam, okay… Und wie lang wird das… mindestens zwei Monate, verstehe… Naja, lass uns morgen doch noch mal telefonieren. Vielleicht können wir uns ja wenigstens noch auf nen Kaffee… ach, da bist Du bei Deinen Eltern schon… ah. Nun gut. Ich meld mich morgen trotzdem noch mal. Mach’s erstmal gut. Dir trotzdem nen schönen Abend. Grüß sie lieb… Ja, mach ich… Okay… Ciao!"

Eine zerknirschte Blässe huscht auf sein Gesicht, er presst kurz die Lippen aufeinander, seufzt.

"Tines Geburtstagsparty heute abend fällt aus."
"Ist was passiert?"
"Sie ist im Kreisel mit dem Rad von einem Sportwagen, der ihr die Vorfahrt genommen hat, gerammt worden, über den Lenker abgestiegen und liegt jetzt in der Raphaels-Klinik."
"Und was machen wir jetzt?"
"Nun... ich weiß nicht. Ich dachte erst, wir könnten ihr kurz nen Besuch abstatten und dann weitersehen, was wir ausfressen. Aber Peter meinte, heute lieber nicht. Insofern dachte ich, das könnten wir jetzt gemeinsam besprechen."
"Ich hätte ja eigentlich eh keine Lust auf die Party gehabt."
"Aber Du hast doch gesagt..."
"Ja. Habe ich. Ich hätt's für Dich getan. Aber das sind ja alles nur Deine Freunde, und letztes Mal haben sich Peter und die anderen auch nur aus Mitleid mit mir unterhalten."
"Das ist doch kompletter Sahnequark! Peter hat noch gesagt, er hätte Dich richtig nett gefunden."
"Da haben wir's doch... nett! Nett! Nett sind harmlose Menschen, die man völlig uninteressant findet, die niemandem etwas tun, und die man sich nicht traut offen zu beleidigen, weil man heimlich Mitleid mit ihnen hat."
"Nett ist in diesem Fall nett gemeint gewesen."
"Da haben wir's doch!"
"Nein, eben nicht! Nix haben wir da!"
"Doch!"
"Schalt doch bitte mal kurz die Wortgoldwaage ab! Ich überbring Dir Komplimente und Du bist mit nichts beschäftigt, als den nächsten Hinterhalt zu wittern! Peter fand Dich supersympathisch."
"Das sagt er doch nur, um Dir zu schmeicheln!"
"Sag mal, was ist eigentlich los? Hast Du ne Kratzbürste gefrühstückt? Hat Dir Dein Badezimmerspiegel nach dem Duschen ins Gesicht gespuckt und Dir eingeflüstert, dass Du ein hässliches, unbedeutendes Entlein seist?"
"Jetzt fang Du nicht auch noch an, auf mir herum zu hacken!"
Cora zündet sich erneut hektisch eine Zigarette an, zieht daran und scheint krampfhaft bemüht, ihre Tränen zurück zu halten.
"Wieso auch noch? Das war alles nur Spaß. Aber Du machst Dich den ganzen Abend unentwegt klein, fühlst Dich an jeder Ecke angegriffen und bedroht. Und ich frag' mich, ob ich, der mich saumäßig gefreut habe, Dich wiederzusehen, irgendwas in der Richtung ausstrahle. Verdammt noch mal, ich brenne vor Leidenschaft für Dich und selbst das scheinst Du infrage zu stellen."
"Naja..."
"Naja was..."

Cora stockt. Raucht. Schweigt nachdenklich. Raucht. Eine Frau stolziert hüftschwingend von hinten durch die Durchgangstür, nur wenige Zentimeter an Jens vorbei, der direkt am Gang sitzt. Er blickt kurz irritiert auf, sieht ihr den Bruchteil einer Sekunde hinterher, wendet sich prompt wieder Cora zu. Die keift plötzlich:

"Genau das meine ich!"
"Was genau meinst Du?"
Jens kräuselt seine Stirn in Fragezeichenfalten.
"Ständig..." Sie hält inne, zieht an ihrer Zigarette, wischt sich Tränen aus den Augenwinkeln. "Ständig guckst Du andern Frauen hinterher. Sogar wenn ich dabei bin. Weißt Du eigentlich, wie weh das tut?"
"Äh... was? Was ist los?"
"Meinst Du, ich merk' das nicht, wie Du ständig andere Frauen sondierst, ihnen auf die Brüste schaust und heimlich schöne Augen machst?"
"Nein?"
"Was, Du glaubst auch noch, ich merk das nicht?"
"Nein, Killefitt! Ich weiß überhaupt nicht, wovon Du sprichst!"
"Da gerade... ich hab doch gesehen, wie Du der Frau auf ihren wackelnden Arsch gestarrt hast"!

"Welcher Frau?" Verwirrte Schweißperlen glitzern auf Jens' Stirn.
"Die Wackelarschtante, die hier gerade direkt an Dir vorbeigetänzelt ist."
"Der hab ich doch nicht nachgeschaut..."
"Doch, natürlich, ich hab's doch gesehen!"
"Das war ein reiner Blickreflex, verdammt! Da hätte genauso gut ein speckiger Heizungsmonteur mit ölverschmierten Armen und Wärmetauschern in der Hand langgeschlurft kommen können. Wenn direkt - mit nur wenigen Zentimetern Abstand - irgendwer an Dir vorbei läuft, passiert es doch ganz automatisch, dass man guckt, wer das ist. Das ist doch quasi evolutionär schon begründet. Verteidigungsreflex und so."
"Ach, jetzt kommt er mir auch noch mit der Evolutionsbiologie. Das wird ja immer schöner! Steh' doch wenigstens dazu, dass ich nur ein Sprungbrett für Dich bin, ein leichter Fick für zwischendurch, ehe Du Dich aus dem Staub machen kannst, sobald Du die Nächstbeste aufgegabelt hast. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass es nicht Hunderte von Frauen in Hamburg gäbe, die Du geil findest. Und wahrscheinlich sogar geiler als mich!"
Sie bricht vollends in Tränen aus.
"Kannst Du mir mal erzählen, wer Dir diesen völligen Mumpitz ins Hirn geschmiert hat? So langsam hab ich echt die Schnauze gestrichen voll. Nicht von Dir. Nicht direkt. Aber dieses Endlosgezicke geht mir gerade tierisch auf den Senkel. Und vor allem, dass Du mir hier in einer Tour Verhaltensweisen in die Schuhe schiebst, an denen so viel Wahrheit dran ist wie Busen an Kate Moss."
"Da haben wir's doch schon wieder... der Busen von Kate Moss. Der gefällt Dir wahrscheinlich auch besser als meiner."
"Es reicht, Cora! Wirklich! Ich geh' jetzt für kleine Königstiger, in der Zwischenzeit regst Du Dich ab, und danach überlegen wir, was wir mit dem Rest dieses seltsam angefangenen Abends anfangen! Ich hätte nach dieser Riesenszene beinahe Lust, prompt in den nächsten Zug nach Hamburg zu steigen und zurück zu fahren. Aber ich hab mich zu sehr auf Dich gefreut."

Hugh! Jens hat gesprochen. Just danach schiebt er seinen Stuhl zurück, steht auf und schlurft grummelnd in Richtung Herrentoilette. Cora sitzt - völlig verdattert und kreidebleich - auf ihrem Stuhl und nippt verwirrt an ihrem Kaffee, der längst erkaltet ist.

to be continued...

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Donnerstag, März 29, 2007

Futterzentrum

Durch die Eingangstüren quillt der immerneue Wuselpulk, polyphones Magenknurren, rollt durcheinander, pfropft sich wie Büchsensardinen in den Ausgabebereich. Bratkartoffeln ertrinken in Fett. An der Grillstation sind die Burgerbrötchen ausgegangen. Bekittelte Frauen mit einem Gesichtsausdruck wie grauer Joghurt schöpfen kleine Häufchen Kroketten in Porzellanschälchen, Schnitzel auf Teller, Sauce auf Schnitzel, schieben Salat- und Dessertschälchen nach, tippen stoisch Gerichtfolgen in die Kasse. Endlose Bewegungsschleifen, leicht variierte Wiederholungen des Ewiggleichen. Studentenatzung. Schlangen verschieben sich, bilden sich neu, wachsen, schrumpfen, verschwinden, verknoten sich über Kreuz. Teller und Tabletts klappern, Besteck klirrt. Über allem liegt ein undurchhörbares Stimmengewirr, Gesprächsfäden verknoten sich zu einem riesigen Geräuschknäuel, Lautfetzen zerreißen, gehen quer durcheinander, überwabern und verhaken sich, brechen ab, beginnen an anderer Stelle erneut. Reise nach Jerusalem ohne Stühleschwund, Platztausch im Akkord. Kommen und gehen. Rucksäcke plumpsen zu Boden, Blicke irren umher, suchend, später findend, manchmal ratlos, unsicher, einsam, zweisam, ziellos, unscharf. Kurze Grußgesten mit Kaubewegung, flüchtiges Vorübergehen, rastlose Hektik. Gabeln drehen Pirouetten im Spaghettigewirr, stopfen Münder, stochern. Kommst Du noch mit auf einen Kaffee? Nein, muss noch. Morgen aber wahrscheinlich. Und vorher von Neuem. Mensa.

Dienstag, März 27, 2007

Die Paar Probleme (IV)

Durch ihre Milchglas-Schirme sieben die Wandlampen warmes Licht herab auf das kriselnde Paar. Das Teelicht auf dem Tisch zuckt hilflos mit den Schultern. Das kleine Tischdeckchen verdeckt einen Wasserfleck im Holz - schon seit letztem Jahr. Der Zuckerstreuer kauert halb schuldbewusst und stumm auf seinem Platz, als wolle er sich entschuldigen. Die Speisekarte steckt in der Klemme eines Schiebehalters. Oben in der Ecke flimmert ein Fußballspiel über den Bildschirm. Eine Wiederholung vom vorigen Wochenende. Niemand nimmt davon Notiz. Die Bedienung schlängelt sich zwischen den Tischen hindurch und nimmt Bestellungen anderer Gäste entgegen. Cora schluckt ihre Tränen herunter und sieht Halt suchend, liebe- und sehnsuchtsvoll zu Jens herüber. Der blickt wortlos zur Decke, mit seinem Blick im unablässigen Kreiseln der Ventilatorflügel vertieft. Keiner von beiden sagt etwas. Verlegen, halb betreten sitzen sie einander gegenüber, so nah und doch fast fern. Beiden scheint anzumerken, dass sie schnellstmöglich die jüngsten Verknotungen entwirren möchten, indes scheint keiner so recht zu wissen, wie.

Derweil schlendern zwei Mittzwanziger ins Café hinein. Munter gestikulierend, lachend und lauthals in ein Gespräch verwickelt, schwingen sie sich an den vor Kurzem frei gewordenen Nachbartisch von Jens und Cora. Beide tragen mausgraue Filzmäntel, der eine das schwarze glatte Haar über einer Hornbrille streng zum Seitenscheitel gekämmt, der andere blassblonde kurze Locken. Beide machen keine Anstalten, ihre Garderobe abzulegen.

"Kennst Du eigentlich GayRomeo?", hebt der Lockige prompt an und schrubbt sich zwei Staubflusen vom Ärmel.
"Das ist doch dieses Schwulen-Portal, oder?" Der Seitenscheitel blickt stutzig drein.
"Jepp. Genau das."
"Hast Du das Ufer gewechselt?"
"Äh, nein?! Bewahre!" Der Lockige hebt abwehrend die Hände.
"Ich dachte nur."
"Nee. Nie im Leben."
"Und warum fragst Du? Glaubst Du, dass ich...?"
"Nun glaub' mal keinen Scheiß über das, was ich glaube!"
"Ich mein' ja nur."
"Nee, nix da. Darum geht's nun wirklich nicht."
"Sehr gut. Und worum geht's dann?"
"Lass mich doch mal erzählen, dann bekommst Du es auch mit."
"Das wär' ne Idee."
"Psst."
"Bin schon ruhig."
"Gut. Also..."
"Ja?"
"Ich wollte gerade anfangen."
"Dann los."
"Ich war heute im Rechnerpool in der Uni-Bibliothek..."
"Da war ich gestern auch und habe spontan überlegt: Es heißt doch Pool! Also bin ich klar dafür, dass man diese Räume künftig nur noch in Bademode betreten darf. Stell Dir das mal vor, Mann! Du sitzt in der Bib, surfst im Netz und um Dich rum nix als pralle Bräute in Bikini und Badeanzügen... wow, das wär' geil! Na? Na?" Er boxt den Lockigen Zustimmung erheischend in die Hüfte. Der verdreht die Augen und mürbelt "Spinner!"
"Nee, fänd ich echt großartig! Du nicht?"
"Doch... ja nee... klar wär das ne nette Sache. Aber ich fänd' auch echt großartig, wenn ich jetzt doch mal zu Ende erzählen könnte, ohne dass Dein Störsender unentwegt dazwischen funkt."
"Ach ja stimmt. Aber wenn Du auch mit der Erzählung nicht in die Hufe kommst..."
"Nun mach mal halb lang. Du trötest mir nach drei Worten dazwischen. So fünf sechs Worte mehr, vielleicht sogar ein, zwei Sätze solltest Du mir schon gönnen, hibbelige Torfnase."
Beide grinsen sich an. "Okay, dann schieß los."
"Als ich heute in der Unibib im Rechnerpool..."
"Weiß ich schon."
"Grr... nun gut, als ich dort einen der freien Rechner ergattert habe, um noch nach Büchern für die Hausarbeit zu suchen, saß ich zufällig neben einem etwa siebzig Jahre alten Kerl, rund wie ein Wasserball..."
"Du warst ja auch im 'Pool'."
"Stimmt."

Die Bedienung kommt angestöckelt, unterbricht kurz erkundigt sich nach den Getränkewünschen.

"Für mich'n Pils", hebt der Seitenscheitel an, grinst kokett und führt nebenbei unmathematische Kurvenuntersuchungen durch.
"Für mich ein... Moment... ein Bier mit Sprite", fügt der Lockige an.
"Also ein Radler?", vergewissert sich die Bedienung, zwinkert dabei aber dem Seitenscheitel zu.
"Genau. Gerne."

Die Bedienung kritzelt auf ihren Block, fährt sich kurz durch die Serpentinen ihres lockigen Haars, lächelt und schlängelt sich zurück gen Tresen.

"Ich wohne hier nun schon sechs Jahre und kann mir das immer noch nicht merken. Wenn ich in Hamburg ein Alster bestelle, bekomme ich Bier mit Sprite - wenn ich in Bayern ein Radler bestelle, bekomme ich ein Bier mit Sprite. Wenn ich aber hier ein Alster bestelle..."
"Bekommst Du Bier mit Fanta."
"Exakt! Seltsam. Hier haben sie Alster UND Radler, und nie kann ich mir merken, was was ist... Doch... wo waren wir stehen geblieben?"
"Hast Du die Bedienung gesehen? Ist die nicht...?"
"Absolut. Aber ... wenn ich kurz... ich würde die Geschichte gern noch zu Ende bringen."
"Klar. Tschuldige."
"Gut, der schwabbelige Greis im Rechnerpool..."
"Der Wasserball?"
"Genau, während ich mich also hingesetzt hatte, um nach Literatur zu recherchieren, saß der am Nebenrechner und bearbeitete am Nebenrechner bei GayRomeo seine Penisfotos."
"Wie, der bearbeitete seine Penisfotos?"
"Naja, allem Anschein nach haben die in dem Datingportal neben einem Foto, auf dem Du das Gesicht erkennen kannst auch noch Zusatzfotos, auf denen Du das Geschlecht erkennen kannst."
"Seltsame Welt. Ich würde nie... also... ich meine... was geht das wildfremde Menschen an... zumal Kerle?"
"Nun, wenn Du Dich genau da als Suchender anmeldest, dürften Kerle entsprechend das sein, was Du suchst."
"Und wieso kennst Du die Seite?"
"Mirko hat mir die mal gezeigt, als wir letztens bei ihm Platten gehört haben."
"Ach ja stimmt. Der ist ja auch..."
"Macht doch nix."
"Natürlich nicht. Hatte das nur vergessen. Eine weitere Frage, auf die ich mir keinen Reim machen kann, ist: Wie kommt man als dicker, greiser Sack, als grauer Klumpen dazu, ausgerechnet in einer Uni-Bibliothek einen Rechner zu blockieren, um irgendwelche Fotos seines Gemächts hochzuladen?"
"Keine Ahnung. Ich habe auch gestaunt."
"Ja.. und da kommt die nächste Frage: Wieso starrst Du dem gliedbearbeitenden Typen auf seinen Bildschirm."
"Naja, ich musste ja noch warten, bis mein Ding hochgefahren ist."
"Waas?"
"Wie was? Wenn Du Dich am Rechner anmeldest, musst Du doch noch warten, bis er die nutzerspezifischen Einstellungen lädt und so weiter."
"Gerade hast Du noch gesagt, Du musstest warten, bis Dein Ding hochgefahren ist."
"Ja, klar... mein... ach so... ja nee..."


Der Lockige errötet schlagartig. Beide brechen in schallendes Gelächter aus. Sie biegen sich vor Lachen, halten sich kaum auf den Stühlen.
"Das war der Freud'sche Versprecher des Monats!",
wiehert der Seitenscheitel, nimmt die Hornbrille ab und wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.

Auch Cora hat am Nebentisch ihre Tränen inzwischen getrocknet und die Hand von Jens ergriffen. Noch immer schweigen beide, wenn auch Händchen haltend, tasten sich unsicher mit Blicken ab. Keiner scheint sich durchringen zu können, die Initiative zu ergreifen. Ganz zögerlich erst erwidern sie den Blickkontakt, schüchtern, als wären sie einander beinahe fremd. Da klingelt das Handy von Jens...

to be continued...

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Montag, März 26, 2007

Die Paar Probleme (III)

Die Teekerzenflamme auf dem Tisch erzittert - vielleicht ob Coras bitterer Blicke, vielleicht auch nur auf Grund der Zugluft an der Durchgangstür.

"Hast Du's also doch nochmal geschafft, Dich loszureißen", herrscht sie Jens an, als dieser sich ihr gegenüber an den Tisch setzt.

"Hattest Du ernsthafte Sorge?", entgegnet er sanft, lächelt und legt seine Hand auf ihre. Sie entzieht ihm diese prompt.
"Nun komm mir nicht auf die Schmusebärentour!"
"Ich..."
"Red' Dich gar nicht erst raus! Weißt Du eigentlich, wie bescheuert ich mir vorkomme? Da sehen wir uns knapp zwei Wochen nicht, und das Erstbeste, was Du zu tun hast, ist, dieser Schnepfe da nebenan schöne Augen zu machen, und mich einfach sitzen zu lassen!"
"Pssst."
"Ich rede so laut wie ich will! Soll sie doch ruhig mithören!" Betretene Blicke am Nebentisch; Jens hebt entschuldigend die Hände, doch wird sein Blick auch finsterer.
"Nun mach mal halblang, ja? Sabine und ich haben sechs Jahre lang zusammen studiert, ich habe sie seit 'nem halben Jahr nicht mehr gesehen, und mich interessiert schon, was aus Menschen wird, mit denen ich mich im Studium gut verstanden habe. Außerdem hättest Du doch einfach dazu kommen können."
"Hast Du gesehen, wie die mich angestarrt hat?"
"Hast Du gesehen, wie Du sie angestarrt hast?"
"Na toll, wozu sind wir überhaupt zusammen, wenn Du mir jetzt noch komplett in den Rücken fällst? Weißt Du eigentlich, wie weh das tut?"
"Hey... ganz ruhig. Ich bin Deinetwegen hier. Ich bin extra aus Hamburg gekommen, um Dich zu sehen! DICH! Dass ich Sabine hier zufällig treffen würde, konnte ich ja nicht ahnen, und wir haben uns insgesamt vielleicht fünf Minuten unterhalten, während wir beide noch die gesamte Nacht doch Zeit füreinander haben, oder?"
"Hmmm... naja... hab mich halt auf's Abstellgleis gestellt gefühlt."

Er streicht ihr über die Wange, liest mit dem Zeigefinger eine Träne auf, die aus dem Augenwinkel hinabkullert.

"Wieder versöhnt?"
"Hmmm... naja... schon gut."

Sie schnieft kurz auf, putzt sich die Nase. Dann beugt sie sich über den Tisch für einen Versöhnungskuss. Beide unterhalten sich nun gedämpfter, die irritierten Blicke der anderen Cafégäste schwenken zurück zu ihren jeweiligen Gesprächspartnern. Die Wogen scheinen geglättet. Etwa drei Minuten später nimmt Jens seinen ersten Schluck Kaffee, den er ganz vergessen zu haben scheint.

"Sapperlot, da hast Du's aber gut mit mir gemeint."
"Hm?"
"Hast Du meinen Kaffee gezuckert?"
"Ja, wieso?"
"Naja... das ist inzwischen ja eher Kaffeesirup."
"Sirup?"
"Nun, das Mischverhältnis von Kaffee und Zucker dürfte etwa bei eins zu eins liegen." Er grinst verschmitzt, sie beginnt erregt zu hibbeln, fummelt hektisch eine neue Zigarette aus ihrer Schachtel und zieht nervös daran.
"Weißt Du, mach Deinen Scheiß zukünftig alleine!"
"Welchen Scheiß?"
"Ich warte mich hier am Tisch dumm und blöd, bin sogar noch so nett, denk' an Dich und bereite Deinen Kaffee, den Du ja längst vergessen hattest, so vor, wie Du ihn gerne trinkst, und was ist? Jetzt ist das auch wieder falsch. Weißte, ich reiß mir für Dich den Arsch auf, und Du... "
"Ich hatte Dich nicht darum gebeten, Cora. Ich find' ja nett, dass Du Dich so einsetzt, aber ich kann sowas durchaus schon alleine, ich bin schon groß! Außerdem war das gerade ein Spaß! Hallo? Sämtlichen Humor verloren, Madame?"
"Nenn mich nicht Madame! Das klingt nach faltigen alten Frauen mit Blümchenblusen und Dauerwelle."

Cora bricht in Tränen aus. Jens schickt entnervte Blicke zur Decke. Die beiden Frauen am Nachbartisch erheben und verabschieden sich. Er lächelt beschwichtigend. Sabine spreizt Daumen und Zeigefinger und gestikuliert, dass sie alsbald telefonieren könnten. Jens nickt resigniert, froh darüber, dass Cora just in dem Moment tränenverhangen zur anderen Seite geblickt und die Geste nicht gesehen hat. Für einen Moment - inmitten dieses wild wogenden Tränenmeeres - beginnt er sich zu fragen, ob sich dieses Kraft raubende Theater auf Dauer wirklich noch lohnt und erschrickt zugleich vor diesem Gedanken.

to be continued...

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Freitag, März 23, 2007

Es ist schon seltsam: Sobald die linde Frühlingssonne zwischen wattig hingetupften Wölkchen am Himmel strahlt, gewahren alle die frisch knospenden Blätter und Triebe, bestaunen, wie grün alles schon geworden ist, wie prächtig die Natur wieder einmal gedeiht, und wie bald die Kirschbäume wieder mit Blüten beduscht sein werden. Sobald dann aber wieder der nasskalte Regen vom Himmel fegt und eisig in die Kragen rinnt, fallen plötzlich nur noch die immer noch ach so unbelaubt-kahlen Äste in den Blick. Und beides am selben Tag.

Donnerstag, März 22, 2007

Die Paar Probleme (II)

"Mensch, Jens, was machst Du denn hier?"

Die Dame am Nebentisch - sie mag Mitte zwanzig sein, trägt schwarze kinnlange Haare, eine randlose Brille und eine sehr knappe Jeansjacke - rückt ihren Stuhl ein Stück nach hinten, legt ihre glimmende Zigarette in den Aschenbecher, knipst ihr strahlendstes Lächeln an und umarmt ihn. Mit ihr am Tisch sitzt eine weitere spargeldürre Frau selben Alters mit linealgerader Ponyfrisur, die gerade beschäftigt scheint, mit der Zunge einen Kekskrümel (oder ähnliches) aus einer Zahnspalte ihres trojanischen Pferdegebisses heraus zu bugsieren. Sie und Jens kennen sich, scheint's flüchtig, nicken einander grüßend zu, ehe er sich der Jeansjackendame zuwendet und die spontane Umarmung erwidert.

"Meine Herren, Bine, altes Haus! Das ist ja'n Ding. Hi!... Was ich hier mache? Ich bin auf Wochenendbesuch zurück in der alten Heimat -bei Cora. Wir wollten 'nen Kaffee trinken und sind später noch bei Peters Freundin zum Geburtstag eingeladen."
"Da bin ich ja mal platt."
"Ja, ich auch."
"Und Cora ist..."
"...meine Freundin. Die studiert noch hier. Ist gerade erst ins Hauptstudium gekommen."
"Ich wusste gar nicht, dass Du..."
"Doch. Schon seit 'nem dreiviertel Jahr."
"Na gratuliere."
"Danke. Und Du? Auch immer noch hier?"

"Immer noch hier, ja. Doch es geht endlich dem Ende mit Siebenmeilenstiefeln entgegen. Ich stecke gerade mitten in der Examensarbeit."
"Worüber schreibst Du?"
"Über die Selbstreflexivität romantischer Literatur und ihre Wurzeln in Friedrich Schlegels Athenäums-Fragmenten, der Reflexionsphilosophie bei Kant und Fichte und Schellings Naturphilosophie."
"Donnerknispel. Da haste Dir ja mal nen Brocken vorgenommen..."
"Och geht.
Ich find's hochspannend."
"Sonst wär's ja auch Mist!"
"Stimmt."
"Wie lange haste noch?"
"Anderthalb Monate bis zur Abgabe... Aber, sag: Was treibst Du jetzt?"
"Ich bin zurzeit in Hamburg und hab' ein Volontariat in der Pressestelle eines großen Sport-Wettbüros bekommen."
"Hört, hört. Also verführst Du jetzt arglose Menschen zur Spielsucht und gaukelst dem Volk nach außen Eure völlige Unschuldigkeit daran vor?"
"Naja..."
Jens windet sich ein wenig. "In erster Linie bin ich Kontaktperson für Veranstaltungen, die wir sponsern, aber so ganz unrecht hast Du auch nicht. Wir versuchen schon, das angeknackste Image wieder ein wenig zu verbessern."

Die beiden diskutieren munter weiter über Zukunftspläne, das gemeinsame Studium, dass man sich doch mal wiedertreffen sollte, um alles mit mehr Zeit und Muße besprechen zu können. Bines Freundin bleibt derweil stumm. Sie scheint ihrem Zahnspalt den Krümel inzwischen entwunden zu haben, rührt klickend in ihrem Teeglas und sieht den Ventilatorflügeln zu, die sich kreiselnd unter der Decke drehen. Cora kommt von der Toilette zurück. Ihr Blick gefriert, als sie Jens und Bine in munteren Plausch verstrickt antrifft, setzt sich wortlos an den Tisch und zündet sich eine Zigarette an. Jens scheint Coras Rückkehr noch nicht bemerkt zu haben, die schmettert ihm vorwurfsvolle Blicke entgegen.

"Ach, da ist Deine Freundin ja. Willst Du uns nicht bekannt machen?"

"Hoppla, natürlich. Bine, das ist Cora, meine Freundin. Cora, das ist Bine, 'ne alte Kommilitonin von mir. Und das ist..." Jens zeigt auf Bines Freundin, kräuselt die Stirn verlegen und stockt.
"Sabrina. Ich bin Bines Mittbewohnerin."
"Ach ja natürlich." Jens errötet. "Wir haben uns doch mal..."
"Im Südpark haben wir uns mal gesehen, glaube ich, beim Grillen, letzten Sommer."
"Klar, jetzt erinnere ich mich."

Die beiden erörtern ihr damaliges Kennenlernen, Cora wendet den Blick ab, presst die Lippen aufeinander, zieht ungeduldig an ihrer Zigarette, trippelt mit ihren langen Fingernägeln auf der eckigen Tischplatte, nestelt an ihrem Décolleté herum und fährt sich demonstrativ durch die langen champagnerfarbenen Locken. Die Bedienung kommt. Cora bestellt zwei Kaffee. Ihr Blick verrät wachsende Ungeduld.

"Schatz, ich komm' gleich, bin sofort da." Jens blickt beschwichtigend zu ihr hinüber.
"Setzt Euch doch zu uns an den Tisch", schlägt Bine vor. "Wir wollten eh gleich gehen."
"Danke, sehr freundlich", zwitschert Cora. "Aber wir haben schon einen Tisch." Ihre äußere Hülle lächelt. Bine klinkt sich noch kurz in das Gespräch zwischen Jens und Sabrina ein. Die Bedienung bringt den Kaffee. Cora raucht, schiebt ihre Unterlippe vor, beginnt Milch und Zucker in die Kaffeetassen zu kippen und starrt währenddessen mit immer finstereren Blicken zum Gesprächsdreieck am Nachbartisch.

...und während es in ihr brodeln zu beginnen scheint, machen wir kurz Halt, setzen aber in Bälde fort.

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Mittwoch, März 21, 2007

Novemberbrief

Liebe, die Welt dreht sich plötzlich, wendet sich in Farben. Das Straßenlicht bricht durch die rattenschwänzigen Schoten des Goldregens um neun Uhr morgens. Es ist der Polarkreis, dieser kleine schwarze Kreis mit seinen gelbbraunen Seidengrashalmen - wie Kleinkinderhaar.

Es ist ein Grün in der Luft, weich und wohltuend. Es bettet mich liebevoll wie ein Kissen. Ich bin errötet und durchsprudelt von Wärme. Mir ist, ich könnte gigantisch werden, ich bin so deppert glücklich. Meine Gummistiefel matschen und platschen durch das schöne Rot.

Dies hier ist mein Eigentum. Zweimal am Tag schreite ich es ab, beschnüffle die barbarische Stechpalme mit ihren guignetgrünen Zacken, schieres Eisen, und die Mauer aus alten Leichnamen. Ich liebe sie.

Ich liebe sie wie Geschichte. Die Äpfel schimmern golden, stell Dir's vor - meine siebzig Bäume, wie sie ihre goldroten Kugeln halten inmitten einer dicken grauen Todessuppe. Ihre Millionen goldener Blätter (metallen und atemlos). O Liebe, oh Ehelose! Niemand außer mir stakst durch hüfthohes Nass. Die unersetzlichen Goldenen bluten und dunkeln, die Mäuler von Thermopylae.

Nach Sylvia Plath - Letter in November

Dienstag, März 20, 2007

Die Paar Probleme

Gemeinsam betreten sie das Café. Er hat prompt einen freien Tisch ausgemacht, doch sie verzerrt den Mund, sperrt sich, nestelt widerwillig an ihrem Ohrring herum und quengelt:

"Schatz, das ist ein runder Tisch!"
"Das sehe ich. So rund wie Tische manchmal so sind. Er hat vier Beine, drumherum stehen drei Stühle... Und? Was ist daran Besonderes?"
"Du weißt, dass ich mich an runden Tischen unwohl fühle."

"Ach. Das ist mir ja völlig neu. Seit wann denn das?"
"Das hab ich Dir schon zigfach erzählt."
"Und wieso ist mir, als hätte ich das noch nie gehört?"
"Du hörst mir ja eh nie zu."
"Das stimmt gar nicht."
"Doch."
"Aber letztens... als wir im Himmel und Hölle waren, da..."
"Ja, Herrgott! Da gibt's ja auch nur runde Tische. Was sollte ich da tun? Das war'ne Ausnahme!"
"Ach..."

Sie schiebt die Unterlippe vor und verschränkt demonstrativ die Arme. Er legt mit einem sanften Lächeln und beschwichtigendem Blick den Arm um ihre Schulter, doch sie schüttelt ihn ab.

"Hey, Süße. Was ist denn?"
"Ich bin nicht Deine Süße." Sie stampft mit dem Stöckelschuh auf.
"Was hab ich denn getan?"
"Du hörst mir nie zu!"
"Was heißt denn nie? Jetzt zum Beispiel bin ich schon eine halbe Minute ganz Ohr."
"Ja jetzt! Jetzt!" Sie hebt theatralisch die Arme gen Decke. "JETZT! Ich rede aber von sonst."
"Sonst höre ich Dir auch zu. Ich bemüh' mich zumindest. Mein Gott, ich habe auch kein gesprächsfotografisches Gedächtnis! Sag', warum magst Du keine runden Tische?"
"Nee."
"Wie, nee?"
"Das ist doch jetzt blöd."
"Was?"
"Du fragst doch jetzt nur, weil Du ein schlechtes Gewissen hast!"
"Nein. Ich frage, weil ich mich gefreut hatte, mir Dir gemütlich nen Kaffee zu trinken. Und weil ich mich freue, mit Dir zusammen zu sein. Und natürlich auch, weil mich interessiert, warum der Mensch, den ich von Herzen liebe, sich in Cafés an runden Tischen unwohl fühlt."
"Schleimen macht's auch nicht besser."
"Ist aber so." Er stemmt die Hände in die Hüften. "Sag mal, was soll der Unsinn jetzt eigentlich? Wollen wir jetzt nen Kaffee trinken, oder nicht?"
"Ich weiß nicht mehr. Mir vergeht gerade die Lust ein wenig."
"Nur, weil ich nicht mehr weiß, warum Du nicht an runden Tischen sitzen magst?"
"Naja... stimmt, Du hast ja recht. Tschuldigung."

Just in dem Moment wird noch ein eckiger Tisch frei. Sie blickt spontan hinüber, zappelt hektisch.

"Guck, da hinten wird ein Eckiger frei."
"Wo?"
"Ja da, vor der Durchgangstür!"

Sie sieht ihn inzwischen wieder ein Stück weit versöhnlicher an, grinst verschmitzt und flötet:

"So, jetzt kannst Du mir zeigen, dass Du ein Mann bist!"
"Wie?"
"Herrje, indem Du uns den eckigen Tisch da sicherst! Du bist doch mein wilder Raubtiger. Ich muss mal schnell zur Toilette. Hier, nimm schonmal meine Jacke und die Handtasche."

"Wohl entkomm's", flötet er ihr hinter her. Sie lächelt gequält.
"Und soll ich die Gazellen, die ich auf dem Weg zum Tisch reiße, schonmal zerlegen und vorkauen, bis Du zurückkommst?"
"Du bist peinlich."

Sie verschwindet ins Bad, er rückt sich seitwärts durch den Gang in Richtung Tisch, dankt freundlich den Gehenden für's Tischüberlassen, legt die Tasche auf einen der Stühle, breitet die Jacke darüber, setzt sich, stützt den Kopf in die Hände und grummelt, als ihn eine Frau von Nebentisch anstupst...

to be continued

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Sonntag, März 18, 2007

Morning view

Ich bin heute morgen aufgewacht. Die Sonne musste schon ein paar Stunden geschienen haben, aber es war nicht sonderlich spät. Mit der rechten Hand habe ich den grauen Knopf an meinem Wecker gedrückt, sodass das Klingeln aufhörte. Noch einige Minuten bin ich liegen geblieben, habe mir kleine Schlafkrümel aus den Augenwinkeln gerieben und mich zwei, drei Mal hin- und hergewälzt. Zwischen meinen Gardinen konnte ich sehen, dass Wolken am Himmel vorbeizogen. Ich habe meine Bettdecke beiseite gezogen, bin aufgestanden (mit beiden Füßen zugleich) und habe aus meiner Kommode eine frische Boxer-Shorts, ein blütenreines T-Shirt und Ringelsocken gefischt, habe aus meinem Kleiderschrank eine frische Hose und einen Kapuzenpullover vom Bügel genommen und bin duschen gegangen. Das Wasser erfrischte mich, auch, weil zwischenzeitlich meine Mitbewohnerin heißes Wasser für den Wasserkocher aus dem Kran in der Küche abzapfte. Dadurch wurde das Wasser kurz kalt. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an.

Ich habe mich mit einem frischen Handtuch abgerubbelt, nackt, wie ich da stand. Wie ich ausgesehen habe, beschreibe ich nicht. Danach war ich abgetrocknet. Ich habe meine Haare mit den Fingern zerstrubbelt. Ich mag es, mit den Fingern die Haare zu zerstrubbeln. Seit Jahren habe ich keinen Kamm mehr benutzt. Ich hätte mich rasieren können, das hätte ich auch gestern schon. Aber ich hatte keine Lust. Und so bin ich - inzwischen frisch angekleidet - in die Küche getapert, nachdem ich meine getragenen Kleider in meiner Wäschekiste verstaut habe. Es war noch heißes Wasser im Kocher, ich habe Tee aufgebrüht. Und dazu Vollkornbrot getoastet. Auf der Packung stand, dass es "sehr gut" im Öko-Test abgeschnitten hat. Was der Öko-Test an diesem Brot untersucht hat, weiß ich nicht. Aber sicher kaufen es die Menschen lieber, wenn sie ein solches Zertifikat auf der Packung lesen können. Mir fiel es erst jetzt auf. Müsli hätte ich gern gegessen, aber ich habe vergessen, welches zu kaufen. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an.

Ich habe frische Apfelsinen ausgepresst. Das erfrischt. Und es ist reich an Vitaminen. Man unterschätzt sowas schnell. Ich mache dies inzwischen seit Wochen. Es ist ein Ritual geworden. Ich mag frisch gepressten Apfelsinensaft. Den Tee habe ich mit Milch und Kluntje getrunken. Ein echter Ostfriese trinkt den Tee ja mit echter Sahne, die sich in der Tasse wölkt. Und wie schön der Kluntjebrocken knistert, wenn Du den Tee darauf gießt. Ein echter Ostfriese rührt den Tee auch nicht um. Der Löffel ist nur dazu da, dem Gastgeber zu signalisieren, dass man keinen weiteren Tee mehr trinken möchte, indem man den Löffel in die Tasse lehnt. Echte Ostfriesen trinken auch nur aus den besonderen dünnwandigen Tassen, nicht aus Bechern. Ich habe den Tee unostfriesisch getrunken. Eher englisch. Dort trinkt man den Tee mit viel Milch und Zucker, da der Tee und das Wasser so schlecht sind. Hier ist nur das Wasser sehr kalkig. Schwimmen grauschillernde Placken oben an der Wasseroberfläche. Man kann sie abschöpfen. Zu Hause trinke ich den Tee gern ostfriesisch. Hier lohnt es nicht. Das Wasser, ich hatte es ja schon erwähnt. Im Radio haben sie die Nachrichten vorgelesen und Musik gespielt. Niemand rief währenddessen auf meinem Telefon an. Aber es ist ja auch Sonntag. Und am Sonntag telefonieren die Menschen morgens seltener. Nicht, dass mich das gestört hätte. Denn der Tag hatte ja zu späterem Zeitpunkt noch vergnügliche Begegnungen. Irgendwann klingelte auch das Telefon. Ich glaube, ich habe während dessen gerade gekocht. Und später noch mehrfach. Ich glaube, sogar sechs oder sieben Mal. Davon werde ich hier aber nicht berichten.

Samstag, März 17, 2007

For those about to rock

Abgewetzt, zerschlissen ist Deine Lederjacke. Wenn Du sie zuknöpfst, spannt sie inzwischen schon gehörig. Sie ist brüchig, hat zig Brandlöcher von Kippenspitzen fremder Kerle, denen Du danach gern eine reingewemmst hast, sie müffelt nach schalem Bierdunst, Qualm und Deinem alten Schweiß, denn gerade in der heiß flirrenden Luft auf den Tanzflächen der coolen Clubs ist sie Dein Parade-Accessoire. Gleich mehrere Bandbuttons hast Du durch ihre Haut gebohrt, damit auch jeder sehen kann, dass Du ein richtig Abgebrühter bist. Einer, der sich auskennt. Einer, der sich selbst nicht mehr zu waschen braucht, da er schon mit allen Wassern gewaschen ist. Ein richtig Großer bist Du, so klein Du auch erscheinen magst. Einer, nach dem sich die Zeit richtet, nicht umgekehrt.

Doch dass Deine Augen inzwischen häufiger vor Sehnsucht feucht werden, dass Zweifel durch Deine Blutbahn quirlen, dass der morgendliche Blick in den Spiegel immer häufiger von leisen Seufzern flankiert wird, sieht ja keiner. Denn Deine schwarze Sonnenbrille lässt die Blicke der anderen abprallen an Deiner unnahbaren Fassade. Dass Du inzwischen fast doppelt so alt bist wie die jungen Hüpfer, deren knackfrische Brüste, deren blutjunge Glut Dich fast um den Verstand bringen, würde Dich kaum kratzen, wenn Du sie nur haben könntest, wenn sie Dich nur wollen würden. Sie wollen immer seltener. Die Jugend von heute hat keinen Blick mehr für die wirklich bedeutenden Begegnungen. Sie wissen gar nicht, was ihnen entgeht.

Schließlich bist Du immer noch der Letzte, der das Licht ausknipst, so viel eher Du Dir selbst schon die Lichter ausgekegelt hast. Da macht Dir keiner was vor. Während andere noch an der Schaumkrone nippen, schlürfst Du den Rest aus der Neige und orderst zwei Neue. Dass Du inzwischen nach durchsoffenen Nächten Deine Augenlider nur noch mit Brecheisen auseinanderstemmen kannst, dass Dein Kopf sich auch nach dem Katerbier noch anfühlt, als hätte irgendjemand Dir einen Finnwal draufgeschnallt, Du dicke gelbe Eiterplacken ins Waschbecken hustest vom Qualm - das ist der Preis der Coolness. Das irre Leben der Stadt frisst Dich auf, verbrennt Dich, aber genau dafür bist Du doch hier! Direkt aus der Hölle angereist. Und die Stadt soll klatschen und Fanfaren gen Himmel schicken, dass es einen wie Dich hier gibt. Hier gibt es einen wahren Grund für Jubelperser: Dich. Chapeau clacqueurs! Bei Dir reicht es, dass Du da bist. Zwar nicht für andere, aber für Dich.

Zum Glück gibt es noch viele, die Dir Deine Maske glauben. Denn was wärst Du ohne die Bestätigung, die Dein Opium geworden ist? Die Du immer wieder und immer dringender brauchst? Nach der Du lechzt wie ein ausgemergelter Dürstender in der Wüste Gobi nach Wasser? Für Die Du Dich selbst verrätst, Deine Würde in die Komposttonne kloppst und Dich selbst, Deine anderen Facetten, Deine Vielseitigkeit verrätst? Die Reaktionen der Anderen sind Dein Jungbrunnen. Du bist die Rampensau. Der Rock ist Dein Schlachtfeld, und hier kämpfst Du mit pochendem Gluteifer bis Dir der Schaum des Wahnsinns aus den Lefzen sabbert, bis Du blutbeschmiert und röchelnd zu Tore kriechst. Die Jungen haben hier nichts zu suchen, sie mögen noch so viel jünger sein, sie werden nie so jung bleiben wie Du! Lieber rappeldicht mit Kippe im Mundwinkel tot vom Barhocker kippen oder - besser noch - mit blutig gegniedelten Fingern mitten im Rausch eines Gitarrensolos einen Herzkasper kriegen. Zack, tot! My Generation. Lieber abkratzen als alt werden. Und dann doch bitte mit einer AC/DC-Flagge als Sargtuch zu Grabe getragen werden. For those about to rock, we salute you! Böllerschüsse sollen zu Deinem Ableben krachen, und dann sollen sie Dich verbrennen, denn nichts anderes wäre Deinem Feuereifer, dem raketenschnellen Leben angemessener. Pomp and Circumstances zum Adieu.

Und doch ist es noch nicht so weit. Die Zeit zernagt Dich zwar allmählich, doch who cares? Deine Platte über der Stirn wächst - doch wozu gibt es Baseballkappen? Deine Posen wirken automatischer, leerer, ausgehöhlter. Der Altersabstand zu Deinen Freunden entspricht bald deren eigentlichem Alter. Du bist noch immer böser als der Teufel, brodelst heißer und leidenschaftlicher als alle Magma des Erdballs zu sammen - obgleich Du so cool bist, dass, wer Dich erlebt hat, in der Antarktis fast schon die Badehose auspacken möchte, Du bist der eiskalte Höllenvulkan. Der Killer. Die Maske. Das kleine, schüchterne, sehnsüchtige und zutiefst empfindsame Dahinter, das Du Dich nicht traust, irgendwem zu zeigen, weil schon ein einziger falscher Ton Dein komplettes Coolnesskonzert zerstören könnte. Weil plötzlich alles unglaubwürdig werden könnte, weil Du doch nunmal entschieden hast, nur das Eine zu sein. Da ist kein Platz für den Rest. Und so schämst Du Dich Deiner anderen Seiten, setzt die Sonnenbrille auf, und schon siehst Du sie auch nicht mehr. Die Maske sitzt, die Lederjacke auch. Und der Zahn der Zeit, der an Dir nagt, den wirst Du der Zeit auch noch ziehen. Zeit für den nächsten großen Auftritt.

Donnerstag, März 15, 2007

An Bord mit Özul (I)

„Ey, so wahr ich Özul heiße, ich bin zwar auf die Sonderschule gegangen. Aber nicht, weil ich so dumm war. Ich war viel zu schlau für die. Aber da liefen einfach die besseren Perlen rum. Die wussten schon mit dreizehn, wie man’s richtig macht. Und seitdem liegen mir die Frauen zu Füßen.“
„Wenn ich das richtig sehe, ist das Einzige, was Dir gerade zu Füßen liegt, ein Paar abgewetzter Nummernschilder für die Auto-Überführung.“
„Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit liegst Du doch längst da und schmachtest mich an und wünschst Dir, mit mir zusammen auf die Zugtoilette zu gehen, um ne Nummer zu schieben.“
"Du bist vielleicht ein Traumtänzer."
"Ja ey, wirklich: Tanzen kann ich auch. Ich bin der absolute Obertänzer. Da wirst Du schwach, wenn Du das siehst."
"Mir wird eher schlecht bei der Vorstellung."

Özul lässt sich nicht beirren. Breitbeinig hat er sich in die Sitzgruppe des IC nach Köln gefläzt. Die Streifen seines silbrig glänzenden Anzugs nadeln. Kaffee und Kippen haben sein nie verebbendes Siegerlächen gilben lassen – doch dieser Umstand ficht ihn ebenso wenig an wie dass ihm der linke Eckzahn fehlt. Die Paschapomade klitscht sein Haar glanzvoll rückwärts, überzeugt striegelt er seinen Ayman-Gedächtnisbart.

„Ich bin von Geburt an Checker. Ich weiß doch, dass Du es willst.“
„Was ich nicht nur will, sondern auch muss, ist aussteigen. Und zwar am nächsten Bahnhof“, erwidert die blonde, solarienbraune Studentin, die Özul seit einer Viertelstunde umschwärmt und mit großer Schaufel angräbt. Sie rückt mit grimmigem Blick ihre Brille zurecht.

Die anderen Passagiere bemühen sich, unbeteiligt zu gucken. Einige starren aus dem Fenster. Eine graumelierte Großmutter löst Kreuzworträtsel. Eine dauergewellte Frau mit Rüschenbluse strickt. Der halbbeglatzte Schnurrbartträger, der Özul gegenüber sitzt, vertieft sich mit riesige Kopfhörern in Zeichentrickfilme, die er auf seinem Laptop sieht.

„Ey, dann gib mir wenigstens Deine Nummer. Dann ruf ich Dich an, wenn ich aus Koblenz zurück komme und steig' extra für Dich hier in Düsseldorf aus.“
„Erst ne Nummer schieben und jetzt meine Nummer haben wollen? Ich kenn Dich doch nicht mal!“
„Genau das sollten wir ja schleunigst ändern! Du bist so süß.“
„Hoffen wir für Dich, dass Du kein Diabetiker bist. Scherz beiseite: Spar Dir die Mühe, Özul, oder wie auch immer Du wirklich heißt.“
„Ey, Quatsch. Komm, in Wirklichkeit willst Du doch auch nur das Eine.“
„Genau. Aussteigen. Und Du selbst hast doch gesagt, wie leicht und scharf die Perlen an Deiner Sonderschule waren. Da findest Du doch sicher genügend williges Frischfleisch.“
"Aber da bin ich doch nicht mehr. Ich handel' jetzt mit Autos!"
"Vielleicht solltest Du dann über eine Rückkehr nachdenken?", flötet sie, zupft ihre Ledertasche aus der Gepäckablage und stöckelt gen Ausgang.
"Ey! Das kannst Du doch nicht machen! Keine Frau geht so mit Özul um!", brüllt er.
"Vielleicht wurde es ja mal Zeit?!", zischt sie zurück.

Die Großmutter hüstelt. Die Dauergewellte versteckt sich tiefer hinter ihrem Strickzeug, strickt schneller und lässt hastig zwei Maschen fallen, während sie ihren Blick steif auf den Boden haftet. Der Schnurrbärtige blickt kurz auf, zuckt mit den Schultern und widmet sich weiter seinen Zeichentrickfilmen. Als die Blonde ausgestiegen ist, zeigt ihr Özul (unter dem Tisch, so dass es kaum einer sieht) den Mittelfinger und zischt "Schlampe".

Fortsetzung folgt

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Dienstag, März 13, 2007


Frustschutzmittel

Sonntag, März 11, 2007

Das Rennpferd der Herzen

Führerscheine kannte Wulnikowski nur aus Szenen, in denen er zusammen saß (oder stand) mit Freunden, Bekannten oder anderen Menschen, die zufällig in seine Nähe geraten waren - und in denen plötzlich irgendwer begann, seine verbriefte Fahrerlaubnis hervor zu zupfen, auf dass das Passbild die Runde machte, und alle staunten, wie immens die Jahrzehnte, die inzwischen vergangen waren, am Aussehen des Führerscheinbesitzers geschraubt hatten. "Mensch, Dich hätte ich so gar nicht wieder erkannt", schnurrten einige dann. Oder: "Im Vergleich zu damals hast Du Dich ja wirklich gemacht." Die Komplimentbeschenkten erröteten dann plangemäß, schlenkerten verlegen mit den Handgelenken und sagten "Na ja", oder "Man tut halt, was man kann" oder "Findest Du?" und genossen, wie ihnen die warmen Worte durch den Körper sprudelten. Gerne wurde im Anschluss daran noch auf die Hässlichkeit der neumodischen Scheckkartenformatführerscheine geschimpft und mit nostalgischem Seufzen dem alten, zerschlissenen und einmal zu oft gewaschenen Wachspapier-Lappen auf die Schulter geklopft.

Wulnikowski selbst besaß keinen Führerschein (seinen Reisepass suchte er auch schon einige Zeit). Ihm gefiel es weitaus besser, zu laufen oder - am Liebsten - mit dem Fahrrad zu fahren. Auch wenn es mal regnen sollte. "Rozi" nannte er seinen rostigen Drahtklepper, mit dem er durch die Stadtfluchten klapperte. Das Schutzblech war zerbeult, der Mantel am Vorderrad brüchig, einige Speichen bogen sich, und seiner Klingel fehlte der Deckel. So ratschte und schnarrte es nur leise, wenn er mit dem linken Daumen den Klingelhebel drückte.

Mit Rozi ließ sich nur unglaublich langsam fahren, sonst wäre sie auseinander gefallen - gerade, wenn sie ihn über die hoppelnden Kopfsteinpflasterkalotten der Altstadt schleppen musste. Insofern brauchten höchstens andere eine Klingel. Wen überholte man schon groß in solch schleichendem Tempo? Eben. Und wenn, ließ sich immer noch freundlich das Wort erheben. Oder kurz mit der Restklingel schnarren - wenn der Verkehrslärm nicht zu laut brüllte, reichte oft allein schon dies.

Nun war es nicht so, dass Wulnikowski kein Geld gehabt hätte, sich einen schnelleren und stabileren Flitzer zu leisten als diese dürre, klapprichte, ja beinahe jammervolle Blechmähre. Ihm war vergleichsweise wumpe, dass Gemüsehändler verdutzt einige Tomaten fallen ließen, die sie just in eine Papiertüte zu packen im Begriff waren, wenn er auf seiner sanftmütigen Kracke vorbeiholperte. Auch andere Passanten unterbrachen ihre Gespräche, wenn Wulnikowski auf seinen zwei Rädern an ihnen vorbei quietschte und rumpelte. Kurz schien die Zeit still zu stehen an den Orten und Szenen, an denen er auf seinem keuchigten Drahtgaul vorbeizockelte. Kleinere Scharen Neugieriger rotteten sich immer wieder am Straßenrand zusammen, wenn Wulnikowski auf Rozi im Schneckentempo herangerumpelt kam.

Ihn selbst scherte dies wenig. Auf glattes Eis getrabt ist, wer denkt, er hätte sich Rozi nur gehalten, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Nein. Doch was sollte er mit einem feurigen Renner? Rozi war zwar nicht bequem - aber unendlich gemütlich. Es war, als ob die Zeit um die Beiden herum ihren rasenden Galopp verlangsamte. Und allzu prächtig ließ sich auf einem kleinen holprigen Ausflug auf Rozi die Zeit gar vergessen, trefflich Pfeife rauchen oder über die Eitelkeit der Welt (beispielsweise beim Herumzeigen von Führerscheinfotos) und das Hinschwinden der Zeit sinnieren. Es ließen sich auch neue Ideen erspinnen und Pläne aushecken - auch wenn Rozis Geklapper die Zielstrebigkeit von Wulnikowskis Gedankengeschwirr schon mal aus dem Tritt bringen konnte. Wie Wulnikowski überhaupt zu Rozi gekommen war, das ist eine eigene Geschichte. Doch die zu erzählen, würde zu weit führen. Zumindest für heute.

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Samstag, März 10, 2007

Mitternacht in Ahlen

Das bleichliche Laternenlicht fällt auf ein Gesicht, unendlich traurig und verlangend. Die Augen trüb von unvergossenen Tränen steht sie in ihren cremefarbenen Mantel gehüllt. Die wächserne Blässe ihres Gesichts riecht nach Sehnsucht. Ihr dunkelbraunes Haar ruschelt sich in vollen Wellen um ihren hübschen Kopf, wahrscheinlich liebevoll drapiert für den, der nun fehlt. Vielleicht noch. Vielleicht schon zu lange. Wahrscheinlich ist er wieder mal Beute seines eigenen Rausches geworden und hat sie suffvergessen oder schnarcht schon auf seinem Sofa. Mit Chipskrümeln auf der Trainingshose über seinen gespreizten Beinen. So ist es doch immer wieder. Sie steht. Sie schweigt. Blickt nirgendwohin. Und doch erzählt ihr Blick traurige Geschichten, so viel davon auch nicht stimmen mag, wenn andere sie stumm zu lesen versuchen. Ich schließe den Taxistand auf, um zwei Medikamentenwannen abzuliefern. Gehe zurück zum Lieferwagen, um mir Tee einzugießen.

"Leberscheiben! Mir geht nix über Leberscheiben. Gern auch mal leckere Muskelmägen oder gesottenen Dorschrogen mit Mantschkartoffeln!" Einige Meter weiter rudert der halbbeglatzte Taxifahrer (seine Jacke spannt) mit den Armen, als er mit tiefschwarzem Bariton seine Worte formt. Sein knebelbärtiger Kollege isst lieber Schnitzel mit Kartoffelsalat. Ich staune, wie lange man Schnitzeldiskussionen ausbauen kann, doch ich muss weiter. Zwei Drittel der Tour liegen noch vor mir. Ich nehme den letzten Schluck Tee. Durch die Stille der Luft rattert ein Güterzug - hoch oben über der Böschung. Kein Regen fällt. Die knorrigen Zweige der Sträucher an der Böschung murmeln heimlich. Unschuld im Mond.

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Donnerstag, März 08, 2007

Unweit vom Dümmer

Geschwungene Kringel auf Fliesen, aus Ton gebrannt, reihen sich wie eine Backsteinbordüre oder ein Gürtel, wie Perlen auf der Schnur um das ziegelrote Hauptgebäude. Doch fast niemand schert sich je darum. Im Obergeschoss sind die Gardinen vergilbt. Im Eingangsbereich langweilt sich ein Passbilderautomat. Selbst dem Zigarettenautomaten neben ihm hat er schon lange nichts mehr zu sagen. Der Wind weht, ohne sonderliches Interesse zu zeigen, dann und wann in linden Böen über den Dachfirst, greift einer umherliegenden Plastiktüte unter den Rock, wirbelt sie herum, doch gibt es bald auf. Das Publikum sieht nicht hin. Genau genommen gibt es nahezu keins. In den Briefkasten wurden heute Vormittag zwei Briefe und eine Postkarte geworfen - um fünf wird sie ein Postbeamter abholen. Vielleicht werden noch drei Postkarten hinzukommen. Vielleicht auch ein Geschäftsbrief. Noch ist nicht Feierabend, es ist gerade erst früher Nachmittag.

Die gittrigen Milchglasfenster der Treppe hinüber auf den anderen Steig sind von Dreck und Algen noch stumpfer geworden. Viele der Stahlnieten rosten. In einiger Entfernung glitzern kleine Regenwassertümpel, die sich auf den Stoppelfeldern gebildet haben. Schlackehaufen, die schon lange niemand mehr berührt hat, langweilen sich. Fahrräder warten auf ihre Fahrer. Stunden-, manchmal tagelang. Drei fette Schülerinnen in Bomberjacken sitzen auf der Bank und rauchen. Sonst ist niemand da außer mir. Auf den verwaschenen Betonfliesen klebt alter Kaugummi. Wohl schon seit Monaten. Vielleicht Jahren. Die dicken Drei beratschlagen, wer heute abend Korn mitbringt und wer Cola. Sie werden dann zu viert sein und daher von allem jeweils vier Flaschen brauchen. Und später ins "Empire" gehen. Und dass der Tobi jetzt ja mit der Vanessa. Und dass die sich ja sogar geküsst... und das, obwohl der doch so viele Pickel im Gesicht... igitt.

Die Dickste unter ihnen - mit Lefzen wie eine Bulldogge - zerrt eine aufgerissene Plastikpackung aus ihrem Rucksack. Drei trockene Wiener Würstchen krümmen sich noch darin. Zwei davon grapscht sie mit ihrer linken Hand, zieht noch einmal an der Kippe und stopft sie dann in ihren Mund (stereo). Erst jetzt sehe ich, dass sie eine Zahnspange trägt. Wahrscheinlich werden sich Wurstfetzen darin verheddern. Die anderen beiden rauchen weiter und sehen scheinbar die Schlackeberge an. Da sich dort nicht viel tut, blicken sie dann und wann woanders hin. Oder denken an den Korn und die Cola. Noch ist ungeklärt, wer was mitbringen wird. Die Sonne schiebt einige Wolkenberge beiseite. Das Gebüsch, das seine trockenen Finger durch den rostigen Maschendrahtzaun steckt, grünt noch nicht. Nichts regt sich auf den Gleisen. Und dann kommt er doch. Der Zug. Wie ein roter Wurm kriecht er um die Kurve. Und ich steige ein, damit er mich rausbringt aus der Einöde. Raus aus Diepholz im ländlichen Nichts, nördlich vom Teutoburger Wald. Die Mädchen bleiben sitzen in ihren Bomberjacken. Sie scheinen nirgendwohin fahren zu wollen. Sie rauchen, essen Wurst und organisieren, wer Korn und Cola besorgt. Vielleicht werden sie es auch in Stunden noch tun. Dann werde ich weit weg sein von hier.

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Dienstag, März 06, 2007

Vergnügliche Problemphilosophie

Zum Donnerdrummel, Ihr werdet die Stirn runzeln, vielleicht heimlich kichern oder mich für deppert erklären. Vielleicht hat der Bollerwagen meiner Fantasie meine Urteilskraft auch in den Schlamm bugsiert. Aber ich sage Euch: Mit der Liebe ist es nicht selten wie mit dem Zahnschmelz.

Ist die Liebe noch frisch, jung, glänzt sie in strahlender Pracht, trotzt kraftvoll allen Misslaunen des Schicksals, und Säurespritzer oder Schmutz perlen an ihr ab wie Sekttropfen am Spülmittelfilm, wenn das Glas nicht ordentlich klargespült wurde. Doch lass die Zeit ein wenig am Zahn nagen, lass die Zahnreihen nachts aufeinander knirschen, lass den Glanz matter werden, das Strahlen erblassen. Wenn man nicht gründlich reinigt, schleicht sich eine hauchfeine Fäule ein. Und irgendwann plötzlich bleiben wir hängen an den Grillen des Partners (wie wenig sind sie uns vorher je aufgefallen! - und wenn – wie haben sie uns am Anfang erheitert, uns süffisantes Grinsen in die Mundwinkel gezaubert) wie die Zunge an einer Unebenheit im Gebiss.

Plötzlich haken wir am Detail fest und verlieren das Ganze aus dem Blick. Wieder und wieder fährt die Zunge an der winzigen Unebenheit entlang. Größer und größer erscheint uns die winzige Ecke oder Kante im Geiste. Und wenn wir nicht prompt jemand Neutrales (im Zahnfalle optimalerweise einen Zahnarzt) drauf schauen lassen, der uns seine nüchterne Einschätzung gibt, kann es sein, dass wir uns alsbald einbilden, wir hätten einen wahren Krater im Mundinnenraum, der in Kürze wohl bis zum Unterkiefer durchgefault sein dürfte, sodass Fremde uns plötzlich vom Unterkinn her in die Mundhöhle gucken könnten.

Und doch hat unsere Zunge keine Augen, sie fühlt nur und sieht nicht. Und selbst was sie fühlt, ist nur, was sie fühlt, so wie alle Wahrnehmung nichts anderes sein kann als subjektiv. Schließlich können wir über nichts anderes als unsere eigenen Sinnesorgane wahrnehmen und mit nichts anderem als unserem Hirn anhand unserer Erfahrungen und Werthaltungen denken, einschätzen und beurteilen. Und – zack! – kann es durchaus passieren, dass wir uns in der munter ratternden Gefühlszentrifuge verheddern, unser innerer Gaul durchgeht und völlig am Ziel vorbeigaloppiert. Denn vielleicht war gar nichts faul. Es war nur eine Ecke oder Kante. Mehr nichts. Und wir haben vor unserem inneren Auge apokalyptische Szenarien heraufbeschworen und uns schon vorab vor Phantomschmerzen gewunden.

An solchen Punkten vernagelt das Hirn sämtliche Zugänge zur Inhaltsebene mit alten Brettern und Bohlen, und alle Wahrnehmungsverarbeitung zieht um ins andere Stockwerk – der Beziehungsebene. Völlig nebensächlich wird, was der Geliebte inhaltlich spricht. Egal, was er sagt: Es steht unter Motivverdacht. Nicht mehr, was er spricht, zählt, sondern wie. Und warum er genau diese Worte in genau dieser Situation gewählt hat und keine anderen, und was er denn – auf einer Meta-Ebene – mit seinen Worten eigentlich sagen wollte aber nicht ausspricht. Vor allem über seine Einschätzung der Beziehung. Und egal, was der Geliebte eigentlich hatte sagen wollen und wie arglos und unbewusst seine Aussage gewesen sein mag. Die Goldwaage hat ausgeschlagen, und nun ist er in der Pflicht, seine eigene Unschuld vor einem voreingenommenen Gericht zu beweisen. Restzweifel garantiert. Hier galoppieren die Beziehungspferde oft in tiefen Morast, an dem sie sich mit ihrer eigenen Mähne kaum noch herausziehen können. Simpelste Kleinigkeiten, unausgesprochen, rotten sich mit ihresgleichen zusammen und werkeln an einem babylonischen Problemturm. Der ist brüchiger und löchriger als manch fauler Zahn und kracht flugs, wenn sich die Liebenden nicht schleunigst und offen an den Abbau machen über beiden zusammen und begräbt sie im Schutt des Aufgestauten.

Und so wie im Zahn längst nicht immer ein Loch ist, nur weil die Zunge hängen bleibt und plötzlich gar nicht mehr anders kann als Tag und Nacht um den corpus delicti herumzulecken und wieder und wieder die fragliche Stelle abzuschlecken, so kann auch eine unbedachte Äußerung, ein winziges Missverständnis schnell zum Flächenbrand schwelen. Und so ist es hier wie in der Liebe doch immer das Hilfreichste, sofort für Klarheit zu sorgen – ab zum Zahnarzt oder frisch raus mit der Sprache, und so den kleinen Nagern im Innern des Geistes den Futtertrog zu zersägen. Denn das widersinnige Geschöpf Mensch siecht nur allzu gern an Wunden, die zu heilen er locker die Macht hat. Allzuoft wird das Leben dann zum Widerspruch wider besseres Wissen und die Vernunft dient, statt zu lindern, nur dazu, indem man vom Schlimmsten ausgeht, die Empfindlichkeiten noch zu reizen, das Leid zu vermehren und die Ängste zu befeuern, den Stein der Weisen beiseite zu treten und stattdessen einen galligen Klumpen von einem Wackerstein aufs Herz zu hieven, die Sorgenpäckchen aufzuhäufen und so ein Zehnfaches der Energie für ein winziges Bruchstück des Erfolgs zu verbrennen als man gebraucht hätte, wenn man gleich zu Beginn und leichterhand kurz Klärung gesucht und gefunden hätte, wodurch der problematische Rattenschwanz und die apokalyptischen Ungetüme, die sich ansonsten allmählich auftürmen gar nicht erst aufgetaucht wären.

Montag, März 05, 2007

Niemals, aber


Ich bin niemals durch die Vereinigten Staaten gezogen mit nur einer Hand voll Dollar im Sack, einem Paar abgerissener Levi's um die muskulösen Hüften und einem Schweizer Taschenmesser, aber ich habe nachts volltrunken - es war wohl gegen vier - auf dem Prenzlauer Berg eine Dönertasche gegessen die pappschlapp war und nach Spülmittel schmeckte. Ich bin niemals in der Blauen Moschee auf die Knie gegangen - barfuß - und habe auf den Raum gelauscht zwischen jedem Tritt, dessen Abdruck sich abhebt und einschreibt gegen den marmornen Boden. Und nur einer einzigen Frau, die ich kenne, sind, als sie ihre Haare verschleiern musste, kleine Insekten in den Nacken gekrabbelt, die ihr die Hinterkopfhaut zerbissen haben. Aber ich ließ flache Steine über den Lago Maggiore hüpfen - dutzende Male - an einem so stillen Tag, dass ich hören konnte, wie die Wellen einander kreuzten. Ich spürte die Trägheit jedes Steins sich gegen das Wasser behaupten, dann untergehen. Ich habe niemals an einer Fallschirmsaite gespielt und dabei auf dem Rand eines Luftschiffs gethront, aber ich hielt den Kopf eines blutenden Hundes, der von einem Lastwagen böse angefahren und von seinem Fahrer liegen gelassen worden war und streichelte ihm die plumpen Pfoten. Und ich schätze, die Beklemmung in der Kehle und die winzige sprühende Empfindung irgendwo in uns gehören beide zu diesem Sinn für etwas Anderes. Diesem Gefühl, meine ich.

Sonntag, März 04, 2007

Eine Erkenntnis bricht sich Bahn


Nicht immer ist es von Nachteil, aus der Spur zu geraten.

Freitag, März 02, 2007

Der Weisheit letzter Schließmuskel umklammert einen musikalischen Stock

Spätestens seit John Cage hat der Zufall in der Musik ja ein großes Zepter bekommen. Und auch, wenn ich eigentlich fast ausschließlich Musik von Scheiben höre und vergleichsweise selten den Rechner dafür nutze (es sei denn für Neuentdeckungen), beuge ich mich nun dem Zufall und lasse ihn entscheiden. Denn mir ist ein Stock in den Kapuzenpulli geflogen von Frau Mephista. Und den dareingeritzten Forderungen beuge ich mich gern. Der persönliche Zufalls-Soundtrack meiner Geschichte. Folgendes war meine Aufgabe:

1. Öffne deinen Musicplayer (iTunes, Winamp, Media Player, iPod etc.)
2. Stelle ihn auf Shuffle/Random
3. Drücke “Play”
4. Schreibe für jede Antwort den Songtitel, der gerade gespielt wird, auf
5. Drücke für jede neue Frage den “Next” Button.
6. Lüge nicht und tue so, als ob du cool wärst… Tipp’s einfach ein!"

Schauen wir nun, was der Zufall sich für meinen persönlichen Soundtrack ausgedacht hat.


Vorspann:
Guillemots - Little bear
Spätromantische Streicher, ein windschiefes Klavier, heimliche Hintergrundgeräusche und eine Stimme wie Kristall. Ein zauberschöner, ruhiger Song voll überraschender Wendungen. Der Zufall mag den stillen Beginn und er pickt sich gleich zu Beginn den Opener des vielleicht mit Abstand besten Albums aus dem vergangenen Jahr (das ich zum Zeitpunkt meiner Jahrescharts selbst noch kaum kannte). Sehr passend, Doktor Zufall.

Aufwachen:
Small Faces - Ogden's nut gone flake
Psychedelische Rockschwaden fegen Dich aus den Federn. Hier geht es eher um Tabakflocken, Du selbst reibst Dir die Augen und denkst an Cornflakes. Oder drehst Dich wieder um, doch dann zwickt Dich der frische Schmiss der Small Faces wieder in die Seite und hält Dich am Ende doch vom Weiterschlummern ab.

Erster Schultag:
Ben Folds Five - Boxing
Einen absolut grandiosen Song vom Ben Folds Five-Debüt beschert der Zufallsgenerator dem ersten Schultag. Einen Bezug zum Thema herzustellen, gelingt, wenn, höchstens über Gewalt an Schulen. Aber eigentlich geht es in dem Song ja um ganz Anderes.

Verlieben:
Björk - It's oh so quiet
It don't mean a thing, if it ain't got that swing... nach zärtlichem Anschleichen und heimlichem Ausspähen pirscht man sich aneinander und explodiert in gemeinsamer Ekstase. Oder so. Riesennummer.

Das erste Mal:
Get Up Kids - Ten minutes
Keine Ahnung, wie lange mein erstes Mal gedauert hat. Wie eine lustberauschte Ewigkeit fühlte es sich an. Vielleicht wäre auch schon vor dem zweiten Refrain dieses Emorock-Klassikers das Werk vollbracht gewesen. Zeit und Raum geraten bei leidenschaftlichen Initiationszündungen ja schon mal aus den Fugen.

Kampflied:
At The Drive-In - Napoleon solo
Fast hätte ich mit "Hannes Wader singt Arbeiterlieder" gerechnet. Nun also die wilden Wuschelköpfe aus den Staaten. Allein, solo quasi, hätte Napoleon, der alte revolutionäre Kriegskopf, allerdings wohl keinen seiner Kriege gewonnen.

Schluss machen:
Brad Mehldau Trio - Exit Music (for a film)
Ein traumhaftes Original, ein mindestens ebenso berückend schönes Jazz-Klaviertrio-Cover. Wunderschön. Und für einen Abschied ja fast schon zu programmatisch. Den Zufall sticht der Hafer.

Abschlussball:
Anton Bruckner - 7. Sinfonie E-Dur, 2. Satz Adagio
Ein Wahnsinnsstück Musik, gigantisch! Nur: Wenn man irgendwozu nicht tanzen kann, dann hierzu. Das taugt - wenn - höchstens, um im Anschluss mit der Tanzballparterin sich einem leidenschaftlichen Sinnesrausch hinzugeben oder die Trübsal der Abfuhr in meilentiefen Tränen zu ertränken. Selbst waldorfsche Eurythmie-Spezln und Ausdruckstanz-Experten dürften hier an ihre Grenzen geraten.

Nervenzusammenbruch:
Death Cab For Cutie - Styrofoam plates
Der Zusammenhang zwischen Nervenzusammenbrüchen und Styroportellern ist ein kryptischer. Die Wissenschaft rätselt noch.

Autofahren:
Weakerthans - Our retired explorer (dines with Foucault)
Bis zum Südpol bin ich nie gefahren mit dem Auto. Bis zum Nordpol auch nicht. Mit Pinguinen habe ich ebensowenig diniert wie mit Michel Foucault. Aber tatsächlich sind die Weakerthans immer wieder hochwillkommener Autofahrsoundtrack.

Flashback:
Kelvynator - Undercover FBI
Donnerknispel, wie lange habe ich den Song nicht gehört? Und tatsächlich, er weckt Erinnerungen. Die Reise nach Minsk im düsteren Herbst 1994. Braunkohleschwaden, karge Birken, der Sturz in die Kanalisation, strahlende Pilzschnitzel, das stumme Grauen in Chatyn, die Seltsamkeiten der weißrussischen Hauptstadt und seiner Markthalle...

Wieder zusammenkommen:
The Kooks - She moves in her own way
Ich bin mit keiner meiner Freundinnen zusammen gezogen. Und nun will sie - nach zwischenzeitlicher Trennung - sogar gleich auf ihre eigene Weise einziehen? Wohl eher nicht. Immerhin bewegt sie sich auf ihre eigene Weise. Vielleicht auf mich zu.

Hochzeit:
The Beatles - Revolution Nr. 9
Es werden umstürlerische Ehejahre, scheint's. Nach Napoleon nun die pilzköpfige Revolution. Und klangchaotische. Rückwärts und Vorwärts miteinander in famosem Bandschleifensalat. Aber weißes Album zum weißen Hochzeitskleid passt ja auch wieder. Irgendwie.

Geburt des ersten Kindes:
Mardi Gras BB. - Psychoflute
Mit groovigen Pauken und Trompeten, Schmiss und Schmackes wird der Nachwuchs in der Welt begrüßt. Hat was.

Endkampf:
Benny Goodman - Sing, sing, sing
Und es geht schwungvoll weiter. Was immer auch der Endkampf sein soll (Obermotz abmurksen?), er wird mit Swing im Blut gegen die Wand rasen.

Todesszene:
Henry Purcell - Lord, how long wilt thou be angry?
Seufzende Chorklagen, barocke Tieftrauer. Schwarze Harmoniefolgen liegen über der Todesszene. Wie lange die Götter wütend sein werden? Keiner weiß es. Gewundert hätte mich inzwischen auch nicht, hätte der Zufallsgenerator "Isoldes Liebestod" gewählt.

Beerdigungslied:
dEUS - Serpentine
Reduziert auf ein Minimum, leise, zurückgezogen und weltentrückt. Es wird ein stiller Abgang, scheint's. Aber ein wunderschöner.

Abspann:
Nick Cave & The Bad Seeds - 15 feet of pure white snow
Am Ende bleibt die Schauerromantik. Ein Hauch von "The Shining", herzerwärmende Düsternis. Kein frohlockendes Ende. Wobei: Nur diesmal. Schon beim nächsten Mal hätte der Zufall wahrscheinlich völlig andere Nummern zu einer ganz anderen Geschichte verquirlt. Die Hoffnung bleibt.

Wer hierzu auch Lust hat, möge sich den Stock einfach mitnehmen. Gerade weil ich lange Handball gespielt habe und ich niemanden verletzen möchte, werde ich ihn nicht selbst weiterwerfen. Könnte gesünder für alle Beteiligten sein. Interessieren würde mich die Sache schon beim MC, beim Burnster, bei Uli und Ally . Da ich aber gerade beim Letzteren um die Holzscheitphobie weiß, werde ich mich auch hier unterstehen, irgendwomit um mich zu schmeißen.