Kaum mehr als dreitausend brummelgemütliche Einwohner hausen in Ihrhove, einem kleinen Kaff abseits der Bundesstraße von Leer nach Papenburg. Ostfriesische Diaspora. Zweistöckige Backsteinhäuser dämmern aneinander gedrängt die kleinen Straßen entlang. Es gibt eine Bank, eine Kirche, einen Fußballverein, der vor Jahren sogar in der dritten Liga spielte, einen verrotteten Bahnhof, eine verrammelte Raiffeisen-Lagerhalle, das "Limit" - eine kleine aber sehr feine Indie-Disco, Charlys Fischbude und ein neues Einkaufszentrum an der Ihrener Straße.
Und genau dort würde der Strahl meines Zorns eine flammenlodernde Feuersbrunst entfachen, wenn er nur könnte. Denn in eine kleinen Ecke zwischen Aldi, Gammelpizzeria und Combi-Markt quetscht sich ebenda ein kleiner Computerladen. Tumbe Horden sparwilliger Laptop-Sucher rennen dort die Bude ein, weil die beiden Betreiber gebrauchte Markenlaptops von Firmen aufkaufen und zu günstigen Konditionen weiterverkaufen. Da auch ich für die Magisterarbeit auf der Pirsch nach einem möglichst günstigen Laptop (als Weihnachtsgeschenk) war, suchte ich zunächst bei einem Laden für gebrauchte Laptops in Münster, einem mir mehrfach empfohlenen ähnlichen Geschäft, hörte aber dann von eben jenem in Ihrhove, zwölf Kilometer von meinem Heimatdorf entfernt.
Wie ich erstaunt feststellte, kommt daher auch einer der Besitzer des Ladens, mit dem ich gemeinsam, wenn auch zwei Jahre unter ihm, die Grundschule besucht habe. Enormst freundlich und fürsorglich schlug er mir einen Freundschaftspreis für ein IBM-Thinkpad vor, der wahrlich nicht verkehrt war.
"Und weißte was? Wir suchen Dir sogar unter allen Modellen, die wir reinkriegen, ein richtig klasse Modell aus. Du wirst sehen. Klasseteil!" Freudig überrascht sprach ich mich kurz mit meinem Vater ab; dann sagten wir zu. Am kommenden Wochenende sollte der Rechner dann fertiggemacht sein und abgeholt werden. Vorfreudig fuhr ich also am darauffolgenden Wochenende abermals mit dem Trödelzug von Münster nach Leer und von dort mit dem Auto nach Ihrhove. Zwanzig Menschen quetschten sich in den winzigen Laden, nicht jedoch das für mich vorbestimmte Gerät. Ärgerlich, aber nun gut.
Mein Vater holte das Gerät einige Tage später ab, meine Mutter befand, dass ich - da Geschenk - auch erst an Weihnachten selbst damit hantieren sollte, damit das Besondere des Geschenks gewahrt bliebe. Okay, gern. Dann kam aber der Heiligabend. Neben anderen bezaubernden Geschenken packte ich den Laptop aus, schloss ihn an und freute mich auf das Einrichten, drückte den Startknopf. Einmal fuhr er hoch, dann: Schwock! Blauer Fehlerbildschirm. Absturz. Padautz!
Beim nächsten Mal nicht anders. Das Gerät wütend aus dem Fenster zu werfen, hätte zwar meiner Laune entsprochen, aber wahrscheinlich meinen 12 Monate dauernden Garantie-Anspruch erlöschen lassen. Nix ging. Und wir erinnern uns: "Wir suchen Dir sogar unter allen Modellen, die wir reinkriegen, ein richtig klasse Modell aus. Du wirst sehen. Klasseteil!" Also rief ich am 27. Dezember prompt an, schilderte die Unzulänglichkeiten des achso tollen Teils, und ich wurde gebeten, es schnell vorbei zu bringen. Gemacht.
"Ah, oh, ja, kaputt. Ich guck mal, ob ich's reparieren kann. Ruf' Dich nachher an."
"Ich brauch's aber schnell, ich bin ab übermorgen nicht mehr hier und brauch's jetzt auch zum Arbeiten."
"Klar, kein Ding."
Er rief nicht an. Ich hingegen dann, leicht genervt, am späten Nachmittag. Gerät kaputt, nix reparieren, muss getauscht werden, gerade aber kein Ersatzgerät mehr da, alle verkauft. Kriegen erst in drei Tagen neue. In mir brodelte es heftiger, die Augenbrauen verschoben sich zu einem pfeilscharfen Winkel.Nun gut, in Gottes Namen. Auch meine Eltern ließen die beiden Besitzer telefonisch nochmals an ihrer Enttäuschung und Wut teilhaben. Und sie räumten sogar eine Frist bis zum 3. Januar ein, für die Neubeschaffung und Herrichtung des Geräts. "Super, nett! Klar, bis dahin haben wir dann alles fertig. Ihr braucht gar nicht mehr vorher anzurufen."
Zum vereinbarten Zeitpunkt fuhr mein Vater also wieder die 25km hin und zurück dahin, und? Nix. Kein Gerät da. "X ist grad unterwegs und holt welche. Morgen." Am nächsten Tag rief ich vormittags an, inzwischen zurück aus der Ferne und wieder in Leer, um meinen Geburtstag zu feiern. "Ja, Gerät ist da, kannste abholen." Nachmittags fuhr ich zunächst zum Bahnhof, um einen sehr wichtigen Gast abzuholen und dann direkt weiter zum Laden. Mal wieder. Es war 16h. In einer Stunde hatte sich zu Hause ein sehr guter, alter Freund, den ich Urzeiten nicht gesehen hatte, angekündigt.
Wie fast schon zu erwarten quetschten sich schon wieder ca. zwanzig Kunden wie daunenbejackte Ölsardinen in die Laden-"Dose". Überfreundliche Begrüßung. Oh, und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Zwanzig Minuten Warten. Dann endlich. "Ja, ähmnääh, Dein Gerät... ja wo ist es denn... ähhh..." Er sprang in den von Chaos bevölkerten Hinterraum. Hektisches Hin- und Herreichen von Geräten. Der äußerlich höchstens fünfzehnjährige Techniker bekam Einzelteile gereicht. Flott! Flott! Mein Gerät wurde jetzt erst zusammengebaut, schnellstmöglich und flüchtigst. Er durfte deutsche Tastaturaufkleber draufpappen, einrichten. >Meine Halsschlagader war dicker als Ottfried Fischer und puckerte wie ein Trommelwirbel; meine Lippen waren schmaler als ein Skalpellschnitt.
Ich entriss der falschen Ladenbesitzerschlange den Laptop. Schnell im Auto hochgefahren, okay. Später stellte ich fest: Der Rechner war etwas schneller, hatte aber nur halb so viel Arbeitsspeicher wie abgesprochen. Nun gut, das lässt sich verschmerzen. DVDs spielte er brav, wie abgesprochen. Seitdem tut der Laptop brav und friedlich seinen Dienst. Doch fiel mir erst vorerste Woche etwas auf. Einem meiner besten Freunde wollte ich einen Sampler brennen, diesmal mit dem Laptop. Und? Na klar! Es ist ein Nur-Lesen-Laufwerk drin, kein Brenner, wie abgesprochen war. Selbst Urschreitherapeuten hätten sich erschrocken vor den Schalldruckwellen, die mein Zimmer fast in Trümmer legten.Und? Seit fast zwei Wochen versuche ich nun, den Laden telefonisch zu erreichen. Mit unterdrückter Rufnummer. Meint Ihr, es geht jemand ans Telefon? Nein. Entweder ist besetzt oder niemand hebt ab. Angeblich ist das Telefon nun stumm geschaltet, da die Anrufe die Verkaufsgespräche behindern. Ich finde das mehr als schade und durchaus ärgerlich. Ein gutes Geschäft sein und ein gutes Geschäft machen sind zwei Paar Schuhe, meine Herren. Schon enttäuschend.